Auf Bootstour mit Kapitän Benjamin Schacht

Mit Gelassenheit über den Zugersee

Kapitän Benjamin Schacht auf der MS Zug. (Bild: H2O)

Die MS Zug ist das grösste Passagierschiff auf dem Zugersee. Da braucht es einen Kapitän, der sein Handwerk im Schlaf beherrscht. Benjamin Schacht ist so einer. Er nahm uns mit auf eine Tour und verriet uns unter anderem, wie man sich bei einem Piratenangriff zu verhalten hat.

«Alles an Bord. Wer möchte noch mitfahren?» Die Worte, die der Kapitän mit sonorer Stimme ausspricht, zeigen Wirkung. Schnell huscht eine Mutter mit ihrem Kind am Arm über den Schiffssteg und betritt das Deck.

Kapitän Benjamin Schacht ist ein echter Seebär, mit all den positiven Attributen, die man diesem geflügelten Wort zuschreibt. Gute zwei Meter Körpergrösse, fast schon tellergrosse Hände und eben jene wohlig tiefe Stimme, welche Gelassenheit und Autorität gleichermassen ausstrahlt. Ohne Bedenken betreten auch wir «sein» Schiff, die 2003 erbaute MS Zug, und lassen uns ein auf eine Reise ins Leben des passionierten Seemannes.

Die Leichtigkeit von 240 Tonnen

Schacht, Jahrgang 1964, ist nicht nur seit bald 30 Jahren Schiffsführer, sondern waltet auch als Betriebsleiter bei der Schifffahrtsgesellschaft Zugersee (SGZ). «Wer kann schon von sich behaupten, einen solch schönen Arbeitsplatz zu haben?», fragt Schacht rhetorisch und unterstreicht seine Worte mit einer ausladenden Geste, während sein Blick sich ans Innerschweizer Bergpanorama haftet.

Wir haben den Bahnhofsteg Zug bereits verlassen, stechen in See, volle Fahrt voraus. Nächste Stopps: Cham, Buonas, Risch. Währenddessen erzählt uns Schacht, was für ihn den Reiz am Schifffahren ausmacht. «Einerseits ist es natürlich die Tatsache, einen solchen Arbeitsplatz haben zu dürfen. Andererseits ist es der tägliche Kontakt mit den Passagieren, wie zum Beispiel der Piratengruppe, die alsbald unser Schiff entern wird», sagt er schmunzelnd.

«Meine Damen und Herren, ich muss Ihnen leider mitteilen, dass wir gleich von einer Horde Piraten eingenommen werden.»

Die Piraten, das ist eine Gruppe Schulkinder, mit Kopftüchern auf deren Häuptern und Schminke im Gesicht, die uns schon von Weitem ganz aufgeregt zuwinkt. «Es ist lebendig hier», fügt der Kapitän an. «Man spürt die Menschen. Das macht grosse Freude.» Mindestens gleich viel Freude bereite ihm das Steuern eines Schiffes wie der MS Zug. «Das sind immerhin gut 240 Tonnen, die man bewegt. Die damit einhergehende Verantwortung sagt mir persönlich sehr zu.»

Kapitän Schacht am Mikrophon.

Kapitän Schacht am Mikrophon.

(Bild: H2O)

Mit Propellern Pirouetten drehen

Schachts Enthusiasmus ist spürbar, auch nach 30 Jahren. Er greift zum Mikrofon und spricht zu den Passagieren: «Meine Damen und Herren, ich muss Ihnen leider mitteilen, dass wir gleich von einer Horde Piraten eingenommen werden.» Das Lachen der Schiffsgäste schallt bis zur Brücke hinauf. Der Seemann, ein Entertainer.

Zu jeder Zeit, auch während des Scherzens, erfüllen Aufmerksamkeit und Achtsamkeit seinen Blick. Das ist auch nötig, denn die Schiffe auf dem Zugersee werden alle manuell gesteuert. Da gibt es keinen Autopiloten, der einem die Arbeit abnimmt. Das hat allerdings nichts mit der Grösse des Binnengewässers zu tun, sondern mit der Ausrüstung der Schiffe.

Im Maschinenraum. Es ist ohrenbetäubend laut und der Geruch von Öl liegt in der Luft. Insgesamt 800 PS beschleunigen die MS Zug auf maximal 23,4 km/h.

Im Maschinenraum. Es ist ohrenbetäubend laut und der Geruch von Öl liegt in der Luft. Insgesamt 800 PS beschleunigen die MS Zug auf maximal 23,4 km/h.

(Bild: H2O)

«Seien wir ehrlich, der See dürfte schon etwas grösser sein.»

Die MS Zug wird mittels Schottelsteuerung angetrieben und manövriert. Es handelt sich dabei um eine sogenannte Schubsteuerung, was heisst, dass am Heck kein Ruderblatt angebracht ist, um über das Nass zu kurven. «Ich habe zwei Propeller, die sich individuell um 360 Grad drehen lassen. Mit denen gebe ich Schub. Damit ist das Schiff sehr manövrierfähig. Ich kann zum Beispiel auf dem Teller drehen und andere Sachen machen, die ein Schiff mit Festpropellern nicht kann», erklärt unser Kapitän.

Die Piraten stürmen das Schiff – Arr!

Die Piraten stürmen das Schiff – Arr!

(Bild: H2O)

Die Krux mit Bug und Heck

Die Piratentruppe ist an Bord. Weiter geht’s. In südliche Richtung, vorbei am Naturschutzgebiet entlang des Westufers. Es sind ungewohnte Ansichten, die sich einem hier bieten. «Landschaftlich ist der Zugersee überraschend abwechslungsreich und interessant», sagt Schacht. «Wir fahren sozusagen vom Mittelland in die Bergregion hinein. Diesen Übergang finde ich spannend.» Und letztlich sei die Gegend weitherum bekannt für die unübertroffenen Sonnenuntergänge – sagt einer, der bereits unzählige davon gesehen hat und noch mehr zu sehen erhofft.

Der Zugersee habe allerdings auch Nachteile, wie Schacht anfügt: «Seien wir ehrlich, er dürfte schon etwas grösser sein.» Er sagt dies ohne Groll. Denn unser Kapitän ist kein murrender Brummbär, sondern ein humorvoller Seebär. Das zeigt sich nicht zuletzt in einer Anekdote, die er uns erzählt:

Wir haben den südlichsten Punkt des Zugersees fast erreicht und steuern die Anlegestelle in Arth an. Schacht greift wieder zum Mikrofon: «Geschätzte Gäste, in wenigen Augenblicken treffen wir in Arth ein. Wenn Sie auf den Bus müssen: Er kommt gleich. All jenen, die weiterhin auf dem Schiff bleiben, gratuliere ich. Nach einem kurzen Aufenthalt werden wir zurück nach Zug fahren, mit Halt in Immensee und Oberwil.»

Volle Konzentration: Schacht legt in Arth an.

Volle Konzentration: Schacht legt in Arth an.

(Bild: H2O)

Die Piraten verlassen das Schiff. Es gab wohl nicht allzu viel zu holen.

Die Piraten verlassen das Schiff. Es gab wohl nicht allzu viel zu holen.

(Bild: H2O)

Abschiedsgruss an die Piratengruppe.

Abschiedsgruss an die Piratengruppe.

(Bild: H2O)

Die Piraten steigen aus. Gemeutert haben sie nicht. Zum Dank für die Mitfahrgelegenheit stimmen sie im Chor drei lautstark verkündete «Ahois» an und winken dem sich wieder aufmachenden Schiff lange hinterher. Schacht grüsst zurück, indem er das Schiffshorn mehrfach ertönen lässt. Die MS Zug ist wieder auf Kurs. Und unser Kapitän verrät, was es braucht, um ein guter Schiffsführer zu sein.

Oh Captain, my Captain!

«Schifffahren braucht sehr viel Feingefühl und Aufmerksamkeit», betont er. Ein Schiff unterscheide sich deutlich von einem Bus, der fest mit dem Boden verbunden ist. «Wir fahren jetzt wohl vorwärts über den Kiel. Bei Seitenwind sieht das allerdings auch so aus, obwohl ich dann abdrifte. Ich muss also sehr gut erkennen, gerade bei Wind, wie sich mein Schiff verhält. Und aufgrund dessen das richtige Manöver wählen. Das braucht sehr viel Erfahrung. Man muss aber auch ein gewisses Gespür dafür mitbringen.»

«Es ist nicht damit getan, auf dem Stuhl zu sitzen und die Aussicht zu geniessen.»

Kapitän, das Wort stammt vom Lateinischen capitaneus ab und bedeutet Anführer. Denn der Chef an Bord muss nicht nur über nautische Fähigkeiten verfügen. Er muss auch eine Führungspersönlichkeit sein. «Man ist mit den Sinnen immer überall», sagt Schacht. «Es ist nicht damit getan, auf dem Stuhl zu sitzen und die Aussicht zu geniessen.»

Ein Kapitän mit Weitsicht.

Ein Kapitän mit Weitsicht.

(Bild: H2O)

Eine essenzielle Eigenschaft eines guten Schiffführers sei Gelassenheit. «Ein eher aufgedrehtes Gemüt würde in diesem Job nicht glücklich werden», konstatiert Schacht. «Als Kapitän hat man in Notfällen eine Entscheidung an Bord zu treffen. Und für mich ist klar: Ich kann nur dann die richtige Entscheidung treffen, wenn ich ruhig bleibe und die Übersicht behalte.»

Land in Sicht!

Land in Sicht!

(Bild: H2O)

Der Anker bleibt am Schiff

Wir treten die letzte Etappe an. Die MS Zug beschleunigt auf knapp 20 km/h. Mit Oberwil verbindet uns nur noch eine Wasserschneise. Die Stadt Zug rückt näher. Wir wollen von Schacht wissen, ob er irgendwelche Seemannsklischees erfülle. Versteckt sich da vielleicht irgendwo ein Anker-Tattoo? «Nein», lacht der Kapitän, «ich habe mir keinen Anker tätowieren lassen. Ich habe überhaupt keine Tattoos. Und auch keine Piercings.»

Es sei aber schon so, dass sich die lange Verbundenheit mit der Schifffahrt in seinem Privatleben niederschlage. «Wenn man meine Wohnung betritt, dann wird recht schnell erkennbar, welchem Beruf ich nachgehe», verrät er. «Schiffsbilder hängen an den Wänden und ich besitze eine Kompasssammlung.»

Einen Kompass hat Schacht heute nicht benötigt. Zielsicher und mit einer Punktlandung legen wir am Ausgangspunkt in Zug an. Die Reise ist zu Ende. Tiefenentspannt verlassen wir das Schiff. Die nächsten Passagiere warten bereits, drängen sich hinter der Kette und fragen sich wohl, ob hinten vorne oder vorne doch eher hinten ist.

Kapitän Schacht macht sich auf zur letzten Tour für heute. Und während die MS Zug langsam im gleissenden Licht der Nachmittagssonne verschwindet, sind wir uns sicher: Die Passagiere brauchen sich keine Sorgen zu machen. Bei diesem Kapitän sind sie in guten Händen.

Dem Horizont entgegen: Die MS Zug zieht von dannen.

Dem Horizont entgegen: Die MS Zug zieht von dannen.

(Bild: H2O)

Politisches Seegefecht

Im Rahmen des Entlastungsprogramms hat der Kanton Zug eine Erhöhung des Kostendeckungsgrads für die beiden Zuger Schifffahrtsgesellschaften (Zugersee und Ägerisee) beschlossen. Der Kantonsrat ist der Empfehlung der Kommission gefolgt und hat den Kostendeckungsgrad von anhin 60 Prozent auf neu 70 Prozent angehoben (zentralplus berichtete). Das bedeutet, dass es künftig rund 25 Prozent weniger Kantonsbeiträge geben wird.

«Das macht einschneidende und zum Teil schmerzhafte Massnahmen nötig», erklärt SGZ-Pressesprecherin Kathrin Howald. Selbst der Verkauf von Schiffen müsse erwogen werden, sagt sie. In einer Task Force werde zurzeit eruiert, wie man mit der konfrontierten Situation am besten umgehen wird.

Für Howald ist allerdings schon heute klar: «Wir können nicht einfach die Ticketpreise beliebig erhöhen, um den erhöhten Kostendeckungsgrad zu kompensieren. Denn dann würden uns schlicht die Passagiere ausbleiben.» Ebenso wenig hilfreich wäre es, eine Rundfahrt aus dem Programm zu streichen. Denn ein Schiff, erklärt Howald, kostet auch, wenn es nicht fährt.

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