Von Horw nach Kenia

Mit Früchten, Fischen und Honig kämpft Katharina Strahl gegen die Armut in Afrika

Katharina Strahl (23, Mitte) leistet nach ihrer Ausbildung an der Hochschule Luzern nun Entwicklungshilfe in Kenia. (Bild: zvg)

Was sie gelernt hat, soll auch was bringen. Mit diesem Grundsatz im Gepäck hat sich die HSLU-Absolventin Katharina Strahl (23) aus Knonau nach Kenia aufgemacht – wo wir sie per Skype erreicht haben. Ein Interview über Eigeninitiative, Skepsis und Zoom-Workouts.

Noch hüllt sich der junge Tag in Dunkelheit. Bald aber wird fahles Morgenlicht auf die eingeschneiten Strassen und Häuser der Zentralschweiz fallen. Derweil sitzt Katharina Strahl sommerlich gekleidet unter einem Dach aus gebundenen Palmenblättern und freut sich über einen wolkenverhangenen kenianischen Küstenhimmel. «Endlich ist es mal angenehm und nicht so drückend heiss.»

Die Knonauerin und HSLU-Absolventin Strahl ist 23 Jahre jung, frischgebackene Wirtschaftsingenieurin – und eine von 13 Fachkräften, welche die Luzerner Entwicklungsorganisation Comundo heuer in den Einsatz geschickt hat.

zentralplus: Seit gut anderthalb Monaten sind sie an der Küste Kenias im Einsatz. Wie sieht da der normale Alltag einer jungen Entwicklungshelferin aus der Schweiz aus?

Katharina Strahl: Nun, ich bin hier als Fachkraft und unterstütze eine lokale Hilfsorganisation, bestehend aus gut 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, bei Produktentwicklung und -Management.

zentralplus: Was heisst das konkret?

Strahl: Kwetu, so heisst die Partnerorganisation hier in Kenia, bietet einerseits Ausbildungsprogramme an in der nachhaltigen Produktion von Früchten, Fischen, Honig und Naturkosmetika – attraktive Nebenverdienste für die hiesige Bevölkerung. Andererseits produziert die Organisation auch selbst solche Produkte. Ich bin in beiden Bereichen involviert. Sowohl die Trainings schau ich mir an wie auch die Produktion selber. In einer ersten Phase begleite ich die Verantwortlichen hier vor Ort, schau ihnen über die Schulter. Was funktioniert? Was weniger? Im nächsten Schritt geht es dann darum, konkrete Verbesserungen gemeinsam zu entwickeln und zu implementieren.

«Nicht alles funktioniert nach Lehrbuch. Das merkt man hier schnell.»

zentralplus: Die HSLU-Absolventin, die den Afrikanern zeigt, wie die Welt wirklich funktioniert ...

Strahl: Nun, die kenianische Organisation hat explizit nach Fachkräften wie mir gefragt und mich mit Comundo zusammen rekrutiert. Aber tatsächlich ist das nicht so einfach. Auch, weil nicht alles nach Lehrbuch funktioniert. Das merkt man hier schnell. Will man tatsächliche Verbesserungen erzielen, muss man mit den Leuten zusammensitzen und kreative Lösungen erarbeiten, die hier passen. Einfach nach Rezept vorzugehen, funktioniert nicht. Gerade dieser Aspekt macht die Arbeit sehr spannend.

Katharina Strahl macht Feldbesuche in der Landwirtschaft, um die lokale Bevölkerung zu unterstützen. (Bild: zvg)

zentralplus: Was noch macht den Reiz Ihrer Arbeit aus?

Strahl: Mit Leuten zu tun zu haben, die Lust haben anzupacken. Man merkt hier sofort, dass es ganz viel Drive gibt. Die Leute haben Bock, was zu machen. Nicht nur in der Organisation, gerade auch in der Bevölkerung. Das hat sich zum Beispiel letztens gezeigt, als wir eine selbstorganisierte Gruppe von Bauern getroffen haben, die sich bei uns gemeldet haben, weil sie mehr zum Thema Bienenzucht wissen wollten. Diese Art des Austausches macht extrem Spass.

zentralplus: Es gibt aber auch eine andere Seite von Entwicklungszusammenarbeit: Ausländische Geldgeber, die mit ihren Projekten Eigeninitiative vor Ort unterdrücken, Abhängigkeit und Konsum-Mentalität kreieren ...

«Ob jemand zehn Dollar verdient oder dank eines Imkerkurses weitere zwei Dollar einnehmen kann – macht einen beträchtlichen Unterschied aus.»

Strahl: Die Situation ist ambivalent. Natürlich gibt es sie hier, die grossen Organisationen mit den noch grösseren Projekten. Gekoppelt mit der Mentalität der erwartenden hingehaltenen Hand. Allerdings ist das Feld der Entwicklungszusammenarbeit extrem breit. Ich bin hier in der sogenannten personellen Entwicklungszusammenarbeit tätig. Dabei geht es in erster Linie um den Austausch von Know-how, das von lokalen Akteuren erfragt und dann auch angewendet wird. Ich stehe hinter dem, was ich mache. Was hier alles abgeht, wie das funktioniert und wo vielleicht auch die Grenzen von Entwicklungszusammenarbeit liegen, das möchte ich mit eigenen Augen erfahren – ein wichtiger Grund für meinen Kenia-Einsatz.

zentralplus: Ein bisschen Fischzucht, Imkerei und Naturkosmetika: Wie sehr kann man damit die Armut der lokalen Bevölkerung tatsächlich bekämpfen? Kann man so wirklich einen Unterschied vor Ort machen?

Strahl: Ein Baustein, ja! Die Trainings bieten vor allem Möglichkeiten für Zusatzverdienste. Insbesondere für jene, die über keine formale Berufsbildung verfügen, dafür aber verschiedenen Tätigkeiten nachgehen – was auf viele der hiesigen Küstenbevölkerung zutrifft. Ob jemand dann am Tag die durchschnittlich üblichen zehn Dollar verdient oder dank eines Imkerkurses von uns nachher noch weitere zwei Dollar einnehmen kann, macht letztlich einen beträchtlichen Unterschied aus.

«Um zusätzliches Geld zu verdienen, werden nun vermehrt wieder geschützte Mangrovenwälder geholzt und verköhlert.»

zentralplus: Einen Unterscheid macht wohl auch Corona aus?

Strahl: Ja, auch wenn die kenianische Bevölkerung im Schnitt deutlich jünger ist – und somit weniger vulnerabel. Zum einen gilt hier offiziell eine allgemeine Maskenpflicht sowie eine Ausgangssperre von 22 bis 4 Uhr. Zudem waren bis vor Kurzem noch sämtliche Schulen geschlossen. Vor allem aber drückt Corona auf die Reisebranche – und das kriegen gerade die Küstenregionen Kenias zu spüren. Denn hier ist fast jeder direkt oder indirekt mit dem Tourismus verbunden. Diese Einkünfte fehlen nun, ein grosses Problem auch für die Umwelt. Denn um zusätzliches Geld zu verdienen, werden nun vermehrt wieder geschützte Mangrovenwälder geholzt und verköhlert.

«Für mich war klar, dass ich in einer Branche arbeiten will, wo Leute für ihre Sache brennen, mit Überzeugung dabei sind.»

zentralplus: Wie kommt man auf die Idee, sich nach dem Studium dem Kampf gegen die Armut zu verschreiben?

Strahl: (Überlegt lange.) Gute Frage. Nun, zum einen hat mich schon immer fasziniert, wie anderswo gelebt wird. Ob das damit zusammenhängt, dass ich vier Jahre meiner Kindheit in Libyen verbracht habe? Ich weiss nicht. Auf alle Fälle war für mich klar, dass ich das, was ich mir bei meinem Studium in Horw angeeignet habe, auch anwenden wollte. Und dass ich in einer Branche arbeiten will, wo Leute für ihre Sache brennen, mit Überzeugung dabei sind. Das und vieles mehr kommt in diesem Projekt zusammen. Manchmal passt es einfach.

Katharina Strahl unterstützt die einheimische Bevölkerung bei der Honigproduktion. (Bild: zvg)

zentralplus: Ihre Arbeit gefällt Ihnen offensichtlich. Was aber machen Sie nach dem Feierabend? Gibt es so was wie Freizeit für eine Entwicklungshelferin? Rudern auf dem Vierwaldstättersee, so wie noch zu Studizeiten, geht nun nicht mehr ...

Strahl: Leider nein. Das Konzept Freizeit, wie wir es kennen, wird hier anders ausgelegt. Man trifft sich eher mal zum Tee. Und so ähnlich mache ich das auch: Ich treffe mich oft mit Leuten, gehe daneben noch schwimmen, versuche mittels GPS-Daten die Open Street Map der Umgebung zu verbessern. Weil es schnell dunkel wird, kann man aber nicht allzu viel machen – ausser Zoom-Workouts mit dem alten Sportverein in der Heimat.

Luzerner Organisation mit viel Fachwissen

Comundo ist das grösste Schweizer Hilfswerk für personelle Entwicklungszusammenarbeit. Derzeit leisten rund 100 Schweizer Berufsleute einen mehrjährigen Entwicklungseinsatz in Afrika oder Lateinamerika – um so benachteiligten Menschen eine Chance auf eine selbstbestimmte Zukunft zu ermöglichen. 

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