Festnahme des Firmeninhabers

MeinArzt-Betrug: Praxis in Luzern ist verlassen

In der Arztpraxis von MeinArzt am Löwenplatz sieht es nicht nach Patientenbehandlungen aus. (Bild: jru)

Seit Freitag sitzt der Inhaber des Praxislabels MeinArzt in Haft. Ihm wird Betrug vorgeworfen. In den schweizweit dreissig Praxen geht es chaotisch zu und her. Die Luzerner Filiale scheint geschlossen zu sein.

Am Freitag wurde der Besitzer von MeinArzt, Christian Neuschitzer, in Italien festgenommen. Ihm wird Betrug vorgeworfen, nachdem er diverse leere Versprechen machte und Rechnungen in Millionenhöhe nicht bezahlte, wie einem Beitrag der «Rundschau» zu entnehmen ist. Viele Praxen sind mittlerweile geschlossen.

Auch in Luzern existiert eine Praxis, die vor einiger Zeit von MeinArzt übernommen worden sein soll. Ein Augenschein vor Ort bestärkt die Vermutung. Im Treppenhaus hängt ein Schild, auf dem das Logo von MeinArzt abgebildet ist.

Luzerner Praxis seit Längerem geschlossen

Auf der verschlossenen Türe der Praxis hängt ein zweiseitiger Brief. Dieser weist darauf hin, dass die bisherige Ärztin nicht mehr hier tätig sei. Dabei werden die Patienten an eine andere, relativ nahegelegene Praxis in der Stadt verwiesen, die sich um weitere Behandlungen kümmere. Ob es sich bei der vorherigen Ärztin um eine von MeinArzt vermittelte handelt, ist zurzeit unklar.

Auf dem Brief, der scheinbar an die Patienten der Praxis versendet wurde, steht zudem: «Wir haben ein Beilageblatt zu diesem Brief dazugelegt, welches sie bitte ausgefüllt bei Ihrer Erstkonsultation am Empfang der Hannes-Praxis* abgeben.» Mit einer Unterschrift der Patientin sollen anschliessend die Patientenunterlagen direkt an die neue Praxis versendet werden.

Im gleichen Text wird zudem darauf hingewiesen, dass die ehemals endokrinologische Praxis zu einer Praxis für medizinische Onkologie und ästhetische Medizin umfunktioniert werden soll. Ein Eröffnungsdatum wird nicht angegeben.

Arztpraxis verlassen, frühere Ärztin ging unvermittelt

Ein Blick durch die Glastür zeigt ein bizarres Bild. In der Praxis ist es dunkel, das Mobiliar ist aber noch immer installiert. Auf dem Tresen liegen Desinfektionsmittel, ein Kugelschreiber und einige Prospekte und Papiere. Im Grossen und Ganzen macht die Praxis den Eindruck, als stehe man bloss ausserhalb der Öffnungszeiten vor der Tür.

Das Datum des Briefes, der an der Eingangstür klebt, deutet auf etwas Anderes. Dieser wurde am 26. Februar 2020 geschrieben. Die Praxis müsste demnach seit beinahe sieben Monate geschlossen sein. Von der angeblichen neuen Praxis keine Spur. Wie uns ein Anwohner mitteilt, sei die frühere Ärztin der Praxis «unvermittelt gegangen». zentralplus konnte bisher noch keinen Kontakt zu dieser Frau aufbauen.

Geschäftsmodell und Praxen ausgenutzt

Bereits im Juni dieses Jahres berichtete die «Rundschau» über Neuschitzer. Das Geschäftsmodell seiner Firma sieht so aus: Er übernimmt Praxen von Ärzten, die vor dem Pensionsalter stehen und gründet daraus eine GmbH. Zudem übernimmt er auch sämtliche zugehörigen Patientenakten. Anschliessend sorgt er sich um einen neuen Arzt, der Praxis leiten soll. Neuschnitzer selbst übernimmt mit seinen Mitarbeiterinnen die Administration der Praxen. Letztere bleiben auch nach der Übergabe an einen neuen Arzt in seinem Besitz.

In diesem Sommer stellte sich nach der Reportage der «Rundschau» heraus, dass Neuschitzers Firma eine grosse Anzahl Rechnungen, beispielsweise Lieferantenrechnungen – teilweise in Millionenhöhe! –, nicht bezahlte. Das führte zu Lieferstopps, die betroffenen Arztpraxen konnten nötige Medikamente nicht mehr bestellen. Zudem wurden diverse Löhne von Angestellten und Mitarbeiterinnen in Arztpraxen nicht mehr bezahlt.

Fristlose Kündigungen

Immer wieder habe Neuschitzer leere Versprechen gemacht und den Mitarbeitern falsche Hoffnungen geschenkt. Auch bei nicht ausbezahltem Lohn soll er, wie eine ehemalige Mitarbeiterin gegenüber der «Rundschau» sagte, immer wieder Ausreden erfunden haben.

Ein weiterer Beitrag der Sendung von Mittwoch zeigt, dass einige Ärzte von betroffenen Praxen bereits gekündigt haben sollen. Anderen wurde durch den Chef fristlos – teilweise per WhatsApp – gekündigt. Im Beitrag wird eine Ärztin gezeigt, welcher der Zutritt zur eigenen Praxis verwehrt wird.

Festnahme des Firmeninhabers

Am vergangenen Freitag erreichte die Medien dann die Nachricht, dass der Gründer und Chef der Firma MeinArzt, Christian Neuschitzer, in Italien festgenommen wurde. Der Österreicher sei seit der Schliessung seines Hauptsitzes in Zürich «verschwunden» und habe sich in Italien aufgehalten. Zurzeit wird an seiner Überführung in die Schweiz gearbeitet.

Sind Sie Patient in einer MeinArzt-Praxis und würden uns gerne von Ihren Erfahrungen erzählen? Dann melden Sie sich unverbindlich bei [email protected]. Ihre Informationen werden von uns vertraulich behandelt.

* Originalname von der Redaktion geändert

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Gerold Borer
    Gerold Borer, 11.09.2020, 16:25 Uhr

    Und wo bleiben unsere Gesundheitsämter? Ist immer der Patient der Löli?

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