Die Grüne und Luzerner Jungpolitikerin Irina Studhalter verschaffte ihrem Ärger nach den Terroranschlägen in Brüssel auf Twitter Luft – und löste damit heftige Reaktionen aus. Doch damit ist längst noch nicht genug.
Die Terroranschläge von Brüssel erschüttern die Welt: Am Dienstagmorgen detonierten in der Abflughalle des Flughafens zwei Bomben – 14 Menschen wurden in den Tod gerissen, mindestens 96 Personen wurden verletzt. Später kam es an der Metrostation Maelbeek zu einer weiteren Explosion, wobei mindestens 20 Menschen getötet und weitere 106 verletzt wurden. Der IS übernahm die Verantwortung für die Anschläge.
Wie nach solchen Geschehnissen üblich, überschlagen sich derzeit auf sozialen Medien die Solidaritätswellen für die Opfer und deren Angehörige. Auf der anderen Seite wird auf den politischen Islam geschossen, es wird gewarnt und geschimpft. Und dann gibt es da Irina Studhalter, Co-Präsidentin der Jungen Grünen des Kantons Luzern, die am Dienstagabend auf Twitter auch ihrem Ärger über die jüngsten Ereignisse Luft verschaffen wollte – und damit wiederum einen Sturm der Entrüstung auslöste.
Was ihr Tweet auslösen würde, damit hat sie nicht gerechnet. «Die Reaktionen sind sehr heftig», sagt Studhalter. «Es hat mich völlig überwältigt.» Mittlerweile hat die 23-Jährige die Privatsphäre-Einstellungen ihres Twitter-Accounts angepasst, ihre Tweets sind somit geschützt und nicht mehr öffentlich zugänglich. «Das habe ich zum Selbstschutz getan», erklärt sie, «ich bekam im Sekundentakt Nachrichten, das ist mir persönlich einfach zu viel geworden.»
«Ich glaube, ich sehe die jüngsten Geschehnisse nicht aus einer emotionalen, sondern aus einer wissenschaftlichen Perspektive.»
Irina Studhalter, Junge Grüne Kanton Luzern
«Ich bereue den Inhalt meiner Aussage nicht und stehe dazu», meint sie. «Ich verhöhne dabei die Opfer nicht, wie es nun online heisst», erklärt sie. Im Gegenteil, sie habe immer betont, dass jedes Terroropfer eines zu viel sei. «Ich glaube, ich sehe die jüngsten Geschehnisse nicht aus einer emotionalen, sondern aus einer wissenschaftlichen Perspektive», meint sie. In ihrer Aussage sei es ihr darum gegangen, die Anschläge in Brüssel in einen gesamtgesellschaftlichen Kontext zu stellen.
Shitstorm geht weiter
Obwohl ihr Profil nun geschützt ist, hat sich der Shitstorm längst noch nicht gelegt – bis über die Landesgrenzen hinaus wird die Jungpolitikerin beschimpft. Hier nur einige der harmloseren Beispiele:
@BonkeKolja @IrinaStudhalter
Man sollte vor solchen Hirnlosen, Naiven, Blinden wie Irina Studhalter warnen … pic.twitter.com/yOcrY5FUIk— Hanspeter Buehler (@Imageberatungen) 22. März 2016
@iceamsteel @IrinaStudhalter
Selten so eine dumme Aussage gelesen. Liebe Frau Studhalter … Erst denken, dann texten!!!
Wahnsinn!!!!— AphexFighter (@AphexFighter) 22. März 2016
Richtig krass seien jedoch die Reaktionen, die sie als Privatnachrichten erhält. «Ein paar Rückmeldungen sind immerhin respektvoll verfasst», so die Jungpolitikerin. «Andere sind einfach nur abscheulich», sagt Studhalter weiter. «Mir wurde unter anderem angedroht, mich zu vergewaltigen.» Als überzeugte Feministin zeige ihr dies nur einmal mehr, was für widerwertige Strukturen in unserer Gesellschaft noch immer vorzufinden seien.
«Den Rechtspopulismus als höhere Gefahr als den Terrorismus einzustufen, das zeugt von einer eklatanten Unkenntnis über die Welt, in der sie lebt.»
Nicolas Rimoldi, Kommunikationschef JFLU
«Keinerlei Respekt»
Wiederum als «widerwertig» bezeichneten die Jungfreisinnigen des Kantons Luzern den Tweet von Studhalter:
Tweet (gelöscht) einer ehem. Regierungsratskandidatin sorgt für Empörung auf Twitter.
Widerwertig. pic.twitter.com/XtYTIbemun
— Jungfreisinnige LU (@jfluzern) 22. März 2016
«Ihr Tweet zeugt von keinerlei Respekt vor all den Menschen, die in Brüssel und davor in unzähligen Orten auf der Welt Opfer von terroristischen Attacken wurden», sagt Nicolas Rimoldi, Kommunikationschef der Jungfreisinnigen des Kantons Luzern. «Den Rechtspopulismus als höhere Gefahr als den Terrorismus einzustufen, das zeugt von einer eklatanten Unkenntnis über die Welt, in der sie lebt.» Dies zeige sich umso gravierender, als es linke Kräfte seien, die immer wieder plädieren, dass Terrorismus keine Religion kenne. «Aber die Verbindung zwischen Terrorismus und einer parteipolitischen Ideologie herzustellen, ist dann offenbar legitim.»
Reaktionen als Bestätigung
Ist sie mit ihrem Tweet vielleicht nicht doch etwas zu weit gegangen? Nein, meint Studhalter. «Leute, die sich als ‹rechtspopulistische Hetzer› angesprochen fühlen, sollen sich ruhig auch getroffen fühlen.» Die vielen Reaktionen seien eine Bestätigung für sie, dass es wichtig sei, solche Themen öffentlich auszusprechen. Nicht zuletzt habe sie auch viele positive Rückmeldungen erhalten. «Das zeigt mir, dass ich nicht gänzlich danebenliege mit meiner Aussage.»
Was ist Ihre Meinung zum Thema? Werden Sie jetzt Community-Mitglied und nutzen Sie die Kommentarfunktion!
Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.
Catrin, 24.03.2016, 18:13 Uhr Irina Studhalter hat ihre Angst benannt und damit vorausgesagt, was passieren würde. Die Pöbeleien, die sie nun über sich ergehen lassen muss, geben ihr im Nachhinein doppelt recht. Wenn man dem Islamkenner Jürgen Todenhöfer glaubt, dann erfüllen nicht etwa die vielgeschmähten «Gutmenschen» den Plan der Terroristen, sondern die Rechtspopulisten, die so gerne von «Blindheit» und «Dummheit» schwadronieren. Dabei sind sie sofort bereit, die Spaltung der Gesellschaft weiter voranzutreiben. Denn darum geht es: Der Terror soll Unfrieden stiften! Die Sprücheklopfer und Parolenschreier drehen weiter an der Eskalationsschraube und giessen damit Wasser auf die Mühlen derjenigen, die den Frieden stören wollen. Von wegen Dummheit! Fasst euch an die eigene Nase und probiert’s mal mit Mässigung!
👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runterGianWaldvogel, 23.03.2016, 16:21 Uhr Beides ist schrecklich: sowohl islamischer Terrorismus als auch Rechtsexteremismus haben in Europa Menschen auf dem Gewissen. Es ist beides zu kritisieren und mit den richtigen Mitteln zu bekämpfen. Die Gewalttaten von islamischen Terroristen sind auch Produkt der katastrophalen Aussenpolitik Europas und der Vereinigten Staaten im Nahen Osten. Der IS ist insbesondere deshalb derart stark, weil der Irak nach dem Krieg ein politisches Desaster sondergleichen geworden ist und auch in Syrien sterben tausende unschuldige Menschen durch Waffenlieferungen und direkten Beschuss aus Europas Waffenkammer. Dieses Schwarz-Weiss denken der Rechten (Christen gut, Muslime böse) ist nicht zielführend und weit weg von der Realität. Und wenn Irina Studhalter vor rechtem Terror warnt, geben ihr die die Ereignisse der letzten Jahre auch recht (see Breivik, NSU…) Was mir definitiv kein guter Weg scheint, ist, die Menschen auf der Flucht versuchen auszusperrren und für populistische Zwecke zu missbrauchen. Aussperren wird nicht funktionieren (Verzweiflung und Not lassen jede Hürde überwinden), sondern wird eine humanitäre Katastrophe zur Folge haben, viel kosten und langfristig gefährliche Parallelgesellschaften entstehen lassen. Ausserdem wurde der bisherige islamische Terror in Europa, soweit mir bekannt ist, immer von Menschen verursacht, die bereits seit Jahrzehnten in Europa leben oder gar hier aufgewachsen sind. Sie haben sich hier radikalsiert. Das waren keine eingeschleusten Verrückten aus Syrien. Die Menschen aus Syrien, die nun nach Europa fliehen, wollen ja Weg von Terror und Krieg. Wir sollten das Geld in deren Integration investieren, statt wirkungslose Maueren zu bauern und unethische Deals mit der Türkei abschliessen. Eine lebendige, muslimische Gemeinde die gut in der Gesellschaft verankert ist, könnte meiner Meinung nach zukünftig einen präventiven Wirkung gegen islamischen Terror haben. Was viele übersehen: Syrien hatte ein gutes Bildungssystem und viele die nun nach Europa kommen, erhoffen sich eine guten Zukunft fernab von Krieg und sie sind teilweise sehr gut ausgebildet – geben wir ihnen eine Chance, statt sie niederzuknüppeln an der Grenze.
👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter