Breite Opposition gegen Pläne der Regierung

Massive Streichung bei Zuger Wanderwegen – oder doch nicht?

Ob dieser Wegweiser auf dem Gottschalkenberg (mit Sicht auf den Zürichsee) nach der Streichrunde noch Bestand haben wird?

(Bild: zvg)

Die Zuger Regierung will das Wanderwegnetz um einen Drittel reduzieren. Das Vorhaben ist umstritten, auch bei den Gemeinden. Um den Absturz der Vorlage zu vermeiden, will Baudirektor Urs Hürlimann nun offenbar einen Kompromissvorschlag aus dem Hut zaubern.

Wandern ist ein Volkssport. In der ganzen Schweiz, aber auch im Kanton Zug. Doch die Suche nach dem richtigen Weg dürfte schwieriger werden, wenn der Kantonsrat am Donnerstag einer umstrittenen Sparmassnahme zustimmt. Denn der Regierungsrat will im kantonalen Richtplan das Wanderwegnetz massiv zusammenstreichen.

Digitalierung geplant

Hauptargument sind die Kantons-Finanzen. Aber auch die geplante Digitalisierung, welche eine Überprüfung notwendig mache. Ein weiteres Argument ist, dass die Dichte des Netzes in Zug im Vergleich zu anderen Kantonen über dem Durchschnitt liege. «Die Wanderwege sollten attraktiv und sicher sein», heisst es im Bericht des Regierungsrats. Doch es gelte der Grundsatz Qualität vor Quantität. «Das Wanderwegnetz soll den Wandernden ein Optimum (nicht ein Maximum) an Wahl- und Orientierungsmöglichkeiten bieten», so die Exekutive.

«Das Wanderwegnetz soll den Wandernden ein Optimum (nicht ein Maximum) an Wahl- und Orientierungsmöglichkeiten bieten.»
Der Zuger Regierungsrat

Die Massnahme im Rahmen des Sparprogramms 2015–2018 sieht deshalb eine Reduktion der Dichte des Wanderwegnetzes vor: Von aktuell 2,7 km pro Quadratkilometer soll es auf neu 1,8 km pro Quadratkilometer ausgedünnt werden. Das Netz umfasst heute 558 Kilometer Wanderwege, nach der Ausdünnung wären es noch 374 Kilometer. Damit würde das Wanderwegnetz um 184 Kilometer Weglänge oder 33 Prozent reduziert; das war zumindest der ursprüngliche Plan der Kantonsregierung.

Das aktuelle Zuger Wanderwegnetz.

Das aktuelle Zuger Wanderwegnetz.

Erreicht werden soll mit der Sparübung eine Budgetentlastung von 40’000 Franken im Jahr. Umsetzen will der Regierungsrat diese, indem er den Leistungsauftrag mit dem Verein Zuger Wanderwege kündigt und diesem für die Signalisation der Wege neu 100’000 Franken bezahlt (bisher 140’000 Franken).

ALG gegen Ausdünnung

Das Geschäft ist diesen Donnerstag im Kantonsrat traktandiert. Die Alternative – die Grünen Zug sei grundsätzlich gegen eine Reduktion, teilte sie in einer Pressemitteilung mit. Andere Parteien liessen sich nicht verlauten. Dennoch könnte es eine kontroverse Diskussion geben, die für einmal jenseits des Links-Rechts-Schemas verläuft.

Denn viele schätzen die Wanderwege, und das Vorhaben betrifft ja auch die Gemeinden. Diese sollen die vom Kanton aus dem Richtplan gestrichenen Strassen und Wege nachher in Eigenregie signalisieren. So haben im Mitwirkungsverfahren die Stadt Zug sowie Menzingen, Hünenberg, Neuheim, Steinhausen und Walchwil grundsätzliche Vorbehalte gegen die Kürzung des Wanderwegnetzes signalisiert.

Gemeinden protestierten und brachten Vorschläge ein

Gemeinden machten auch konkrete Vorschläge, welche Wanderwege im Netz zu belassen seien. Nachdem Steinhausen, Hünenberg und der Verein Zuger Wanderwege in der öffentlichen Mitwirkung Einwände vorgebracht hatten, kam ihnen die Regierung ein kleines Stück entgegen. Nun sollten 10 Kilometer weniger gestrichen werden, was immer noch 31 Prozent des Netzes entspricht. Beibehalten werden sollen nun beispielsweise die Verbindungen von Steinhausen nach Cham, diejenigen von Hünenberg nach Hünenberg See, und auch Höll-Edlibach soll im kantonalen Netz bleiben. Ebenso das neu organisierte Wegnetz zwischen Walchwil und Arth, das nicht mehr auf Asphaltstrassen entlanglaufen soll.

Kanton für Signalisation, Gemeinde für Unterhalt zuständig

Laut Bundesgesetz sind die Kantone fürs Wanderwegnetz verantwortlich und müssen dieses erfassen und signalisieren. Die Signalisation hat der Kanton Zug an den Verein Zuger Wanderwege delegiert. Für Unterhalt und Pflege verantwortlich sind in Zug die jeweiligen Gemeinden. Die gelben Wegweiser dürfen nur auf kantonalen Wegen angebracht werden. Gemeindliche Strassen haben gemäss dem Verein für Zuger Wanderwege weisse Wegweiser.

Raumplanungskomission dagegen

Dass das Thema umstritten ist, zeigt auch der Bericht der vorberatenden Kommission für Raumplanung und Umwelt. Die 15-köpfige Kommission mit 12 Bürgerlichen und drei Linken beriet das Thema im Juni 2016. Sie sprach über die Leistungsvereinbarung mit dem Verein Zuger Wanderwege – obwohl diese nicht Teil der Vorlage ist und in der Zuständigkeit der Exekutive liegt. Sie sei erstaunt, dass der Kanton dem Verein Zuger Wanderwege 140’000 Franken im Jahr bezahle, heisst es im Bericht.

Während der Beratung brachte Regierungsrat Urs Hürlimann einen weiteren Kompromissvorschlag ein, der den Gemeinden entgegenkommen soll. Er sieht vor, das Netz lediglich auf 446 Kilometer statt auf 374 Kilometer zu reduzieren. Doch die Kommission lehnte den Kompromiss ab. Sie sprach sich mit 8 Ja- zu 6 Nein-Stimmen, bei einer Enthaltung, für die Beibehaltung des bisherigen Wanderwegnetzes von 558 Kilometer aus. Hauptargument war, dass das heutige Wanderwegnetz funktioniere und die Kosteneinsparung bei einer Reduktion gering sei.

Die Staatswirtschaftskommission (Stawiko) ist laut ihrem Bericht mit 4 Ja- zu einer Nein-Stimme für den Antrag des Regierungsrats. Sie traf sich im September. Eine Stimme erhielt der Kompromissvorschlag des Regierungsrats, das Netz lediglich auf 446 Kilometer zu reduzieren.

«Etwas, was gesund ist und was die Leute gerne machen, soll abgebaut werden?»
Hanni Schriber-Neiger, ALG-Kantonsrätin

Schriber: «Das ist schon schräg»

Die Rotkreuzer ALG-Kantonsrätin Hanni Schriber-Neiger, die selber in der Raumplanungskommission ist, kann über die Sparidee der Regierung nur den Kopf schütteln. «Das ist schon schräg, dass etwas, was so gesund ist, was die Leute gern machen und was darüber hinaus auch fast keinen finanziellen Aufwand generiert, abgebaut werden soll», sagt sie gegenüber zentralplus.

Schriber gibt zu bedenken: «Der Regierungsrat will als Sparmassnahme einen Drittel der Wanderwege abbauen. Das heisst, die Gemeinden dürfen, wenn sie die Wege weiterhin offen haben möchten, selber besorgt sein um deren Unterhalt und Pflege.» Das klinge unkompliziert, könne aber seltsame Früchte tragen. «So sind es dann nicht mehr kantonale Wanderwege, sprich, man darf nicht mehr die offiziellen gelben Wegweiser verwenden. Diese gemeindlichen Wege sind ausserdem auf keiner App mehr sichtbar.»

Mehrkosten von 200’000 Franken?

Schriber ist überzeugt: «Der Kanton wird damit in nächster Zeit wohl kaum sparen. Zuerst muss er um die 200’000 Franken für die neue Signalisierung investieren, bevor die bisherigen gelben Wegweiser abmontiert und umplaziert werden können.»

Dazu komme, dass sich die Gemeinden, wenn die Wanderwege neu in ihrer Verantwortung seien, im ungünstigsten Fall das Grundbuchrecht neu einholen müssten. «Und dann kann es sein, dass ein Grundbesitzer genug hat von den Wanderern, die immer an seinem Garten vorbeiwandern, und der Gemeinde das Recht verweigert», so Hanni Schriber.

Nussbaumer: «Von allen akzeptiertes Wegnetz»

Doch Kritik vor der Debatte äussern auch bürgerliche Mitglieder der Raumplanungskomission. Der Menzinger SVP-Kantonsrat Karl Nussbaumer bezeichnet das Wegnetz in einem Forumsbeitrag in der «Zuger Zeitung» als wichtige Errungenschaft, die es zu erhalten gelte. «Das grosse kantonale Wanderwegnetz ist im Laufe der Jahrzehnte, ja sogar über mehr als 100 Jahre, gewachsen, von Landbesitzern akzeptiert und von der Bevölkerung hoch geschätzt», schreibt Nussbaumer.

«Das Netz ist von den Landbesitzern akzeptiert und von der Bevölkerung hoch geschätzt.»
Karl Nussbaumer, SVP-Kantonsrat

Die Begründung, man müsse die Netze dem schweizerischen Durchschnitt anpassen, könne er nicht teilen. Zug habe eine grössere Bevölkerungsdichte als andere Kantone. «Der Siedlungsdruck in Zug ist relativ gross. Im dicht besiedelten Kanton Zug ist ein gutes und dichtes Wegnetz noch wichtiger als in ländlichen oder abgelegenen Gebieten der Schweiz», so der SVP-Vizefraktionschef. Die Auswirkungen wären, dass die Gemeinden die gestrichenen Wanderwege übernehmen könnten. Und das hätte Mehrkosten wie auch Mehrarbeit zur Folge, ist Nussbaumer überzeugt.

Was sagt der betroffene Verein?

Laut Arthur Meyer, Präsident des Vereins Zuger Wanderwege, gibt es durchaus Anpassungsbedarf beim Zuger Wanderwegnetz. «Wir waren nicht grundsätzlich dagegen und haben mitgearbeitet», sagt Meyer auf Anfrage.

Der Verein habe sich jedoch dagegen gewehrt, dass die Regierung aus Spargründen zusätzliche 70 Kilometer Wegnetz streichen wollte. Mit dem letzten Kompromissvorschlag des Regierungsrats könne der Verein leben. Nach all den Protesten soll das Netz statt auf 374 Kilometer nur noch auf 446 Kilometer verdünnt werden. «Wir hoffen sehr, dass dieser Kompromiss im Kantonsrat durchkommt», sagt Meyer.

Politische Abläufe umgangen?

Hürlimann hat offenbar, nachdem er den Kompromiss im Juni der Raumplanungskommission präsentiert hatte, noch einmal bei den Gemeinden nachgefragt, ob diese einverstanden sind, erfuhr zentralplus. Dass der Regierungsrat mit Vereinen und Gemeinden spricht, um eine Vorlage breit abzustützen, ist legitim. Dass er das Ergebnis dieser Verhandlungen aber nicht erneut den Kommissionen unterbreitet, wirft Fragen auf. Kommissionsmitglieder verschiedener Parteien fühlen sich düpiert. Zudem frage man sich, ob der Kompromiss von Hürlimann stamme oder die Meinung des Gesamtregierungsrats darstelle.

Baudirektor Urs Hürlimann (FDP) wollte am Mittwoch gegenüber zentralplus keine Stellung nehmen. Er werde sich in der Debatte im Kantonsrat äussern, liess er durch seinen Mediensprecher ausrichten.

Hinweis in eigener Sache: Lust aufs Wandern bekommen? In unserem Wanderblog finden Sie die besten Wandervorschläge – auch aus dem Kanton Zug.

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