Rapper findet zurück zu seinen Wurzeln

Marash Pulaj – der Luzerner wird im Kosovo als Fernsehstar gefeiert

«Als Ausländer, aufgewachsen in einem anderen Land, fühlt man sich wie ein komischer Hybrid», sagt Marash Pulaj (25).

(Bild: ida)

Der Luzerner Rapper Marash Pulaj moderiert seit zwei Jahren eine TV-Sendung des grössten kosovarischen Privatsenders. Kürzlich veröffentlichte er seine erste Single auf Albanisch. Im Kosovo längst als Star gefeiert, findet Pulaj nicht nur zu Ruhm und seinen Wurzeln zurück. Dem Mundart-Rap schwört er dennoch nicht ab.

Bereits bevor die Zeiger der Uhr auf 16 Uhr zeigen, wartet Marash Pulaj beim abgemachten Treffpunkt am Luzerner Torbogen. «Ich bin auf die Minute pünktlich», erzählt der 25-Jährige, als wir uns an die Reuss setzen. «Richtig schweizerisch», fügt er an und trinkt einen Schluck seines Café crème.

Dennoch schwört der Sohn kosovarischer Eltern, der in Kriens aufgewachsen ist, auf seine Wurzeln. Seit zwei Jahren ist er nun im albanischen Fernsehen zu sehen, kürzlich veröffentlichte er seine erste Single auf Albanisch. Und diese trifft auf Anklang: Auf Youtube hat der Song bereits über einer halbe Million Klicks erzielt. «Auf einen Schlag erreichte ich mehr Menschen als in den zehn Jahren zuvor, in denen ich auf Schweizerdeutsch rappte», so Pulaj.

Was Dutzende von Schafen im Musikvideo zu suchen haben

Sechs Jahre rappte Pulaj gemeinsam mit seinem Kollegen David Largier, bekannt unter dem Namen Marash & Dave. Im neusten Song rappt Pulaj mit Kadri Guri alias Katek, welcher im Musikvideo liegend in einer Badewanne inmitten eines Feldes zu sehen ist. Die Wanne ist voll mit Heu, um das sich Dutzende von Schafen geschart haben. Um was geht’s? «Es ist eine Hommage an eine der berühmtesten albanischen Sängerinnen aller Zeiten», klärt Pulaj auf. Der Originalsong von Nexhmije Pagarusha handelt von einer Schafhirtin, die heiratet. Das ganze Dorf ist auf den Beinen, um zu feiern.

Pulaj und sein Kumpel kreierten daraus einen Remix: moderner, traplastiger und um einiges frecher. Sie spielen verloren gegangene Schafe, die ohne ihre Schafshirtin aufgeschmissen sind. Einen traditionellen Song derart neu zu interpretieren – eine mutige Sache. Das weiss auch Pulaj: «Die Leute hätten durchdrehen können.» Doch dies sei nicht eingetroffen. Die Reaktionen aus dem Kosovo seien durchwegs positiv, die Medien wohlgesinnt.

Und so klingt der erste albanische Song von Marash Pulaj:

Stolze Eltern

Für Pulaj war die Single auf Albanisch ein «logischer Schritt». Seit zwei Jahren ist er in der TV-Show «Fol Shqip» zu sehen. «Ich bin quasi der Google Translate der Show», meint er mit einem Lachen. Zu Beginn insbesondere für die Rolle des Übersetzers zuständig, hat er nun seinen festen Platz als Co-Moderator eingenommen. «Fol Shqip» ist die erste Fernsehsendung aus der Diaspora, ausgestrahlt zur Primetime auf «RTV21», dem grössten kosovarischen Privatsender.

Gedreht wird in einem albanischen Nachtclub am Rande der Stadt Luzern. Die Sendung soll den Kosovaren helfen, ihre Verwandten im Ausland besser zu verstehen. «Wir sitzen auf einem Sofa – eigentlich ist es wie bei einem guten Freund zu Hause», so Pulaj. «Wir stellen Menschen, unterhaltsame, aber auch berührende Geschichten vor.»

«Fol Shqip» heisst auf Deutsch «Sprich Albanisch»: Ein Satz, den auch Pulaj während seiner Kindheit und Jugend immer wieder von seinen Eltern hörte. Als Kind hat er nur Albanisch gesprochen, in seiner Jugend nur Deutsch und das Albanische fast verlernt. Nun steht Pulaj inmitten einer albanischen Fernsehsendung. «Meine Eltern sind unheimlich stolz», sagt Pulaj. «Sie ermahnten mich immer, dass ich meine Wurzeln nicht vergesse.»

Den Kosovo aus den Ferien gekannt

Pulaj, der hier geboren wurde, kannte den Kosovo aus den Sommerferien und Erzählungen seiner Eltern. Diese flüchteten in den 90er-Jahren in die Schweiz. Sein Vater war politischer Gefangener, sass als Teenager zwei Jahre lang im Knast, weil er für mehr Rechte der Albaner im serbischen Kosovo einstand, sich politisch engagierte.

«Der albanische Teil meiner Identität drohte im Alltag unterzugehen.»

Marash Pulaj, Luzerner Rapper

Pulaj wurde älter, verreiste lieber mit seinen Kollegen oder heizte auf hiesigen Festivalbühnen ein. Seine Verwandten aus dem Kosovo verlor er beinahe aus den Augen. «Der albanische Teil meiner Identität drohte im Alltag unterzugehen», so die Worte Pulajs. Auch wenn er seine Heimat nie verheimlichte. In seinen Song erwähnte er seine Herkunft, lief während der Sekundarstufe mit T-Shirts, bedruckt mit der Albanien-Flagge, herum.

Marash Pulaj (ganz rechts) mit «Fol Shqip»-Gründer und -Moderator Altin Marku:

Ein «Hybrid», der seine Mischung gefunden hat

Durch die TV-Show habe sich Pulajs Bezug zum Kosovo verstärkt. Seine Cousins luden ihn in Whatsapp-Gruppenchats ein, der Kontakt verfestigte sich.

Er fand nicht nur zu seinen Wurzeln zurück, sondern auch ein Stück weit zu sich selbst. «Als Ausländer, aufgewachsen in einem anderen Land, fühlt man sich wie ein komischer Hybrid.» Zuhause mit den Eltern spricht Pulaj albanisch, ausserhalb des Hauses Deutsch. Im Kosovo fühle er sich wie ein Albaner, der aus der Schweiz kommt, in der Schweiz wie ein Albaner.

«Wenn albanische Folklore läuft, stehe ich auf, klatsche in meine Hände und feiere es total – wie ein richtiger Albaner.»

Marash Pulaj

Entscheiden, ob er nun mehr Schweizer oder Kosovare ist, will und kann Pulaj nicht. Für sich hat er die «perfekte Mischung» gefunden, dass er beides gleichermassen sein darf. «Ich bin ein Extrem auf beide Seiten – und das fühlt sich für mich richtig gut an», so Pulaj.

Typisch schweizerisch sei nicht nur seine Pünktlichkeit: «Auf meinem Handy führe ich unter meinen Notizen eine Traktandenliste, ich plane alles drei Monate im Voraus und verfolge einen Karriereplan. Aber wenn albanische Folklore läuft, stehe ich auf, klatsche in meine Hände und feiere es total – wie ein richtiger Albaner», erzählt Pulaj lachend.

Auf den Strassen erkannt

Gerade von Albanern werde Pulaj des Öfteren erkannt. «Es haben schon Autos neben mir angehalten und das Fenster runtergelassen, während ich mit Kopfhörern auf dem Trottoir lief.» Er werde an den «komischsten Orten», an denen er es nicht erwarte, auf die Fernsehsendung angesprochen.

«Ich bin ein Extrem auf beide Seiten.»

Marash Pulaj

Und gerade auch im Kosovo. Kaum aus dem Flieger in Pristina gestiegen, wird er um Fotos gebeten. Beim Flanieren durch Pristina, der Hauptstadt Kosovos, werde er von fremden Menschen umarmt.

Moderieren, nicht verkatern

Was man als nächstes von Pulaj hören wird; und ob das Deutsch oder Albanisch sein wird oder es künftig etwas Neues von Marash & Dave geben wird, lässt der 25-Jährige offen. Er möchte weiterhin auf Schweizerdeutsch rappen, aber auch auf Albanisch. «Und wenn ich Lust habe, mache ich beides in ein- und demselben Song.» Momentan befindet er sich in der «heiklen Phase», dem letzten Semester seines Publizistik-Studiums an der Uni Zürich. Danach wolle er sich neben seiner Arbeit bei einer PR-Agentur vermehrt wieder auf die Musik konzentrieren.

«Ich scheue weder vor hartem Battle-Rap noch vor einem sanften Popsong zurück», so Pulaj. Aber auch der Fernsehsendung bleibe er treu. Sie gäbe ihm zu viel, um loszulassen: «Und was würde ich denn sonst machen? In den Ausgang gehen und dann verkatert rumliegen?» Er lacht: «Dann moderiere ich lieber eine Sendung.»

Auch Stefan Büsser war zu Gast bei der «Fol Shqip Show»:

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