Plakative Denkzettel vor dem Theater

Merk-Würdiges auf Luzerner Strassen

«Hochstapler» heisst dieses Plakat, welches unter vielen anderen vor dem Luzerner Theater ausgestellt wird – als «Denkzettel». (Bild: zvg)

Immer wieder stehen vor dem Luzerner Theater schräge und kreative Plakate, deren Herkunft viele Passanten nicht einordnen können. «Denkzettel» werden sie von den Organisatoren genannt. Und schaut man genauer hin, fällt etwas ganz besonders auf.

Ab dem 8. Januar stehen wieder seltsame Plakate vor dem Luzerner Theater, die viele der geschäftigen Passanten zum Anhalten anregen. Die so genannten «Denkzettel» haben angehende Grafikerinnen und Grafiker zu einem vorgegebenen Thema frei gestaltet. «Merk-Würdigkeiten», so lautete die diesjährige Aufgabenstellung für die plakativen Neujahrsbotschaften der APG/SGA Luzern. Wie jedes Jahr wurden die Plakate in Zusammenarbeit mit der Fachklasse Grafik des Fach- und Wirtschaftsmittelschulzentrums Luzern realisiert.

Plakate sind ehrlich

«Plakate sind einfach da, während einer Woche oder zwei Wochen, elegant die einen, etwas unbeholfener die anderen – zuweilen witzig, gelegentlich plump, bisweilen charmant und manchmal provokativ. Plakate sind ehrlich. Sie sagen, was sie wollen, und sie sagen uns dies – wenn sie gute Plakate sind – deutlich und unmissverständlich», so wird Regionenleiter Bruno Niederberger in den Ausstellungsunterlagen zitiert.

«Plakate sind einfach da, während einer Woche oder zwei Wochen, elegant die einen, etwas unbeholfener die anderen.»
Bruno Niederberger, Regionenleiter

Für die Denkzettel 2016 haben sich die angehenden Grafikerinnen und Grafiker eine ganze Menge «Merk-Würdiges» vorgenommen: Seien es «Helikopter-Eltern», die ständig um ihre Schützlinge kreisen, um sie zu überwachen, oder die «Zeit als Illusion der heutigen Gesellschaft». Hochstapler und Selfies werden visualisiert und so auf ihren merk-würdigen Kern reduziert wie «Konsum-Enten» oder «Gegen-Salz». Und es wird der ambitiöse Versuch unternommen, die Frage zu beantworten, ob Machthunger Hunger macht. Oder macht Hunger Machthunger?

Was bewegt im neuen Jahr?

Seit 1997 lädt das Aussenwerbeunternehmen junge Menschen, genauer Absolventen der Fachklasse Grafik, ein, ihre Gedanken, Ideen und Wünsche zum Jahreswechsel zu formulieren und plakativ umzusetzen: Wie sehen junge Menschen das neue Jahr? Was bewegt sie? Das sind die Fragen, die das Unternehmen interessieren, und sie seien bei den Verantwortlichen der Schule mit dem Projektvorschlag auf offene Ohren und spontanes Engagement gestossen.

Die Fachklasse Grafik und das Plakatunternehmen haben ein gemeinsames Anliegen: qualitativ gute Plakate – und das auch in der Zukunft. Ein Grund für die SPG l SGA, sich erneut an die renommierte und glücklicherweise noch existierende Fachklasse Grafik zur richten. Das Ergebnis ihrer Bemühungen wird nun in den Strassen Luzerns zu bewundern sein. Den Aushang übernimmt die APG|SGA kostenlos. zentral+ zeigt hier einige der Plakte – für alle, welche es bei der Kälte nicht auf die «Galerie der Strasse» zieht. Für den richtigen Eindruck muss man sich aber doch auf den Weg zum Luzerner Theater machen.

OVERLOAD von Yannick Bodmer

«Man nennt sie Helikopter-Eltern. Eltern, welche ständig um ihre Schützlinge kreisen, um sie zu überwachen. Sie behüten ihre Kinder vor allen möglichen Gefahren und räumen ihnen alle Steine aus dem Weg. Dabei ist ihnen keine Mühe zu gross. Diese Überfürsorglichkeit kann dabei aussergewöhnliche Dimensionen annehmen, was den weltallähnlichen Hintergrund erklärt. Die auf ihrem Gebiet eigentlich notwendigen Schutzkleidungen, dargestellt wie der Vitruvianische Mensch von Leonardo da Vinci, zeigen die Last, welche ein Kind bei jeder Bewegung von seinen Eltern aufgeladen bekommt. Mein Plakat ist ein Statement dafür, sein Kind auch mal eine Handvoll Dreck fressen zu lassen.»

KONSUMENTEN von Nadine Meyer

«Unter den Enten gibt es sowohl tag- als auch nachtaktive Arten. Unter den Konsumenten gibt es sowohl die Online- wie auch die Lädeli-Shopper. Die meisten Enten sind nicht auf eine Tageszeit festgelegt und sind vor allem in der Dämmerung aktiv. Die meisten Konsumenten sind jedoch nicht auf eine Tageszeit festgelegt und konsumieren eigentlich immer. Die Enten verbringen einen grossen Teil des Tages mit der Pflege des Gefieders. Der Konsument verbringt einen grossen Teil des Tages mit der Frage, was er als nächstes konsumieren möchte. Die wohl bekannteste Konsum-Ente ist Dagobert Duck aus Entenhausen.»

«Hochstapler» heisst dieses Plakat, welches unter vielen anderen vor dem Luzerner Theater ausgestellt wird – als «Denkzettel».

(Bild: zvg)

HOCHSTAPLER von Dominik Dördelmann

«Dieses Sandwich ist merkwürdig! Merkwürdig, weil es nicht wie üblich längs, sondern der Breite nach aufgeschnitten und belegt wurde. Dieses Plakat trägt den Titel ‹Hochstapler›, weil es einerseits ‹hoch statt längs belegt beziehungsweise gestapelt ist, anderseits mehr Schein als Sein ist.»

KINDHEIT von Samara Reuteler

«Die drei beliebtesten Schweizer Figuren ‹Pingu, Kasperli und Globi› unterhielten jedes Kind mit ihren merkwürdigen Geschichten. Doch mit der Zeit werden sie immer mehr von neuen Geschichten verdrängt. Sie verblassen langsam, und kaum einer kennt sie heute noch. Ihre witzigen Sprüche, die sie identifizierten, verlieren ihren Erkennungswert. Das durchdringende ‹Noot! Noot! von ‹Pingu›, wenn er wütend war. ‹Globi› nahm einen Satz aus dem fahrenden Zug mit ‹eis, zwei und eis isch drüü!› und ‹Kasperli› bestärkte seinen Ausruf mit ‹Potzholzöpfelundzipfelchappä›. Einige Kinder kennen sie noch, die alten Geschichten. Hoffen wir, dass sie Platz in den Herzen weiterer Generationen finden können. Oder dass sie wenigstens würdig vertreten werden …»

IS(S)T WAS? von Sara Zimmermann

«Merkwürdig, dass wir nicht einmal wissen, was wir täglich konsumieren. Was wir, anstatt es an den Tellerrand zu schieben, genüsslich verschlingen: Emulgatoren, Zusatzstoffe, Verdickungsmittel … Obwohl sie auf allen Verpackungen vermerkt sind, werden sie kaum beachtet. Sie werden perfekt getarnt durch unverständliche Begriffe oder schlicht durch Nummern. Deshalb hier das Kleingeschriebene für einmal ganz gross. Vier Personen, vier gewöhnliche Mahlzeiten und so viele merkwürdige Zutaten. Da muss man sich fragen: Was steckt eigentlich hinter den hübsch angerichteten Begriffen? Gedeck, Begriffe, Inhaltsstoffe …»

HIRNGARAGE von Nora Zürcher

«Heutzutage herrscht ein permanenter Medienüberfluss. Wir werden immer und überall mit allerlei Informationen zugeschüttet. Es herrscht ein Informationsüberfluss, und nur das Wenigste davon ist wirklich als Information brauchbar. Wir werden von so vielen Informationen überschwemmt, dass es sehr schwerfällt das Unnötige vom Wichtigen auseinanderzuhalten. All die vielen Modehefte, die mit riesigen, schreienden Buchstaben auf ihren Hochglanz-Covers werben und damit für Unterhaltung sorgen. Oder all die Klatsch- und-Tratschzeitschriften, die einem erzählen, welche Prominenz mit wem und wo in die Ferien gefahren ist: Sind diese Nachrichten überhaupt von Interesse? Oder gar wichtig? Möglicherweise lagern sich diese Nachrichten einfach in unserem Unterbewusstsein ab und hindern uns daran, uns mit den wirklich wichtigen Fragen des Lebens zu beschäftigen.»

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