OECD-Entscheid hat Folgen für Tiefsteuerkanton

Mindeststeuer: Kritik an «Copy-Paste-Brief» der Zuger FDP

Cédric Schmid, Präsident der Zuger FDP, hat die offenen Briefe initiiert. (Bild: zvg)

Wegen der globalen Mindeststeuer hat die Zuger FDP dem Regierungsrat einen «offenen Brief» geschrieben. Das kommt nicht überall gut an – zumal die angekündigte Steuerreform der OECD bei den Zuger Parteien auf ganz unterschiedliche Erwartungen stösst.

Das Vorgehen war ungewöhnlich: Im September wandte sich die FDP Kanton Zug mit einem sogenannt offenen Brief an den Regierungsrat. Inhaltlich ging es um die globale Mindeststeuer der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). «Die G7/G20 wollen den Steuerwettbewerb mit globalen Mindeststeuern auf Unternehmensgewinne unterbinden», heisst es in diesem Brief.

Und weiter: «Das ist keine gute Nachricht, weder für die Schweiz noch für ihre Kantone. Wir lehnen eine globale Mindeststeuer ab.» Die Zuger FDP fordert den Regierungsrat auf, sich beim Bundesrat aktiv «für Gegen- und Ausgleichsmassnahmen einzusetzen».

Das gab es in der jüngeren Vergangenheit nie

Es sei in der jüngeren Vergangenheit nie vorgekommen, dass eine politische Partei mit einem solchen offenen Brief an den Regierungsrat gelangte, erklärt der Zuger Landschreiber Tobias Moser. Zum Vergleich: Auch auf der Ebene des Bundes ist ein derartiges Vorgehen unüblich: «Es kommt effektiv nur sehr selten vor, dass Parteien sich mit offenen Briefen an den Bundesrat wenden», schreibt Urs Bruderer von der Bundeskanzlei. Den Parteien stehe es offen, sich mit ihren Anliegen auf dem üblichen parlamentarischen Weg an den Bundesrat zu wenden. «Zudem werden in aller Regel offene Briefe nicht beantwortet.»

Einen analogen Brief haben insgesamt 15 FDP-Kantonalparteien – unter anderem auch die FDP Luzern – an ihre Regierungen geschickt, sagt eine Mediensprecherin der schweizerischen FDP. Ihres Wissens stehe der Zuger FDP-Präsident hinter der Aktion. «Ja, ich war der Initiator», erklärt Cédric Schmid auf Nachfrage hin. Er habe diesen Weg gewählt, weil es sich um ein interkantonales und eidgenössisches Thema handle. Das Instrument des offenen Briefes eigne sich, um den Handlungsdruck auf die Regierung zu erhöhen.

«Brief ist reine Symbolpolitik»

Das sehen nicht alle so. Sie habe «nur begrenztes Verständnis» für diese «Copy-Paste»-Anfrage der FDP Zug, erklärt Tabea Estermann, Co-Präsidentin der Zuger Grünliberalen. «Natürlich können und sollen sich die Experten von Zug da involvieren, doch zum aktuellen Zeitpunkt geht es um Grundsatzfragen, die wir gemeinsam als Schweiz beantworten sollten.»

«Die G7/G20, allen voran die USA, verkennen mit ihrem Handeln den Fakt, dass unsere Steuern demokratisch legitimiert sind.»

Cédric Schmid, FDP Zug

Kritik kommt auch von Luzian Franzini, Kantonsrat der Alternative - die Grünen (ALG). Das Vorgehen der FDP zeige, dass bald wieder Wahlkampf vor der Türe stehe. Denn realpolitisch habe dieser Brief keinerlei Wirkung. Die FDP habe zwei Vertreter in der Regierung, einen im Ständerat, und könne als Teil der bürgerlichen Mehrheit im Kantonsrat direkt auf die Ausgestaltung des Zuger Steuersystems Einfluss nehmen.

«Der Brief ist reine Symbolpolitik, zumal ein beträchtlicher Teil der Forderung die Bundespolitik betrifft», so Franzini. Er sei seit 2019 im Parlament, könne sich aber nicht erinnern, dass in dieser Zeit eine politische Partei je ein solches Vorgehen gewählt habe. «Für eine Partei mit Fraktionsstärke wäre ein Vorstoss im Parlament sicher der wirksamere Weg.»

Verweis auf andere Niedrigsteuer-Länder

Klar ist: Die OECD-Steuerreform interessiert im Tiefsteuerkanton Zug ganz speziell. Einen wichtigen Schritt nahm sie diesen Freitagabend: Die 140 Mitgliedstaaten haben sich – mit Ausnahme von vier Ländern – auf eine globale Reform der Unternehmenssteuer geeinigt. Diese sieht bereits ab 2023 eine globale Mindeststeuer von 15 Prozent für grosse Konzerne vor. Die OECD erwartet dadurch Mehreinnahmen von rund 150 Milliarden Dollar weltweit.

Wie positionieren sich die Zuger Parteien im Hinblick auf den angekündigten globalen Mindeststeuersatz? In Ergänzung zum erwähnten offenen Brief schreibt FDP-Parteipräsident Cédric Schmid: «Unsere Steuern sind demokratisch legitimiert.» Es gebe ansonsten kein Land auf dieser Welt, wo das Volk beschliesse, wie viel an Steuern zu bezahlen sei. «Die G7/G20, allen voran die USA, verkennen mit ihrem Handeln diesen Fakt massiv.» Verschwiegen werde dabei, dass die USA, das Commonwealth sowie auch verschiedene EU-Staaten erfolgreiche Niedrigstrategien fahren oder sogar bewusst Steuerschlupflöcher anbieten würden.

Mitte befürchtet ein «Zwei-Klassen-Steuersystem»

«Wir sind selbstverständlich gegen einen von der OECD festgelegten Steuersatz», sagt SVP-Präsident Thomas Werner. «Souveräne Staaten dürfen und sollen ihre Unternehmenssteuern selber festlegen.» Dass es dabei zu Interessenkonflikten komme, sei klar, aber kein unlösbares Problem.

Der Einfluss der Schweiz auf die wichtigen Entscheide der OECD sei klein, so Werner weiter. Um sich für die Zukunft möglichst viele Optionen offen zu halten, tue die Schweiz als kleines Land gut daran, als Standort für Firmen weiterhin zuverlässig, attraktiv und flexibel zu bleiben.

«Die Schweiz hat als Wirtschaftsstandort durchaus mehr zu bieten als nur tiefe Steuern.»

Tabea Estermann, GLP Zug

«Die Mitte Kanton Zug steht der Einführung eines Mindeststeuersatzes kritisch gegenüber», erklärt Mitte-Kantonsrat Andreas Hausheer. Letztlich würde das Ergebnis sein, dass das jetzige Steuersystem durch ein intransparentes System aus Subventionen, Steuerentlastungen für gewisse Mitarbeitende, Reduktionen von Umweltabgaben oder Lohnnebenkosten und anderen Kompensationen für grosse Unternehmen ersetzt würde.

Auch ein «Zwei-Klassen-Steuersystem» sei absehbar: Eines für internationale Konzerne und eines für typische Schweizer Unternehmen. «Die Komplexität und damit einhergehend der administrative Aufwand würde dadurch sicher nicht kleiner – im Gegenteil.»

Trend hin zu einem faireren Steuersystem

Die OECD versuche als supranationale Institution seit vielen Jahren, einer ausufernden Gewinnkürzung und Gewinnverlagerung entgegenzuwirken, sagt Tabea Estermann, Co-Präsidentin der Zuger Grünliberalen. Es lasse sich darüber streiten, ob diese neusten Absichtserklärungen die erhoffte höhere Steuergerechtigkeit bringen werde.

Der Trend der internationalen Bestrebungen für einen fairen Steuerwettbewerb sei aber unaufhaltbar. «Die Schweiz hat als Wirtschaftsstandort durchaus mehr zu bieten als nur tiefe Steuern.» Tabea Estermann erwähnt die hohe Lebensqualität, gut ausgebildete Fachkräfte, eine relativ pragmatische Bürokratie, eine solide Infrastruktur sowie Stabilität und Sicherheit. «Daher kann die Schweiz in dieser Diskussion viel Erfahrung und Expertise einbringen und sich für eine möglichst unbürokratische und faire Umsetzung stark machen.»

Zugs «zweifelhafte Berühmtheit»

Die SP Zug sieht in der globalen Mindeststeuer ein Mittel der OECD, den «ruinösen Steuerwettbewerb und die gröbsten Steuerschlupflöcher» zu unterbinden, wie sie in einem Postulat schreibt, das sie im Kantonsrat eingereicht hat. Dies werde auch für den Kanton Zug Auswirkungen haben. Die SP fragt darum die Zuger Regierung, wie die Attraktivität Zugs in nicht fiskalischen Bereichen wie etwa der Bildung und Lebensqualität erhalten und gestärkt werden könne.

«Die bürgerliche Politik weigert sich seit Jahren, bezahlbaren Wohnraum für die Zuger Bevölkerung zu schaffen.» 

Luzian Franzini, ALG Zug

Das Steuerdumping bei den Unternehmenssteuern sei seit Jahren ein grosses Problem, da es anderen Kantonen und Ländern Steuersubstrat entziehe. Sollten sich die grossen Industrienationen auf das Projekt eines globalen Mindeststeuersatzes einigen, so müssten sich Kantone, die bislang auf tiefe Firmensteuern setzten, neu positionieren. «Das betrifft insbesondere den Kanton Zug, der seit Jahrzehnten eine Tiefsteuerstrategie fährt», hält die Zuger SP fest.

Zug sei international für die tiefen Unternehmenssteuern bekannt und habe im Rahmen der Panama Papers zweifelhafte Berühmtheit erlangt. «Deshalb wäre es eine gute Gelegenheit, dieses zweifelhafte Image abzulegen und sich für eine globale Mindestbesteuerung einzusetzen.»

ALG will sich gegen Schlupflöcher wehren

Die ALG unterstütze grundsätzlich die globalen Bemühungen nach einer Mindeststeuer, sagt Kantonsrat Luzian Franzini. Die geplante Steuer von 15 Prozent sei jedoch zu tief, um den Tiefsteuerwettbewerb zu Ungunsten des globalen Südens zu verhindern. «Rohstoffreiche Länder im Süden haben viel höhere Steuern als 15 Prozent, es profitieren lediglich Schwellen- und Industrieländer.» Die geplante Harmonisierung sei aber ein wichtiger erster Schritt, der auch die Tiefsteuerstrategie des Kantons Zug zu Anpassungen zwinge. 

Gegen den Versuch, mithilfe von Schlupflöchern und Subventionen den globalen Mindeststeuersatz zu unterlaufen, werde sich die ALG wehren. «So geistert nebst weiteren Steuersenkungen bei der Stempel- und Verrechnungssteuer auch die Idee nach Subventionen für Grossunternehmen herum.» Dies könnte beispielsweise heissen, dass Unternehmen Subventionen für die teuren Büromieten, für Verwaltungskosten oder Cybersecurity bekommen würden. Er verweist darauf, dass Finanzdirektor Heinz Tännler derartige Steuerschlupflöcher-Ideen bei Gesprächen mit Sozialpartnern sowie in einem zentralplus-Interview erwähnt habe.

«Die Vorstellung ist absurd: Die bürgerliche Politik weigert sich seit Jahren, bezahlbaren Wohnraum für die Zuger Bevölkerung zu schaffen», kritisiert Franzini. «Ausgerechnet den Grossunternehmen mit mehr als 750 Millionen Euro Umsatz sollen dann aber die Mieten subventioniert werden, um weiterhin Steuern unterbieten zu können.»

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Richard Scholl
    Richard Scholl, 10.10.2021, 17:11 Uhr

    Stimmt, die OECD bildet ein Kartell, wie einst unsere Zünfte. Nichts aus der Geschichte gelernt.
    wir Schweizer wollen nicht schon wieder uns über den Tisch ziehen lassen.

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