Zentralschweiz ist besonders betroffen

Mehr als 200 Stadtluzerner sind wegen Corona in die Sozialhilfe abgerutscht

Taxifahrerinnen, Angestellte auf Kurzarbeit, Kulturschaffende und Selbständigerwerbende driften jetzt mit am meisten in die Sozialhilfe ab. (Bild: Jenö Gösi/AURA)

Seit Anfang März sind in der Stadt Luzern 230 Personen mehr in die Sozialhilfe abgerutscht. Die Aussichten sind düster: Die Konferenz für Sozialhilfe rechnet mit über einem Viertel mehr Sozialhilfebezügern bis 2022. In Luzern teilt man diese Befürchtung.

Stell dir vor: Du bist Taxifahrerin, doch die Kunden bleiben aus. Du bist Musiker, doch alle Auftritte sind abgesagt. Oder du steckst mitten im Studium, arbeitest auf Abruf in einer Bar. Doch die Einsätze bleiben aus, das Einkommen fehlt, deine Reserven sind mit der Zeit aufgebraucht.

So ergeht es derzeit dutzenden in der Stadt. Das Coronavirus trifft viele mit voller Wucht. So sehr, dass sie ihr Existenzminimum nicht mehr decken können und in die Sozialhilfe abrutschen. Anlässlich einer virtuellen Pressekonferenz zum Budget 2021 sagte Finanzdirektorin Franziska Bitzi Staub, dass insbesondere bei der wirtschaftlichen Sozialhilfe mehr Geld fällig wird (zentralplus berichtete).

Doch was heisst das konkret? Wir haben bei Felix Föhn, Leiter der Sozialen Dienste der Stadt Luzern, nachgefragt. Seit Ausbruch des Coronavirus im März verzeichnen diese im Bereich wirtschaftlicher Sozialhilfe eine Zunahme von rund 150 Dossiers. Das ist ein Zuwachs von 230 Personen, schreibt Felix Föhn.

In den letzten fünf Jahren stieg die Anzahl der aktiven Dossiers in der Sozialhilfe kontinuierlich an. In einem Dossier können auch mehrere Personen aufgelistet sein. 2015 wurden beispielsweise in der Stadt 2'859 Personen mit Sozialhilfe unterstützt, 2018 waren es 3'209 Personen.

Die Ausgaben in der wirtschaftlichen Sozialhilfe steigen. Die Stadt budgetiert für das Jahr 2021 einen Ausgabenanstieg von rund drei Prozent. Zur Veranschaulichung: Die Stadt gab beispielsweise im Jahr 2017 fast 34 Millionen Franken in diesem Bereich aus. 

Konferenz für Sozialhilfe rechnet mit Anstieg von 28 Prozent

Und es werden in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren noch mehr Menschen in die Sozialhilfe abrutschen. Die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) rechnet damit, dass der Höchststand in zwei Jahren erreicht wird. Bis 2022 rechnet sie mit einem Anstieg von 28 Prozent.

«In der Tendenz teilen wir diese Einschätzung», sagt Felix Föhn. Seit Ausbruch des Coronavirus beteiligt sich die Stadt am Fallmonitoring. «Es fällt auf, dass die Zentralschweiz im Vergleich zu anderen Regionen der Schweiz stark betroffen ist.»

Neben der Zentralschweiz gibt es in der Romandie und im Tessin deutlich mehr Sozialhilfebezüger als in der Ost- und in der Nordwestschweiz. Warum trifft es gerade auch die Zentralschweiz so stark?

Wahrscheinlich weil insbesondere der Tourismus, die Hotellerie und die Gastronomie wichtige Wirtschaftsfaktoren in Luzern und der Zentralschweiz sind, die von der Krise besonders hart getroffen werden. «Das Ausbleiben insbesondere von asiatischen Touristen und Reisenden aus Übersee hat sowohl diese Branchen wie auch deren Zulieferer stark getroffen», so Felix Föhn weiter.

Wer jetzt auf Sozialhilfe angewiesen ist

Es sind Taxifahrerinnen, Kulturschaffende und Selbständigerwebende. Angestellte in Kurzarbeit, die plötzlich ein tieferes Einkommen haben und nun ergänzend auf Sozialhilfe angewiesen sind. Und auch viele Studierende, die auf Abruf gearbeitet haben und nun oftmals keine Arbeitseinsätze mehr erhalten.

Auch alleinerziehende Personen sind häufig auf die Unterstützung angewiesen. Letztes Jahr war in der Stadt Luzern mehr als jede vierte alleinerziehende Person auf Sozialhilfe angewiesen. Gerade auch die Corona-Krise, die zeitweise Mütter und Väter dazu zwang, ihre Kinder zu Hause zu unterrichten, dürfte für alleinerziehende Personen eine Herausforderung gewesen sein. Ob durch die Krise mehr alleinerziehende Personen auf Sozialhilfe angewiesen sind, kann Felix Föhn zum heutigen Zeitpunkt jedoch noch nicht sagen.

Zweitgespräch innert 10 Tagen

Wie der Leiter der Stadtluzerner Sozialen Dienste ausführt, finden die Beratungsgespräche nach Möglichkeit auch in der aktuellen Situation statt. Sie werden hingegen vermehrt per Telefon geführt.

Unabhängig von Corona können sich Stadtluzernerinnen täglich bei den Sozialen Diensten für ein Erstgespräch melden. Ist eine Bedürftigkeit ausgewiesen und zeichnet sich die Zuständigkeit im Sinne von subsidiären Leistungen ab, wird in einem Zweitgespräch der finanzielle Bedarf erhoben. In der Regel findet dieses Zweitgespräch laut Föhn innert zehn Arbeitstagen statt. In einer aktuellen Notsituation kann je nach Bedarf eine Soforthilfe im Sinne einer Überbrückungshilfe geleistet werden.

Alles hängt von Corona ab

Die Coronapandemie verunsichert viele Menschen. «Ist der Arbeitsplatz gefährdet oder verloren, steigt die Unsicherheit», schreibt Felix Föhn. «Neben existenziellen Ängsten stellen sich auch Fragen zu wirtschaftlichen und beruflichen Perspektiven unabhängig von Ausbildung, Alter oder Herkunft.»

Bund und Kanton hätten Hilfspakete, die auch greifen, so Felix Föhn weiter. Entscheidend sei nun, ob und wie diese Hilfestellungen fortgesetzt werden könnten. Und nicht zuletzt: Wie sich die Pandemie entwickelt.

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