SP Zug fordert Massnahmen gegen Stimmabstinenz

«Minderheit entscheidet über die Mehrheit»

Der Zuger SP-Kantonsrat Zari Dzaferi wünscht sich, dass politische Themen jugendgerechter vermittelt werden.

(Bild: mbe.)

Auch wenn der SP-Vorstoss gestern im Zuger Kantonsrat nicht überwiesen wurde, bleibt das Thema aktuell. Die Sozialdemokraten wollten wissen, mit welchen Massnahmen die Wahl- und Stimmbeteiligung erhöht werden könnte. Eine oft gehörte Forderung. Aber wie kann man das konkret erreichen?

Die tiefe Stimmbeteiligung für die Gemeinde- und Kantonswahlen hat die Zuger Genossen alarmiert. Den Regierungsrat zum Beispiel hätten nur 42,57 Prozent der Stimmberechtigten gewählt, schreibt die Partei.

Um die Stimmbeteiligung zu erhöhen, seien sowohl die staatliche Hand als auch zivile Akteure gefordert. «Mir hat es stark zu denken gegeben, dass in meiner Wohngemeinde Baar und im ganzen Kanton nur rund 40 Prozent wählen gegangen sind», sagt Zari Dzaferi von der SP-Fraktion. «Eine Minderheit entscheidet somit über die Mehrheit, das sollte nicht sein.»

Elektronische Medien nutzen

Der Regierungsrat sollte prüfen, forderte die SP in ihrem Postulat, inwiefern die intensivere Nutzung elektronischer Medien (Internet, Soziale Netzwerke, Apps) dazu beitragen könnte, mehr Stimmberechtigte – gerade auch junge Personen – aufzuklären und zu erreichen.

Der SP schwebt ausserdem vor, dass der Kanton gewisse Akteure einladen könnte, um gemeinsam Massnahmen zu prüfen. Beispielweise Informationsangebote für Schulen in Zusammenarbeit mit politischen Parteien.

Dzaferi ist Oberstufenlehrer in Menzingen und damit nahe am Puls der Generation, die in vier bis fünf Jahren das Stimmrechtsalter erreicht. Er versuche, das Interesse seiner Schüler für politische Themen und die direkte Demokratie zu wecken, sagt er.

«Mit einem Abstimmungsbüchlein vergrault man sie eher, als dass man sie für die politische Mitbestimmung motiviert, ist meine Erfahrung», sagt er. Zu trocken, unverständlich, fänden die Jugendlichen. «Ich finde, man sollte politische Themen in einer Sprache verfassen, welche die Jugend versteht», sagt der SP-Lehrer.

Dzaferi schweben beispielweise «Politik-Apps» vor, wo komplexe Themen einfach erklärt werden. Als Beispiel nennt der Kantonsrat eine interaktive App des Berufsinformationszentrums (BIZ), die sehr gut bei Jugendlichen ankomme.

Forderung nach E-Voting erneuert

Eine weitere Forderung der SP in ihrem Postulat ist die Prüfung des E-Votings (elektronische Abstimmung). Die Sozialdemokraten fordern den Regierungsrat auf, dessen Einführung mit den Gemeinden zu prüfen. Zug glänzt diesbezüglich durch Abstinenz. Anders als einige andere Kantone wie beispielsweise Luzern hat sich der Kanton an keinem Versuch beteiligt.

Schon 2007 reichte die SP einen E-Voting-Vorstoss ein. Der damalige Regierungsrat beschied, der Kanton Zug wolle nicht abseits stehe, aber auch keine Pionierrolle übernehmen. Zudem verwies er auf die Pannenanfälligkeit der Systeme, die Missbrauchsgefahr und nicht zuletzt die Kosten. In allen Untersuchungen werde hervorgehoben, wie komplex auf technischer und organisatorischer Ebene die Einführung von E-Voting sei.

«Für das weitere Vorgehen drängt es sich auf, dass der Bund die Federführung übernimmt und die Strategie für die Einführung der elektronischen Stimmabgabe in allen Kantonen festlegt», schrieb die Regierung damals.

2013 im Regierungsrat besprochen

An dieser Haltung hat sich bis heute nichts Grundlegendes geändert. Für das Anliegen zuständig ist die Direktion des Inneren von Manuela Weichelt-Picard (Alternative – die Grünen). Die Regierungsrätin teilt zentral+ mit: «Der Regierungsrat hat sich Anfang 2013 nochmals mit dem Thema E-Voting auseinandergesetzt. Zug wartet weiterhin auf die sogenannten Systeme der zweiten Generation.»

Gemäss Landschreiber Tobias Moser beobachtet der Regierungsrat die Entwicklung beim E-Voting «sehr nahe» und sei «ergebnisoffen». «Wir wollen nicht an Pilotversuchen teilnehmen, sondern warten ab, bis die neuen Systeme getestet und marktreif sind», sagt Moser. Von Bundesseite ist das auf die eidgenössischen Wahlen 2015 geplant. Dann aber stehe Zug der kantonsweiten Einführung offen gegenüber, erklärt Moser. Diese müsste natürlich in Zusammenarbeit mit den Gemeinden geschehen.

Dezentrale Stimmregister

Bei den Systemen der ersten Generation (siehe Infobox unten) hätte sich Zug am ehestem dem «Zürcher Modell» anschliessen können. Dieses wurde nämlich für Kantone mit dezentralen Wahlregistern entwickelt. In Zug führt jede Einwohnergemeinde ein eigenes Stimmregister.

Der Kantonsrat lehnte die Überweisung des SP-Postulats an seiner Sitzung gestern ab. Man solle an die Eigenverantwortung der Bürger appellieren, war ein Hauptargument. Dzaferi ist enttäuscht: «Damit verbaut sich der Kantonsrat eine Chance», sagt er.

 E-Voting vor allem für Auslandschweizer
 

Mit der elektronischen Stimmabgabe kann man per Internet an den Wahlen und Abstimmungen teilnehmen. E-Voting wird als Ergänzung und nicht als Ersatz der brieflichen Stimmabgabe oder des persönlichen Urnengangs betrachtet. Seit 2009 können Auslandschweizer teilweise elektronisch abstimmen, allerdings nur wenn sie in einem der zwölf Kantone gemeldet sind, welche die elektronische Stimmabgabe anbieten. In der Zentralschweiz macht nur der Kanton Luzern seit 2010 bei Versuchen mit. «Inländische» Schweizer können bisher nur in Genf und Neuenburg elektronisch abstimmen.

Die Entwicklung des E-Votings ist weit komplizierter als ursprünglich angenommen. Die Systeme der ersten Generation litten unter «Kinderkrankheiten», sagt die Zuger Regierungsrätin Manuela Weichelt Piccard. Thomas Abegglen, Informationsbeautragter Politische Rechte bei der Bundeskanzlei stellt demgegenüber fest: «Es war von Anfang an klar, dass die Systeme der ersten Generation noch nicht sämtliche Anforderungen an ein umfassendes System für E-Voting erfüllen. Deshalb wurde die Zahl der maximal zugelassenen Teilnehmer an den Versuchen gesetzlich beschränkt und die weitere Erhöhung dieser Quote mit der Erfüllung höherer technischer Anforderungen verknüpft.» Tatsache ist: Kantone wie zum Beispiel Zürich nahmen teil, stiegen später aus und sind jetzt wieder dabei. Auch die Experten sind sich nicht einig. Gearbeitet wird an den Sicherheitsfragen. Wichtig ist zum Beispiel, dass niemand nachverfolgen kann, wie ein Stimmberechtiger wählt oder abstimmt.

Die Verfahren bei Wahlen und Abstimmungen sind von Kanton zu Kanton unterschiedlich. Deswegen brauchte es am Anfang unterschiedliche Systeme, je nachdem ob ein Kanton ein zentrales oder dezentrales Wahlregister führt. Die Kantone hatten bisher die Möglichkeit, sich einer der drei entwickelten Lösungen anzuschliessen, ohne in ein eigenes System investieren zu müssen. Dazu Thomas Abegglen vom Bund: «Heute sind die Systeme so weit entwickelt, dass sie unabhängig von einer zentralen oder dezentralen Registerführung einsetzbar sind.»

Bei frühen E-Voting-Versuchen in Zürich, Genf und Neuenburg war die Zahl der elektronisch Stimmenden beim ersten Versuch hoch, bei weiteren Versuchen sank sie stark ab. «Das mag in Einzelfällen so gewesen sein. Insgesamt weist E-Voting aber steigende Benutzerzahlen aus», erklärt der Bundesvertreter.

Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


0 Kommentare
    Apple Store IconGoogle Play Store Icon