Zuger pendeln per Velo

Mehr Velos unterwegs – das ist ein «riesiges Potenzial»

In Kopenhagen pendeln viele mit dem Velo zur Arbeit – in Zug ist man in Sachen Veloförderung noch nicht so weit. (Bild: Emanuel Ammon/Aura)

Selbst längere Wege zum Arbeitsplatz per Velo zurücklegen – einige Zuger machen es vor. Fachleute betonen aber, dass sich in Sachen Sicherheit und Komfort noch einiges verbessern müsste.

Die Zuger Velowege sind auf den Freizeitverkehr ausgerichtet – Pendler haben es eher schwer (zentralplus berichtete). Es gibt trotzdem Menschen im Kanton Zug, die das in Kauf nehmen – und auf dem Weg zum Arbeitsplatz weite Distanzen mit dem Velo zurücklegen (zentralplus berichtete).

Der Zuger Baudirektor Florian Weber bestätigt, dass seit dem Corona-Lockdown viele Pendlerinnen die Bewältigung ihres Arbeitsweges neu gestalten. Dabei würden sie derzeit grössere Distanzen zum Beispiel mit dem E-Bike zurücklegen.

«Ob diese Veränderung in der breiten Masse auf Dauer Bestand hat, wird sich erst noch zeigen», meint Weber. Längere Schlechtwetterphasen und die tiefen Temperaturen im Winter dürften die Entschlossenheit der Velopendler auf die Probe stellen. Das Mobilitätsverhalten der Zuger behält Weber genau im Auge. «Selbstverständlich verfolgen wir die Entwicklung der verschiedenen Verkehrsströme mit grosser Aufmerksamkeit. Die Erkenntnisse daraus fliessen in das Mobilitätskonzept ein, mit welchem der Kantonsrat das strategische Vorgehen zu diesem Thema festlegen wird.»

Lenkung der Verkehrsströme ist die Herausforderung

In Bezug auf das Thema Sicherheit meint Weber: «Der Kanton Zug verfügt über ein gut ausgebautes Velowegnetz. Trotzdem sind wir ständig daran – unter anderem in Zusammenarbeit mit der Zuger Polizei – die Sicherheit für die Radfahrerinnen und Radfahrer zu erhöhen.»

Dies zum Beispiel mit dem Ausbau von bestehenden Radwegen oder mit dem Anlegen neuer Radstreifen. Die grosse Herausforderung in Bezug auf die Sicherheit sei die Lenkung der Verkehrsströme mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Hier gelte es, neue Formen der Trennung oder der Kooperation zu finden.

Velobahnen, Abstellplätze und Duschen

Victor Zoller, Präsident von Pro Velo Zug, geht davon aus, dass sich der Anteil des Velos am gesamten Arbeitsverkehr künftig erhöhen wird. Aktuell würden 50 Prozent auf den motorisierten Individualverkehr, 35 Prozent auf den öffentlichen Verkehr (ÖV) und 15 Prozent auf den Langsamverkehr entfallen.

Wobei Zoller gleich anfügt, dass «Langsamverkehr» eigentlich ein Unwort sei. In der Stadt sei das Velo am schnellsten. Sei dem Lockdown hätten sich die Zahlen etwas verschoben. Nun würden 30 Prozent auf den ÖV entfallen und 20 Prozent auf den Langsamverkehr.

Damit sich in Zukunft das Verhältnis noch mehr zugunsten des Langsamverkehrs verschieben kann, sind laut Zoller diverse Massnahmen nötig (zentralplus berichtete). Einerseits brauche es klare, direkte und möglichst vom Auto- und Fussverkehr getrennte so genannte Velobahnen.

Bauordnungen müssten zudem gedeckte, jeweils beim Eingangsbereich angeordnete Veloabstellplätze in ausreichender Anzahl vorschreiben. Und es brauche Arbeitgeber, die Garderoben mit Duschen zur Verfügung stellen.

Fahrrad noch oft «blosses» Fitnesswerkzeug

Eine aktuelle Studie der ETH Zürich und der Uni Basel befasst sich unter anderem mit der veränderten Mobilität während der Corona-Pandemie – so auch mit dem Thema Velo. Josef Molloy von der ETH Zürich erklärt, dass die per Velo zurückgelegten Distanzen auch jetzt – also nach dem Lockdown – noch immer höher grösser seien als im letzten Jahr. Die Untersuchung befasste sich allerdings nicht spezifisch mit dem Berufsverkehr (zentralplus berichtete).

Lukas Kistler vom Bundesamt für Raumplanung erklärt auf Nachfrage, dass die Erhebung 2020 der alle fünf Jahre erarbeiteten Studie «Mikrozensus Mobilität und Verkehr» wegen Corona vorübergehend eingestellt wurde. Sie werde 2021 wieder aufgenommen. Die Ergebnisse der ETH-Studie würden nahelegen, dass das Fahrrad im Moment wohl oft als Fitnesswerkzeug eingesetzt werde. Dies würden die zeitlichen Muster der Wege über die Tage hinweg ergeben.

Velowege über die Kantonsgrenzen hinaus

Silas Hobi, Geschäftsleiter von «Umverkehr», spricht in Zusammenhang mit dem Langdistanzvelopendeln von einem «riesigen Potenzial». Dies habe unter anderem mit dem Aufkommen der E-Bikes zu tun.

Das wohl prominenteste Beispiel eines solchen Pendlers sei Bundesrat Ueli Maurer, der teilweise auch längere Velotouren auf dem Arbeitsweg einbaue – oder dies jedenfalls in der Vergangenheit jeweils so gemacht habe. Als Hauptproblem ortet Silas Hobi die aktuell noch ungenügenden Velowege über die Gemeinde- und Kantonsgrenzen hinweg. Dies werde sich aber in Zukunft aufgrund der Aggloprogramme und des neuen Veloweggesetzes verbessern.

Das sagt die BfU zum Thema Sicherheit

Bei langen Fahrten auf dem Velo ist die Frage der Sicherheit besonders zentral. Nicolas Kessler, Mediensprecher der Beratungsstelle für Umfallverhütung (BfU), weist auf Anfrage auf die zwei wichtigsten Punkte hin.

  • Strassen sicherer machen: Die BfU weist in ihren Sicherheitsdossiers und Berichten auf eine Vielzahl wirksamer Massnahmen hin – zum Beispiel eine umfassende Strassennetzplanung zugunsten des Velo- und E-Bike-Verkehrs, velofreundliche Kreuzungen, tiefe Geschwindigkeitslimits auf Strassen innerorts und die Überprüfung von Normen hinsichtlich ihrer E-Bike-Tauglichkeit.  
  • Die Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer von sicherem Verhalten überzeugen: Wer Velo fährt, hat keine Knautschzone. Deshalb gilt: Wer vorausschauend und defensiv fährt, kann auch auf Unerwartetes richtig reagieren. Der Velohelm gehört bei jeder Fahrt auf den Kopf. Und das korrekte Verhalten im Verkehr ist wesentlich.
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1 Kommentar
  • Profilfoto von R. A.
    R. A., 12.08.2020, 14:51 Uhr

    Zum Punkt Sicherheit ist noch zu ergänzen:
    Autos dürfen eigentlich Velos nur mit angemessenem (empfohlen werden 1,5m) Abstand überholen. Denn Abstand ist Anstand!
    Was ich in dieser Hinsicht als Velopendler täglich erlebe, ist haarsträubend.
    Regelmässig Überholmanöver auch bei Zebrastreifen mit Mittelinseln…
    Auf 80er Strecken mit 50 cm Abstand…
    Dagegen schützt einen als Velofahrer’in nur «offensives» Nutzen der Fahrbahn, damit der/die Autofahrer’in gar nicht auf die Idee kommt zu knapp zu überholen.

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