Manche haben Angehörige verloren

Libellenhof Luzern: Die Geschichte von Rosalia Romanova

Rosalia Romanova ist mit ihrem Hündchen aus der Ukraine geflüchtet. Sie musste unter anderem ihre beiden Söhne zurücklassen. (Bild: PLu)

Flüchtlinge aus der Ukraine finden im Libellenhof in Luzern ein neues, temporäres Zuhause. Wir wollen wissen, wie sich die Menschen bei uns eingelebt haben. Und sie erzählen uns ihre Geschichte.

Es ist ein wunderbar sonniger Tag, als wir die Libellenstrasse besuchen. Die Vögel zwitschern, die Ruhe wird einzig durch den Baulärm gestört. Jedoch treffen wir an diesem friedlichen Ort auf tragische Geschichten. «Es ist schon irgendwie skurril. In unseren Wohnungen sind nun Flüchtlinge, die teilweise noch nie im Ausland gewesen sind. Die Schweiz ist ein Traum, gleichzeitig herrscht in der Heimat Krieg», sagt uns Andy Bucher. Er ist der Präsident der Wohnbaugenossenschaft Luzern, welche rund 80 Wohnungen im Libellenhof zur Verfügung stellt (zentralplus berichtete).

Vorerst bis Ende Juli finden die Flüchtlinge hier ein Zuhause. «Es ist gut möglich, dass dies noch verlängert wird», sagt Bucher. Die Häuser werden in Zukunft verschwinden. An der Libellenstrasse im Maihofquartier erneuert die Wohnbaugenossenschaft Luzern zwölf ihrer insgesamt 20 Liegenschaften für circa 120 Millionen Franken (zentralplus berichtete).

Geschichten der Flüchtlinge im Libellenhof gehen unter die Haut

Mindestens einmal in der Woche besucht Andy Bucher «seine» Häuser. Er will vor Ort erfahren, was es noch braucht. Dabei kommt er immer wieder auch mit den Bewohnerinnen ins Gespräch.

«Ich habe beispielsweise mit einer Dame gesprochen, welche mit ihrer Mutter und ihrem Kind hier angekommen ist», erzählt Bucher. «Sie hat ihr Dorf dann verlassen, als der Krieg das andere Dorfende erreichte.» Teilweise haben die Menschen Angehörige verloren, oder mussten ihre Liebsten in der Ukraine zurücklassen. Wenn Andy Bucher von den Schicksalen berichtet, ist zu sehen, dass ihm die Geschichten nahegehen.

Die Flüchtlinge haben sich gut im Libellenhof eingelebt. Die Wohnungen sind zwar eher alt und die Grünflächen zwischen den Häusern sind schon ein bisschen verwildert. Die Wohnblöcke sollen ja auch bald abgerissen werden. Dennoch genügen sie den Ansprüchen ihrer neuen Bewohner. «Die Menschen sind sehr dankbar für die Wohnungen. Für die meisten Menschen sind die Wohnungen im gleichen, oder gar in einem höheren Standard als die Wohnungen in ihrer Heimat», sagt Bucher.

Ukrainische TV-Astrologin lebt jetzt in Luzern

Wir treffen beim Libellenhof auf eine Frau, die mit ihrem Hund gerade Gassi geht. Mit Englisch, Google Translate, ebenso mit Hand und Fuss, unterhalten wir uns im kleinen Park an der Libellenstrasse 25. «Ich war in der Ukraine eine Astrologin im TV und in Zeitungen», erzählt uns Rosalia Romanova. Sie hat unter anderem für den Sender «1+1» gearbeitet, der zu den erfolgreichsten Fernsehsendern des Landes zählt.

Sie zeigt ihren YouTube-Kanal und auch ihr Instagram Profil. «Ich streame auch heute täglich noch auf Instagram», sagt Rosalia Romanova. Ihre Videos werden auf Instagram im Durchschnitt rund 8’000-mal angeschaut. Sie legt die Tarot-Karten, ist Numerologin und Wahrsagerin.

Von der Wahrsagerin zur freiwilligen Helferin

Als der Krieg über die Ukraine hineinbricht, engagiert sich Romanova als freiwillige Helferin. «Ich habe anderen Menschen am Bahnhof in Lwiw geholfen.» Sie zeigt uns Bilder auf ihrem Handy. Sie steht mit einer gelben Warnweste am Bahnhof und hilft den Bedürftigen. Es ist ihr anzusehen, dass es ihr nicht leichtfällt, diese Bilder aus ihrer Heimat nochmals anzusehen.

Ihr Land hat Rosalia Romanova als Helferin und Flüchtende verlassen. Sie begleitete eine Gruppe Frauen und Kinder zu uns in die Schweiz. «Ich bin sehr froh, in diesem schönen Land zu sein. Die Menschen sind unglaublich freundlich zu uns!» Die Gruppe kam zuerst via Italien ins Tessin. Im Bundesasylzentrum in Chiasso wurde ihre Gruppe registriert. Später ging es dann für Rosalia Romanova und ihr Hündchen nach Luzern.

Dass es ihr in der Zentralschweiz gefällt, zeigt auch ihre Aktivität im Internet. Mit den Worten «Ich konnte nicht widerstehen und habe beschlossen, diese Schönheit mit euch zu teilen», veröffentlicht sie auch ein Video aus Luzern auf ihrem Instagram-Profil.

Bei all der Schönheit – die Sorgen bleiben

Auch wenn sie sich in der Schweiz gut aufgehoben fühlt, die Gedanken bleiben in der Ukraine. Sie ist zwar nun in Sicherheit, viele Verwandte und Bekannte sind allerdings noch in der Ukraine. «Meine beiden Söhne mussten im Land bleiben», sagt sie. Rosalias Blick senkt sich und wir getrauen uns nicht, da weiter nachzufragen.

Einige Flüchtlinge, die nun am Libellenhof vorübergehend leben, haben ähnliche und sogar noch schlimmere Geschichten. «Es gibt Menschen, die Angehörige verloren haben. Ich habe mit einer Dame gesprochen, die mir sagte, dass ihr Mann bleiben musste. Er arbeitet jetzt am Wiederaufbau der Infrastruktur des Landes», sagt uns ergänzend Andy Bucher.

Der Wunsch: Eine Arbeitsstelle und dann zurück in die Heimat

Rosalia hat die gleichen Wünsche wie die meisten Bewohner beim Libellenhof. «Während der Krieg weitergeht, will ich hier arbeiten und nützlich sein. Dann gehe ich zurück nach Hause.»

Die Dienststelle Asyl und Flüchtlingswesen (DAF) hat im Libellenhof ein Büro eingerichtet. Dort wird den Flüchtlingen bei ihren Alltagsproblemen geholfen, auch beim Thema Arbeitssuche. Es ist allerdings nicht leicht, wenn jemand nur seine Landessprache beherrscht, schnell einen Job zu finden. Die Helferinnen und Helfer geben jedenfalls alles, um die Menschen in dieser schweren Situation zu unterstützen.

Verwendete Quellen
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7 Kommentare
  • Profilfoto von A. Kunz
    A. Kunz, 12.05.2022, 09:48 Uhr

    Sie weichen meiner Frage aus.
    Aber im Ihre zu beantworten: Keineswegs. Die Ukraine ist wohl so korrupt wie ihre Nachbarstaaten. Wenn die NZZ in hunderten oder tausenden Artikeln zu diesem Krieg auch darauf eingeht, ist das OK. Einen anderen Eindruck vermittelt hingegen Ihr ständiges Bemühen, in Ihren Kommentaren völlig einseitig auf den ukrainischen Staat, seine Politiker und dessen Bürgerinnnen und Bürger einzudreschen. Da fragt man sich zu Ihren Motiven, Herr Bitterli. Und auch wenn Sie es nicht gerne hören: Diese Menschen mussten nicht wegen der Korruption flüchten, sondern wegen des Völkermordes der Russen.

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    • Profilfoto von Peter Bitterli
      Peter Bitterli, 12.05.2022, 12:13 Uhr

      Die Menschen mussten flüchten wegen des Völkermordes der Russen. Sagen Sie. Ich sage: Sie mussten fliehen wegen des durch nichts zu rechtfertigenden brutalen russischen Angriffs auf eine unschuldige Zivilbevölkerung und ihren Staat und zwar aus Hass, Lügengespinsten und historischem Ehrgeiz, fälschlicherweise gerechtfertigt durch den angeblichen Schutz der eigenen Nationalität, was auch wenn es zuträfe die Sache keinesfalls besser machen würde, und was jegliche Überlegungen betreffend die Vorgeschichte und die Drehungen an der Eskalationsspirale als Schnee von gestern und obsolet erscheinen lässt. Und ja: Das höre und sage ich nicht gerne. Sie schon?
      Wenn Sie mich indessen „zu meinen Motiven“ fragen, gleich noch mit namentlicher Anrede, so kann ich Ihnen nur raten, diese eher nicht in den Hochlanden der grossen Politik zu suchen. In einem kleinstädtischen Forum kann es doch ausschliesslich darum gehen, dessen Teilnehmern ein Minimum an geistiger Flexibilität abzuverlangen. Normale Aufklärung halt. Zu diesem Zweck gibt es verschiedene Textsorten. Gegen die Formulierung „eindreschen“ muss ich mich indessen strikt verwahren. Ich glaube nicht, dass Sie wissen, in welchen Mass ich und die mir Nahestehenden täglich und aus erster Hand mit dem Inpact dieses Überfalls auf sämtliche beteiligten Staaten und Menschen unterschiedlichster Ansichten konfrontiert sind. Sorry, ich kommentiere nicht von aussen.

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  • Profilfoto von Peter Bitterli
    Peter Bitterli, 11.05.2022, 21:20 Uhr

    Die ukrainische Variante von Mike Shiva hat für den Sender „1+1“ gearbeitet, der dem Oligarchen Igor Kolomojskij gehört. Kolomojskij gilt als der Pate von Selenskij, der beim gleichen Sender angestellt war. Wikipedia gibt zu Protokoll: „2020 ernannte ihn das internationale Zentrum für die Erforschung der Korruption und des organisierten Verbrechens zu einem der vier korruptesten Amtsträger des Jahres. Kolomoisky habe eine „Geschichte von Unternehmensrazzien, Betrug, Unterschlagung und politischen Intrigen“ und vertrete „viele ideologische und korrupte Milliardäre, von den Koch-Brüdern bis zu Aaron Banks, die die Demokratie zum persönlichen Vorteil untergraben haben“.“
    Gehört nicht hierher? Möglich. Vervollständigt aber das Bild. Journalistische Basisarbeit.

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    • Profilfoto von Daniela Uebersax
      Daniela Uebersax, 11.05.2022, 22:34 Uhr

      Sie haben also bemerkt, dass eine Astrologin unter anderem für einen TV Sender arbeitete, dessen Besitzer ein ukrainisch-israelisch-zypriotischer Unternehmer, Milliardär, Philanthrop und Oligarch ist. Und das erstaunt Sie? Gibt es TV Sender im Osten Europas, die nicht einem korrupten Unternehmer oder einem korrupten Staat gehören? Und ändert das irgend etwas am Schicksal dieser Frau und von vielen Millionen Ukrainern, die aufgrund des Vernichtungskriegs von Putin, notabene mutmasslich der korrupteste und reichste Mensch der Welt, alles verloren haben? Sie sollten Ihr Visier nachjustieren, Herr Bitterli.

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      • Profilfoto von Peter Bitterli
        Peter Bitterli, 11.05.2022, 23:22 Uhr

        Nein, das ändert nichts, wie kommen Sie auf so eine abwegige Idee?
        Aber danke, Frau Uebersax für Ihre zusätzlichen informativen Anmerkungen. So kommt Farbe und Kontur in die Sache. Ich dachte ja auch, Ziel dieses Portäts sei es, etwas den Hintergrund auszuleuchten der Leute, die bei uns sonst einfach pauschalisierend als „die Ukraine-Flüchtlinge“ abgehandelt und damit im Kern nicht wirklich für voll genommen werden. Nicht?

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    • Profilfoto von A. Kunz
      A. Kunz, 12.05.2022, 00:23 Uhr

      Was hat der Besitzer eines TV Kanals mit dem Krieg und der Flucht dieser Frau zu tun?

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      • Profilfoto von Peter Bitterli
        Peter Bitterli, 12.05.2022, 08:38 Uhr

        Sie sind dann wohl auch moralisch empört, wenn die NZZ in mehreren Artikeln den jämmerlichen Vorkriegszustand der Ukraine bezüglich Korruptionsbekämpfung, die Oligarchenherrschaft, Selenskijs Versagen bei sämtlichen seiner Wahlversprechen oder die aktuelle Tendenz zur Etablierung eines autoritären, oppositionsfreien Präsidialsystems, das auf ihn als Kriegshelden ausgerichtet ist, thematisiert? Es ist nun mal mit der Endloswiederholung der bekannten Formeln der schliesslich selbstverständlichen Opfersolidarität nicht getan.

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