Delegiertenversammlung SVP Schweiz

Masseneinwanderung stoppen, aber ohne «Pariser»

Mit 298 zu 80 Stimmen lehnten die SVP-Delegierten die Ecopop-Initiative ab. Da Resultat ist klar, zeigt aber trotzdem, dass die Initiative bei der Basis viel Rückhalt geniesst. (Bild: Fabian Duss)

Am Samstag tagten in Unterägeri die Delegierten der SVP Schweiz. Mit 298 zu 80 Stimmen folgten sie der Parteileitung und erteilten der Ecopop-Initiative eine Absage – aus wirtschaftlichen und vor allem taktischen Gründen. Auch in der SVP Kanton Luzern scheiden sich die Geister.

Blasmusik, Trychlergruppe, Zuger Kirschtorte, Kinder, die Fruchtbrände verkauften und ein Merchandising-Tisch, an dem man sich reichlich für das nächste Länderspiel der Fussball-Nati eindecken konnte: So wurden am Samstag die SVP-Delegierten in der Aegerihalle in Unterägeri begrüsst.

Deren Versammlungen finden oft da statt, wo sich die Illusion einer monokulturellen Schweiz noch am ehesten aufrecht halten lässt: Auf dem Land. «Trotz der vielen hier ansässigen, international tätigen Firmen ist der Kanton Zug ländlich geblieben und landwirtschaftlich geprägt», versicherte Markus Hürlimann, Präsident der kantonalen SVP den Anwesenden, nachdem die Nationalhymne verstummt war.

In Unterägeri stimmten am 9. Februar knapp 57 Prozent der Wähler der Masseneinwanderungsinitiative zu. Wenig überraschend beschwor Hürlimann den Mythos der Schlacht am Morgarten, wo die Eidgenossen bereits vor 699 Jahren erfolgreich die Freiheit, Unabhängigkeit und Souveränität der Schweiz verteidigt haben sollen.

Heute sind es nach Ansicht der SVP nicht die Habsburger, sondern die Masseneinwanderer, die das Land bedrohen. Wie dagegen vorzugehen ist, darüber scheiden sich seit einiger Zeit die rechten Geister. Die allermeisten Bundesparlamentarier wie auch praktisch der ganze Zentralvorstand der SVP lehnen die sogenannte Ecopop-Initiative ab – wohlwissend, dass diese an der Parteibasis viel Sympathie geniesst. Die frühe Parolenfassung sollte nun etwas Klarheit bringen.

Der Mann für den Zweihänder

Offensichtlich wollte die SVP-Leitung nichts anbrennen lassen und schickte bereits vor der eigentlichen Ecopop-Debatte mit Adrian Amstutz eines ihrer Schwergewichte ans Mikrofon – «unseren Mann für den Zweihänder», wie Tätschmeister Toni Brunner etwas ironisch sagte. Der Berner Nationalrat, Fraktionspräsident im Bundesparlament und Co-Präsident der Masseneinwanderungsinitiative sprach nicht laut, aber bestimmt und eindringlich. Noch bevor er seine Gedanken zur Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative offenbarte, hob er den Mahnfinger: Ein Volks-Nein zur Ecopop-Initiative würde Bundesbern die Chance bieten, die beiden Abstimmungsresultate gegeneinander auszuspielen, warnte er.

Nicht nur das Ständchen der Delegierten zu seinem vierzigsten Geburtstag, sondern auch die eindringlichen Worte von Adrian Amstutz erfreuten Toni Brunner  – und zauberten sogar Bundesrat Ueli Maurer das einzige Lächeln des Tages ins Gesicht.

Nicht nur das Ständchen der Delegierten zu seinem vierzigsten Geburtstag, sondern auch die eindringlichen Worte von Adrian Amstutz erfreuten Toni Brunner – und zauberten sogar Bundesrat Ueli Maurer das einzige Lächeln des Tages ins Gesicht.

(Bild: Fabian Duss)

«Regelrechte Invasion»

Dass die Einwanderung in die Schweiz signifikant zu reduzieren sei, darüber herrschte in der Aegerihalle sicherlich Konsens. «Die Schweiz kann schlicht nicht jedes Jahr 80.000 Zuwanderer neu aufnehmen», sagte der Zuger Nationalrat Thomas Aeschi. Er trat gegen Thomas Zollinger an, seines Zeichens Vorstandsmitglied der Ecopop-Initiative. Dieser sprach von einer «regelrechten Invasion» der Schweiz. Mit der starren Fixierung der Einwanderung auf 0.2 Prozent der ständigen Wohnbevölkerung könnten heute pro Jahr netto maximal 16.000 Personen in die Schweiz einwandern, rechnete Aeschi vor. Wenn man bedenke, dass dieses Limit alleine schon durch die Asylsuchenden ausgeschöpft sei, habe die Wirtschaft kaum noch Möglichkeiten, spezialisierte Fachkräfte aus der EU oder aus Drittstaaten in die Schweiz zu holen. Die Folge wären Arbeitsplatzverlagerungen ins Ausland, so Aeschi.

«Es kann doch nicht unser Ernst sein, jährlich für 300 Millionen Franken in anderen Ländern Pariser zu verteilen»

Roland Rino Büchel, Ecopop-Gegner

 

Zollinger, Präsident der SVP Würenlos, wehrte sich gegen die Ansicht, die Ecopop-Initiative schade der Wirtschaft. «Wir stopfen die Lücken, wo es wirklich nötig ist», rief er in den Saal. Den Import von Tausenden von mehrwertarmen Discounter-Jobs brauche die Schweiz schlichtweg nicht. «Jawohl», raunte es durch die Reihen der Delegierten, gefolgt von grossem Applaus. Noch lauter war dieser, als ein junges SVP-Mitglied von Freunden in Schlieren und Bülach berichtete, «die in der Volksschule von Ausländern gemobbt wurden, weil sie Schweizer waren.» Als Käseschweizer und Rassisten seien sie bezeichnet worden und hätten nun an einer Privatschule Zuflucht gefunden.

Pariser lieber in Deutschland verteilen

Nach mehreren Pro-Ecopop-Voten war es für die Gegner höchste Zeit, die «Pariser» zu thematisieren. Die Initiative verlangt nämlich auch, mindestens zehn Prozent der Entwicklungsgelder in die freiwillige Familienplanung fliessen zu lassen. «Es kann doch nicht unser Ernst sein, jährlich für 300 Millionen Franken in Kongo und anderen Ländern Pariser zu verteilen», schimpfte Roland Rino Büchel. Wenn die Initianten wirklich das Gefühl hätten, mit diesem Instrument die Zuwanderung aufhalten zu können, solle man diese in Deutschland verteilen, so der Nationalrat.

«Wir können keine Querschläger brauchen»

Adrian Amstutz, Nationalrat

Das sass. Ebenso wie die Worte von Adrian Amstutz, der zu Ende der Debatte sicher gehen wollte, dass die Delegierten keinesfalls der Ecopop-Initiative zustimmen würden. «Wir können keine Querschläger brauchen», mahnte er. «Sie schwächen unsere Position bei der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative.» Ein SVP-Ja würde der Landesregierung und den Verlierern des 9. Februar nur in die Hände spielen. «Hören Sie bitte auf, mit dem Feuer zu spielen», so Amstutz.

«Ecopop überspannt den Bogen»

Auf den Beromünstner Anian Liebrand wirkte der Appell nicht. Er wiederholte seinen «Herzensentscheid» des Vortags. Im Zentralvorstand war eine der vier Ja-Stimmen die seinige. An der Delegiertenversammlung verloren die Befürworter mit 80 zu 298. Natürlich sehe er auch die Schwächen der Initiative, erklärte der Präsident der Jungen SVP Schweiz gegenüber zentral+. Aber eben: Manchmal müsse man das Herz entscheiden lassen, nicht die Taktik. Anders der Parteipräsident der SVP des Kantons Luzern, Franz Grüter. «Ecopop überspannt den Bogen», argumentierte er aus Unternehmersicht. Sich der Geburtenkontrolle in Afrika anzunehmen sei zudem illusorisch.

Im Oktober fasst die Luzerner SVP ihre Parole zur Ecopop-Initiative. Liebrand und Grüter wagen unterschiedliche Prognosen. Der Jungpolitiker ist sich sicher, dass «ein grosser Teil» der Delegierten der Ortsparteien der Initiative zustimmen wird. Grüter hingegen prophezeit einen ähnlichen Ausgang wie in Unterägeri. Er selbst werde letztlich «nicht traurig sein», wenn aus der Volksabstimmung Ende November ein hoher Ja-Anteil resultiere. «Das Unwohlsein der Bevölkerung in Sachen Zuwanderung muss zum Ausdruck kommen», sagt er. Ein weiterer Denkzettel an die Regierung, dass in dieser Angelegenheit etwas gehen müsse, könne nicht schaden.

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