Heisse Temperaturen gefährden Betagte

Mehr Tote in Luzern: Hitze fordert ihren Tribut

Abschied nehmen: Mehrere Hitzetage nacheinander führen zu erhöhter Sterbequote. (Bild: fotolia.com)

In der Stadt Luzern starben am letzten Sonntag, mitunter wegen der Hitze, neun Personen – vier bis fünf sind es normalerweise. Das Luzerner Spital und die Stadtheime sind gewarnt.

Wie haben Sie Sonntagnacht geschlafen? Mässig, weil es viel zu heiss war? Kein Wunder. Denn das Thermometer zeigte in Luzern am Sonntagabend um 23.15 Uhr noch über 26 Grad an. Schon die ganze Woche, von Dienstag bis Sonntag bescherte uns die Sonne Temperaturen von stets über 30 Grad – was offiziell als Hitzetag registriert wird. Vergangenen Sonntag betrug die höchste Temperatur in Luzern stolze 35,4 Grad.

35’000 Hitzetote im Sommer 2003

Da kommen Erinnerungen auf an den Brutsommer im Juni und Juli 2003. Damals kam es schweizweit zu sagenhaften 42 Hitzetagen. Und europaweit zu etwa 35’000 zusätzlichen Todesfällen aufgrund der hohen Temperaturen. Alleine in Frankreich starben damals rund 15’000 Personen den Hitzetod – oft waren es alte, betagte und kranke Menschen. Schweizweit waren es rund 1000 solcher zusätzlicher Sterbefälle. In Luzern nahmen die Bestattungen in dieser Zeit um elf Prozent zu.

«Wir spüren den heissen Sommer, es gab in den letzten Tagen mehr Todesfälle als sonst.»

Josef Elmiger, zuständig für Todesfälle beim regionalen Zivilstandsamt

Eine erhöhte Sterblichkeit nach dem letzten heissen Wochenende wurde auch schon auf dem regionalen Zivilstandsamt der Stadt Luzern festgestellt. Mitarbeiter Josef Elmiger, zuständig für Todesfälle, sagt: «Wir spüren den heissen Sommer, es gab in den letzten Tagen mehr Todesfälle als sonst.» Konkret verstarben letzten Freitag fünf Luzerner, am Samstag vier, am Sonntag neun (davon vier aus den städtischen Heimen) und am Montag auch vier. Alle waren alt, meist über 80 Jahre. Vier bis fünf Personen sterben laut Elmiger im Schnitt an einem normalen Tag. Die Neun vom sehr heissen vergangenen Sonntag sind demnach etwa doppelt so viele wie üblich.

Da stellt sich die Frage: Wie beugen die Luzerner Alters- und Pflegeheime sowie das Luzerner Spital einem möglicherweise häufigeren Ableben ihrer Bewohner vor?

Am Sonntag starben auch mehr Heimbewohner

Joel Früh ist Leiter Unternehmensentwicklung bei der Viva AG, zu der alle per Anfang 2015 ausgelagerten städtischen Heime gehören. Rund 900 ältere Menschen werden dort von rund 1100 Personen betreut. Früh bestätigt, dass mit den vier am Sonntag verstorbenen Heimbewohnern mehr gestorben sind als an einem normalen Tag. Allerdings seien dafür am Freitag und Samstag zuvor wie auch am Montag danach weniger Bewohner als üblich verstorben.

«Sicher erhöht solche Hitze das gesundheitliche Risiko unserer Bewohner.»

Joel Früh, Leiter Unternehmensentwicklung Viva AG

Eine wirklich signifikante Erhöhung der Todesrate in den Stadtheimen sei unter dem Strich zwar derzeit nicht feststellbar. Es sei aufgrund dieser Zahlen aber möglich, dass die leicht erhöhte Sterberate vom Sonntag mit den bis zu 35 Grad warmen Temperaturen zu tun haben könnten. «Sicher erhöht solche Hitze das gesundheitliche Risiko unserer Bewohner, insbesondere von jenen, die aufgrund ihrer Erkrankungen über wenig körperliche Reserven verfügen.»

Konkret meint Früh damit Menschen mit chronischen Erkrankungen, die für das höhere Lebensalter typisch sind, insbesondere solche des Kreislaufsystems wie Herzinsuffizienz, Herzrhythmusstörungen und Bluthochdruck, aber auch Diabetes oder Demenz. Zudem lasse mit dem Alter das Durstgefühl nach, weshalb die aktive Flüssigkeitszufuhr sehr wichtig sei. Während Hitzetagen wie diesen achten die Heimmitarbeiter zudem auf gute Durchlüftung, Sonnenschutz, Verlegung von Aktivitäten auf den kühleren Morgen und, wo nötig, Ventilatoren. Einige Betagte würden mit Kreislaufproblemen, Fieber oder erhöhter Müdigkeit auf die Hitze reagieren.

In der Viva-Pflegewohnung an der Tribschenstrasse erlitten am Sonntag wegen der Hitze zwei Betagte einen Schwächeanfall. Zu Todesfällen kam es laut Leiterin Vreni Grüter glücklicherweise jedoch nicht. «Wir achten bei diesen hohen Temperaturen sehr darauf, dass unsere Bewohner stets genügend trinken und sich schonen.» Dem pflichtet die rüstige Bewohnerin Lydia Bamert (84) zu. «Wir sind hier sehr gut aufgehoben», sagt sie und lacht zufrieden.

Vreni Grüter, Leiterin der Viva-Pflegewohnungen, unterhält sich mit Bewohnerin Lydia Bamert (84). Bamert wohnt zusammen mit 12 anderen Betagten in dieser Pflegewohnung an der Werkhofstrasse 7 in Luzern.

Vreni Grüter, Leiterin der Viva-Pflegewohnungen, unterhält sich mit Bewohnerin Lydia Bamert (84). Bamert wohnt zusammen mit 12 anderen Betagten in dieser Pflegewohnung an der Werkhofstrasse 7 in Luzern.

(Bild: lwo)

Zusammenhang ist erwiesen

Ob auch im Luzerner Kantonsspital mit seinen insgesamt 860 Betten und jährlich über 40’000 stationären Patienten während Hitzetagen mehr Leute sterben, lässt sich laut Auskunft der Medienstelle nicht sagen. Grund: Bei den Todesursachen wird nicht speziell erfasst, ob diese einen Zusammenhang mit der Hitze haben könnten. Aktuelle Zahlen zu den Todesraten vom letzten Wochenende würden zudem noch nicht vorliegen. Guido Schüpfer, Leiter Stab Medizin, verhehlt aber nicht: «Klar hat Hitze einen Zusammenhang mit der Sterblichkeit.» Das sei wissenschaftlich erwiesen.

Schüpfer verweist auf eine Studie vom Fachblatt «The New England Journal of Medicine». Demnach sind speziell ältere Leute gefährdet, die Kreislaufstörungen haben, psychisch zu kämpfen haben, nicht mehr zu Hause wohnen können, kaum soziale Kontakte haben und einsam sind.

Vereinsamte sterben schneller

Dass an diesen Kriterien etwas dran sein muss, hat der krasse Hitzesommer 2003 speziell in Frankreich gezeigt. Dort starben viele der 15’000 Personen, weil sie alt, gebrechlich und vereinsamt waren. Ende August 2013 mussten sage und schreibe 66 Verstorbene beerdigt werden, nach denen sich selbst nach ihrem Ableben niemand erkundigt hatte. In der Schweiz, sind sich Experten einig, kommt so etwas viel seltener vor, da unsere sozialen Netzwerke sowie die medizinische Versorgung durch Spitäler, Heime und Spitex meist deutlich besser sind als im Süden Frankreichs, wo damals speziell viele Menschen der Hitze erlagen.

Wie auch immer: Die heissen Tage könnten für uns auch Anlass sein, mal wieder pflegebedürftige und/oder einsame Angehörige zu besuchen. Diese freuen sich zweifellos darüber – auch bei hohen Temperaturen. Auch über das obligate Geschenk muss man sich dann für einmal keine Gedanken machen: Ein kühles Glace schmeckt und nützt zugleich.

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