Annamaria Marjai hat 364 Tage im Jahr geöffnet

Mit Pferdewetten und Barbetrieb trotzt sie in Luzern der Kiosk-Misere

Annamaria Marjai in ihrem Kiosk an der Bundesstrasse.

(Bild: pze)

Seit vierzehn Jahren ziert der Posito-Kiosk die Luzerner Bundesstrasse. Praktisch täglich stehen die Türen offen, so wurde das Geschäft zum Treffpunkt mitten in der Neustadt. Betreiberin Annamaria Marjai trotzt erfolgreich der Kiosk-Krise – mit ihren ganz eigenen Methoden.

Es wird gehämmert und gebaut an der neuen Himmelrich-Siedlung. Staub liegt in der Luft, die Arbeiter rufen einander Worte zu, die im Lärm ihrer Baumaschinen untergehen.

Auf der Strasse gegenüber werden sie beobachtet von Gästen der «Aussenterrasse» des Posito-Kiosks. Die Terrasse sind zwei Tische unter Sonnenschirmen, direkt an der vielbefahrenen Bundesstrasse. Die Gäste sehen zufrieden aus und geniessen den Kaffee an der Sonne.

Im klimatisierten Innenraum des Posito stehen die Leute Schlange. Dabei liest man in letzter Zeit vor allem negative Schlagzeilen, wenn es um Luzerner Kioske geht. So musste beispielsweise im Wesemlin kürzlich wieder ein Kiosk sein Aus bekanntgeben (zentralplus berichtete). Doch wie das kleine Gallische Dorf in den Asterix-Comics stemmt sich der Posito-Eckladen gegen die Krise. Wie hat er sich so tapfer gehalten?

Getränke und Pferderennen

Inhaberin des Kiosks ist Annamaria Marjai. Vor 14 Jahren eröffnete die gelernte Konditorin den Laden in der Neustadt. Das Kleinod ist jährlich während 364 Tagen offen – nur am Weihnachtstag gönnt sich die gebürtige Ungarin eine Pause. Die anfallende Arbeit bewältigt sie mit Hilfe von drei Angestellten.

Gegenüber dem «Posito» ist die Himmelrich-Baustelle.

Gegenüber dem «Posito» ist die Himmelrich-Baustelle.

(Bild: pze)

Ihren Hauptumsatz macht die 44-Jährige heute mit Getränken und Toto. In ihrem Laden hat es einen Bildschirm, auf dem Liveübertragungen von Pferderennen laufen. «Mit dem Toto machen wir einen grossen Teil unseres Umsatzes», sagt sie.

Tatsächlich, im Hintergrund schweifen immer wieder Blicke von kaffeetrinkenden Kunden zum Bildschirm. Es wird gemurrt, oder Gewinne werden stoisch zur Kenntnis genommen. Nach dem Tipp ist vor dem Tipp.

Jeder Besucher zählt

Marjai hat vor drei Jahren das Wirtepatent erworben, seither darf sie auch Alkohol verkaufen. Sie musste mit der Zeit gehen, das Kiosk-Geschäft wandle sich. Das Getränkeangebot ist mit ein Grund für den andauernden Erfolg des Positos.

Annamaria Marjai sagt: «Man muss zu jedem Gast freundlich sein, egal ob morgens um sieben oder abends um acht.» Sie rechnet vor: Verliert sie einen Stammkunden, fallen 100 Franken Umsatz im Monat weg. Deshalb weiss sie: «Jeder Besucher zählt für mich.»

Die Kiosk-Inhaberin unterhält ein ganz spezielles Verhältnis zu ihren Stammgästen. So ist ihr treuster Kunde Urs gerade weg. Er macht einige Erledigungen für den Kiosk. «Ich vertraue ihm voll und ganz», sagt sie mit einem Lächeln.

Kiosk-Krise getrotzt – dank Anpassungen

Marjai kam 1994 aus Ungarn in die Schweiz, sechs Jahre später kam ihr Kind auf die Welt. «Als meine Tochter vier Jahre alt war, wollte ich wieder selber etwas machen», sagt sie. Deshalb habe sie den Kiosk gegründet – eine Herzensangelegenheit. Seit drei Jahren ist sie wieder verheiratet. «Es ist meine grosse Liebe», sagt sie.

«Künftig werden im Himmelrich 300 Wohnungen entstehen. Das sind für mich wieder wichtige Kunden.»

Annamaria Marjai, Posito-Betreiberin

Der Kiosk-Krise trotzt Marjai mit Anpassungsfähigkeit und kluger Planung. «Ich war auch als Hausfrau immer gut im Einkaufen», sagt sie. Das Angebot sei stets neu gestaltet, sie gehe spontan auf günstigere Waren ein. «So spare ich viel Geld», sagt sie. Eine andere wichtige Entscheidung war es, die Magazine aus den Regalen zu räumen. Marjai bietet nur noch Zeitungen an. «Die Magazine blieben liegen, das hat sich nicht mehr gelohnt», sagt sie.

Man kennt sich im Posito

Inzwischen ist Urs aus der Post zurück. Er kommt seit 14 Jahren praktisch täglich her. «Für mich ist es hier wie ein Zirkus ohne Eintritt», meint er. Man treffe stets neue Leute, habe gute Gespräche. Zudem sei der Preis für eine Tasse Kaffee gut und er könne hier stets die neuste Zeitung lesen.

Mit Lotto und Kaffee macht die Inhaberin den grössten Teil des Umsatzes.

Mit Lotto und Kaffee macht die Inhaberin den grössten Teil des Umsatzes.

(Bild: pze)

Tatsächlich, im Kiosk scheint man sich gegenseitig zu kennen. Als ein Kunde den Laden betritt, wird er von einem Gast erspäht. Dieser ruft ihm lachend zu: «Hast du Inter gesehen? Wieder verloren, die Dummköpfe!» Der sichtlich zerknirschte Angesprochene murmelt etwas Unverständliches und schnappt sich eine Zeitung.

Seine Miene erhellt sich wieder, als Annamaria Marjai ihm seinen Kaffee bringt. Sie hält einen kurzen Schwatz mit dem Herrn, danach ist er wieder deutlich besser gelaunt.

Himmelrich-Siedlung als Chance

Die Schiebetür öffnet sich, der Baulärm der Himmelrich-Baustelle schwillt an und klingt wieder ab, als die Türe sich langsam wieder schliesst. Marjai sagt: «Momentan kommen viele Bauarbeiter her und holen sich ihr Mittagessen bei mir.» Die Sandwiches bereitet sie frisch und auf Wunsch zu. Das werde geschätzt.

«Künftig werden hier 300 Wohnungen entstehen. Das sind für mich wieder wichtige neue Kunden», freut sie sich. Mit ihrem Posito-Kiosk bleibt sie auch weiterhin der Bundesstrasse erhalten – als stets offener, kleiner Treffpunkt, mitten in der Neustadt.

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