Mobility Pricing statt öV-Abos und Motorfahrzeugsteuern?

Michel: «Ich würde Zuger Mitwirken bei einem Pilotversuch begrüssen»

Der Zuger Ständerat Matthias Michel. (Bild: wia)

Wer sehr mobil ist und zu Hauptverkehrszeiten reist, soll mehr bezahlen als andere: Mobility Pricing will den Verkehr besser verteilen und gerechter besteuern. Was der Bundesrat als Fernziel vor Augen hat, würden Zuger und Luzerner Verkehrspolitiker gern in der Praxis testen.

Der Bund hat die Wirksamkeit von Mobility Pricing in einer Studie über die Region Zug untersucht – und herausgefunden, dass benützungsabhängige Verkehrsabgaben durchaus dazu beitragen können, Verkehrsspitzen zu brechen.

Nun sollen Konzepte erarbeitet werden, wie die Verkehrsinfrastruktur unter einem veränderten Regime finanziert werden können. Ausserdem will der Bund rechtliche Grundlagen erarbeiten, damit interessierte Kantone, Gemeinden und Regionen Pilotversuche durchführen können.

Stadt Zug will abwarten

Da die Region Zug für die Wirksamkeitsanalyse untersucht wurde und ausserdem die Strassen und Züge zu Spitzenzeiten notorisch überfüllt sind, stellt sich die Frage: Warum nicht gleich in Zug testen?

Doch die Bereitschaft, über die Möglichkeiten von Verkehrssteuerung über benützungsabhängige Abgaben zu sprechen, ist ungleich ausgeprägt. Die Zuger Stadtregierung will sich momentan nicht dazu äussern. 

«Zugerinnen und Zuger würden aus heutiger Sicht wohl eher vornehm zurückhaltend auf einen Mobility-Pricing-Pilotversuch reagieren.»

Florian Weber, Zuger Regierungsrat (FDP)

«Im Hinblick auf die nächste Ortsplanungsrevision entwickelt der Stadtrat Szenarien zum Mobilitätskonzept», sagt der Kommunikationsverantwortliche Dieter Müller. Darin eingeschlossen sei eine öffentliche Mitwirkung. «Diese Entwicklung ist abzuwarten, bevor zu einzelnen Massnahmen Stellung bezogen werden kann.»

«Wir sehen gewisse Chancen»

Auch der zuständige Regierungsrat Florian Weber (FDP) ist nicht gerade Feuer und Flamme. «Zugerinnen und Zuger würden aus heutiger Sicht wohl eher vornehm zurückhaltend auf einen Mobility-Pricing-Pilotversuch reagieren», glaubt er. Zurzeit fehlten noch «umfassende Informationen», um zu entscheiden, ob Mobility Pricing versuchsweise in der Region Zug eingeführt werden könne.

Erst müsse der Bund die entsprechende Gesetzgebung erarbeiten, um Probeläufe möglich zu machen. Ausserdem wünscht sich Weber erst einen Versuch bei einer Grossfirma hier und einen Testbetrieb da, bevor flächendeckende Grossversuche vorgenommen würden.

Obwohl der Weg laut Weber bis zum Mobility-Pricing «noch weit» ist, sieht seine Direktion durchaus «gewisse Chancen». Weil ja die Verkehrsspitzen tatsächlich gebrochen werden können, wie die Wirkungsanalyse zeigt. Und weil mit zunehmender Elektromobilität ohnehin die Finanzierung der Strasseninfrastruktur «mittelfristig» umgebaut werden muss.

Michel begrüsst verkehrspolitischen Fortschritt

Vor Florian Weber war Matthias Michel als Zuger Volkswirtschaftsdirektor lange Jahre mit dem Verkehrsdossier befasst. Mittlerweile ist der Freisinnige Ständerat – und immer noch ein entschiedener Befürworter von verkehrspolitischem Fortschritt. «Sollte sich ein Bedarf für konkrete Pilotversuche zeigen, würde ich ein Zuger Mitwirken begrüssen», sagt Michel.  

Der FDP-Politiker erinnert daran, dass die Zuger Regierung bereits 2015 dem Bundesrat signalisierte: «Der Kanton Zug kann sich vorstellen, als Pilotregion für Massnahmen im Bereich des Mobility Pricing – ohne Kostenbeteiligung – zu dienen.» Dies umso mehr, als dass der Kanton Zug zurzeit ein neues Verkehrskonzept erarbeite.

Mobilitätskonzept als grosse Chance

Gemeint ist das oben genannte Mobilitätskonzept, das bis 2021 den Zuger Richtplan ergänzen soll. Heute schon sieht der Richtplan ergänzend zum Mobilitätskonzept flankierende Massnahmen vor. «Der Kanton Zug und die Gemeinden realisieren verkehrsleitende und -dosierende Massnahmen zur Entlastung der Zentren der Zuger Gemeinden und zur Steigerung der Attraktivität des öffentlichen Verkehrs», heisst es darin wörtlich.

«Ich gehe davon aus, dass in ersten Versuchen wahrscheinlich nur ein Road Pricing erprobt wird.»

Michael Töngi, Nationalrat Grüne

Dies ist auch der Grund, warum Michel erste Schritte für eine veränderte Art von Verkehrslenkung und -besteuerung im Rahmen ebendieses Mobilitätskonzepts sinnvoll fände.

Er verstehe zwar die Zurückhaltung des Zuger Baudirektors, sagt Michel. Tatsächlich fehlten noch die rechtlichen Rahmenbedingungen. Er verstehe auch, dass man erst mal sehen wolle, ob anderswo Politversuche realisiert werden sollten. Doch sei man bei der Zuger FDP der Meinung, dass man «neue, verkehrsträgerübergreifende und staatsquotenneutrale Lösungen in der Verkehrslenkung» brauche. «In einem Positionspapier befürwortet die Partei auch eine Vorreiterrolle des Kantons Zug», sagt Michel.

Warum nicht in Luzern testen?

Neue Wege in der Verkehrspolitik begrüsst auch die Partei des grünen Luzerner Nationalrats Michael Töngi. Auch er sieht durchaus noch Diskussionsbedarf zu Modellen wie dem Mobility Pricing. «Ob dieses nur zum Brechen von Verkehrsspitzen dienen soll, oder ob man damit auch eine Verkehrsverlagerung oder allenfalls -verminderung anstrebt werden soll, bleibt für mich noch zu klären.»

Konkrete Versuche zur Umsetzbarkeit von Mobility Pricing sind für Töngi hochwillkommen. Er kann sich diese auch in der Region Luzern vorstellen, obwohl diese politisch weniger homogen ist als Zug. In Luzern gibt es einen Stadt-Land-Graben – insbesondere in Verkehrsfragen. Die Stadt und die Agglogemeinden sowie der Kanton Luzern liegen regelmässig im Clinch. «Aber es wäre wünschbar, wenn sie sich wenigstens in einer so wichtigen Zukunftsfrage zusammenraufen könnten», findet Töngi.

Die Wirkungsanalyse ging von gleich viel Geld aus, die für die Mobilität aufgewendet werden sollte. Das führte in der Modellrechnung neben der Streichung von Motorfahrzeugsteuern dazu, dass ein Liter Benzin an der Zapfsäule noch 97 Rappen kosten sollte (derzeit liegt der Preis bei ungefähr 160 Rappen). Wie kann man dies in einem Pilotversuch simulieren?

Road Pricing ist der einfachere Teil

«Ich gehe davon aus, dass in ersten Versuchen wahrscheinlich nur ein Road Pricing erprobt wird», sagt Töngi. Mobility Pricing beim öffentlichen Verkehr zu erproben sei kompliziert, wegen der ganzen Abonnements- und Tarifverbundsstruktur. Beim Autofahren indes bestehe die Möglichkeit, die Motorfahrzeugsteuer zu variieren. Wer wenig Kilometer zurücklegt, könnte etwa Steuergelder rückerstattet erhalten.

«Mobility Pricing ist dann sinnvoll, wenn alle Verkehrsträger mit einbezogen werden.»

Gerhard Pfister, Nationalrat CVP

Für solche beschränkte Versuche indes steht der Kanton Zug wohl kaum zur Verfügung. Das erklärt sich aus der Haltung der grössten Partei, der CVP. Wie Thomas Meierhans, der Fraktionschef im Kantonsparlament, an der Dreikönigstagung seiner Partei in Zug sagte, solle der Weg zum Mobility Pricing im Zuger Mobilitätskonzept definiert werden. «Aber in einer Gesamtsicht, welche auch den öffentlichen Verkehr berücksichtigt.»

Kantonspalament ist immer für eine Überraschung gut

Auch der Zuger CVP-Nationalrat Gerhard Pfister stösst ins gleiche Horn: Wenn es zur Umstellung aufs Mobility Pricing kommen solle – sei es in einem Pilotversuch oder flächendeckend – sei dies nur dann sinnvoll, wenn alle Verkehrsträger einbezogen würden.

Matthias Michel als früherer kantonaler Verkehrsminister hat noch andere Bedenken, was einem Pilotversuch mit benützungsabhängigen Verkehrsabgaben im Weg stehen könnte: das Zuger Kantonsparlament. Vor einigen Jahren hat der Kantonsrat dem Mitwirken des Kantons Zug in einem Projekt mit SBB und ZVB das Budget entzogen. Damals ging es um ein Pilotprojekt, welches das papierlose Ticketing mittels kontaklosem Ein- und Ausssteigen (Be-in-Be-out, BeBo) einem Nutzertest unterzogen hätte.

Dies hat den Zuger Regierungsrat damals in der beabsichtigen Vorreiterrolle gebremst. Es mag auch der Grund für Florian Webers Zurückhaltung in dieser Frage sein. Allerdings hat die Episode vor der Ära Greta Thunberg stattgefunden.

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