Jahrelanger Rechtsstreit um Vertreibung von Bauern

Menschenrechtsskandal in Uganda reicht bis in die Stadt Zug

Impression von der Kaffeeplantage in El Salvador.

(Bild: Jianca Lazarus)

Ein deutscher Kaffeegigant sieht sich dem Vorwurf ausgesetzt, in Uganda zum Bau einer Plantage Menschenrechtsverletzungen zumindest hingenommen haben. Die Tochterfirma «Tropical Farm Management» betreibt die umstrittene Kaffeefarm von Zug aus. Es tobt ein Jahre dauernder Rechtsstreit – ein Branchenkenner übt scharfe Kritik.

Die Schweizer lieben Kaffee. 60’000 Tonnen des wach machenden Getränks werden pro Jahr konsumiert. Der Kaffeehandel boomt seit Jahrzehnten, inzwischen werden schweizweit rund fünf Milliarden Franken umgesetzt. Auch die Zentralschweiz gehört zu einem beliebten Handelsplatz.

Doch die Schweizer schauen den Importeuren immer genauer auf die Finger. Im September stimmen Herr und Frau Schweizer über die Fair-Food-Initiative ab, die Unternehmensverantwortungsinitiative ist beim Bund eingereicht (siehe Box am Ende). Ob diese Anliegen vor dem Volk durchkommen oder nicht: Jetzt könnte ein Rechtsstreit um eine Kaffeeplantage in Uganda, der bis in die Stadt Zug reicht, Wasser auf die Mühlen der Initianten sein.

Rechtsstreit in Uganda

Doch von vorne: Einer der grössten Rohkaffeehändler ist die Neumann-Gruppe in Hamburg. Neumann handelt laut Branchenkennern rund 600’000 Tonnen Kaffee im Jahr über die Schweiz; also das Zehnfache des hiesigen Verbrauchs. Das Unternehmen setzt pro Jahr rund 2,5 Milliarden Franken um.

Die Neumann-Gruppe hat eine Tochterfirma in Zug. «Tropical Farm Management» beaufsichtigt die Kaweri-Plantage in Uganda, um die ein langjähriger Rechtsstreit tobt, bei dem es um gewaltsame Vertreibung und Enteignung von dort ansässigen Menschen geht.

Die Kaweri-Plantage in Uganda.

Die Kaweri-Plantage in Uganda.

(Bild: Screenshot SRF)

2001 errichtete die Neumann-Gruppe in Süduganda die 2’500 Hektar grosse Kaweri-Plantage, die grösste ganz Ugandas. Das Land pachtete sie direkt vom ugandischen Staat. Damals lebten in dem Gebiet Kleinbauern, die aufgrund des Vorhabens des Kaffeeriesen weichen mussten. Hier beginnt der Streit. Die lokalen Kleinbauern – unterstützt von der Menschenrechtsorganisation Fian – klagen gegen den ugandischen Staat. Fian spricht dabei vom «ersten dokumentierten Fall von Land Grabbing». Der deutsche TV-Sender «Deutsche Welle» produzierte einen Dokumentarfilm zum Fall.

Die ugandische Armee habe – so Fians Sicht auf die Dinge – unter Mitwissen von Neumann die Kleinbauern mit Gewalt vertrieben, ihre Häuser geplündert und die Menschen teilweise schwer verletzt auf die Strasse gestellt. Ohne Abfindung und ihrer Lebensgrundlage beraubt. 

Die betroffenen Bauern sagten in einem Beitrag von «SRF» aus, dass sie mit Keulen und Schlagstöcken aus ihren Wohnungen vertrieben wurden. Menschen, die zuvor Wohnhäuser, Ställe und Tiere besassen, lebten nun unter Bäumen. Im Bericht spricht Fian davon, dass die Vertriebenen heute in ärmsten Verhältnissen lebten, teilweise ohne sauberes Trinkwasser, weil sich die Quelle auf der Kaweri-Plantage befinde.

Fian: «Angelegenheit der Führungsetage»

Insgesamt betroffen seien rund 4’000 Bewohner. 2002 klagten rund 2’000 Vertriebene mit Unterstützung von Fian gegen die ugandische Regierung sowie die Kaweri-Kaffeeplantage.

«Der Neumann-Konzern will diesen Prozess verschleppen.»

Insider der Kaffeebranche

Die Rechtsstreitigkeiten

2002 wurde die Klage der angeblich Vertriebenen gegen den ugandischen Staat und die Plantagenbetreiber eingereicht, doch erst 2013 gab es ein Urteil zugunsten der Kleinbauern. 2015 forderte der Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte der UNO in Genf die ugandische Regierung auf, die Rechte der Vertriebenen wieder herzustellen. «Auf dieses Votum der UN sind bis heute weder die ugandische Regierung noch Neumann eingegangen», sagt Fian-Geschäftsführer Philipp Mimkes.

Doch: Ebenfalls 2015 hob das Berufungsgericht Ugandas das erste Urteil wieder auf und schickte es zur Neubeurteilung zurück an den High Court.

An die Neumann-Gruppe und damit auch an «Tropical Farm Management» in Zug richtet die NGO harsche Vorwürfe: Man habe in Hamburg von dem menschenrechtswidrigen Vorgehen der ugandischen Behörden gewusst und davon profitiert, so Fian.

Branchenkenner bestärkt Vorwürfe

Ein Insider der Branche mit über 40 Jahren Erfahrungen im Kaffeegeschäft klärt für zentralplus die Hintergründe. Der Mann, der Einsitz in wichtigen Gremien und Kommissionen des europäischen Kaffeehandels hatte, sagt bezüglich Neumann-Gruppe: «Der Neumann-Konzern will diesen Prozess verschleppen.» 

Der CEO, David Neumann, handle nach «alter Schule». Er meint damit eine Zeit vor Fair Food und Corporate Responsibility. Anstatt Abfindungen zahle der Konzern lieber Anwälte, die einen definitiven Entscheid im Streit verzögern. «Der Konzern arbeitet mit Methoden, deren man sich bis vor ein paar Jahrzehnten in der Branche gerne bediente. Sie machen Profite in Drittweltländern und schliessen beide Augen bei Menschenrechtsverletzungen», sagt er. Die Hamburger hätten den gesellschaftlichen Wandel hin zur Konzernverantwortung verschlafen.

Neumann wehrt sich gegen Vorwürfe

Manager der Kaweri-Farm ist Hans Fässler, General Manager von «Tropical Farm Management». Er wehrt sich auf Anfrage von zentralplus vehement gegen die Vorwürfe: «Die Neumann-Gruppe – respektive Kaweri Coffee Plantation – hat sich wiederholt um Klärung der Anschuldigungen bemüht und sich dafür auf politischer, rechtlicher und kommunikativer Ebene intensiv eingesetzt.»

Fässler erklärt weiter, dass insgesamt 102 Familien Entschädigungen in Form von Land gewährt worden sei, 64 weitere Familien besassen Land auf der Kaweri-Plantage und erhielten Entschädigungen. Der Konflikt betreffe 25 Haushalte. Dass 2’000 oder sogar 4’000 Menschen vertrieben worden seien, diesen Vorwurf weist Fässler zurück. Bezüglich Entschädigungen spricht die Fian von Zahlungen in der Höhe von 30 Euro – und diese seien nicht allen ausbezahlt worden.

«Vielen Kunden ist wohl nicht bewusst, dass sie indirekt die Vorgänge auf der Kaweri-Plantage unterstützen.»

Insider der Kaffeebranche

Fässler wehrt sich auch gegen die anderen Vorwürfe. Dass die Kleinbauern seit der Eröffnung der Kaweri-Plantage kein sauberes Trinkwasser mehr hätten, sei eine haltlose Anschuldigung, so Fässler. Das Gegenteil sei der Fall: «Seit 2003 wurden in den Nachbardörfern tiefe Bohrlöcher für die Trinkwasserversorgung auf Kosten der Farm angelegt, weitere sind auf der Farm für die Bevölkerung frei zugänglich.»

Dabei werde seine Plantage in der Nachbarschaft geschätzt, habe Infrastruktur und Arbeitsplätze geschaffen. «Von rund 600 Angestellten sind vier aus Kenia, einer aus Zimbabwe, alle anderen Mitarbeiter sind Ugander, die meisten aus direkter Umgebung», so Fässler.

Die Neumann-Gruppe wehrt sich auch gegen den Vorwurf der Prozessverschleppung. Aus einer vom Unternehmen veröffentlichten Chronologie der Geschehnisse geht hervor, dass der Konzern an einer aussergerichtlichen Einigung zwischen den Kleinbauern und dem ugandischen Staat interessiert sei. Die Neumann-Gruppe lässt verlauten, als Unternehmen habe man Interesse an der Schaffung von Rechtssicherheit.

UTZ entzog Kaweri ihr Label

Laut Fian-Geschäftsführer Philipp Mimkes müsse nun nicht in erster Linie «Tropical Farm» aktiv werden. Er sagt gegenüber zentralplus: «Die Angelegenheit liegt in der Verantwortung der Führungsetage; wir erwarten, dass Hamburg sich der Sache annimmt.» Es sei unrealistisch, von der Zuger Plantagenleitung zu verlangen, die eingeforderten Ersatzforderungen eigenhändig zu bezahlen.

Die «Tropical Farm Management» überwacht nicht nur die Kaweri-Plantage. Die Zuger Firma führt Kaffeeanbaustätten auf der ganzen Welt. Die Kaweri-Plantage verlor vor rund einem Jahr die UTZ-Zertifizierung. Plantagenmanager Fässler sieht die Schuld dafür bei Fian – der ganze Prozess habe dem Image der Plantage geschadet. Die UTZ liess ihren Entscheid damals unkommentiert.

Dennoch: Der Kaweri-Kaffee ist nicht länger zertifiziert. Dennoch vertreibt die Neumann-Gruppe weiterhin Label-Kaffee – von anderen Plantagen. Denn die Nachhaltigkeitsnachweise gibt es nach Regionen, nicht nach Kaffeehändler, so der anonyme Branchenkenner zu zentralplus. «So ist vielen Kunden wohl nicht bewusst, dass sie indirekt die Vorgänge auf der Kaweri-Plantage unterstützen.»

Zwei Begehren zur Unternehmensverantwortung

«Fair Food»: Am 23. September wird schweizweit über die Fair-Food-Initiative abgestimmt. Das Volksbegehren will, dass bei der Produktion von Lebensmitteln das Tierwohl, der Umweltschutz und faire Arbeitsbedingungen gefördert werden. Dies gilt für regionale wie importierte Produkte. Gegner monieren, dies würde die Lebensmittelpreise in die Höhe treiben und die sozial Schwachen treffen.

Konzernverantwortung: Die Initiative will, dass Schweizer Konzerne für Menschenrechtsverletzungen und Missachtung von internationalen Umweltstandards im Ausland haftbar gemacht werden können. Bisher können die Unternehmen nur im Land zur Rechenschaft gezogen werden, in welchem die Rechtsverletzungen begangen werden. Gegner sprechen von einer «Mogelpackung», die durch eine Überregulierung der Wirtschaft schaden würde. Die Initiative wurde im Oktober 2016 eingereicht, ein Abstimmungsdatum steht noch nicht fest.

Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


0 Kommentare
    Apple Store IconGoogle Play Store Icon