Interview zum Rückzug aus der Zuger Regierung

Manuela Weichelt: «Ich hab mich wirklich schwer getan mit dem Entscheid»

Zwischen wehmütig und erleichtert: Frau Landammann Manuela Weichelt-Picard bei der Bekanntgabe ihres Verzichts auf eine Wiederwahl.

(Bild: mam)

Aufhören, wenn es am schönsten ist, will Frau Landammann Manuela Weichelt-Picard. Die einzige Frau in der Zuger Regierung und letzte linke Regierungsrätin der Zentralschweiz tritt zu den Wahlen im kommenden Herbst nicht mehr an. zentralplus wollte genauer wissen, weshalb.

«Ich liebe diesen Job», sagt Manuela Weichelt (50) am Montag, als sie ihren Verzicht auf eine erneute Kandidatur für den Zuger Regierungsrat bekannt gibt. «Ich könnte ihn problemlos bis siebzig machen.»

«Es war immer klar, dass es auch ein Leben nach dem Regierungsrat gibt, denn ich bin 2006 jung gewählt worden.»

Sie begann in der Frischen Brise

Ihr politisches Leben begann Manuela Weichelt auf einer bunten Liste: Für die Frische Brise Steinhausen zog sie 1994 in den Zuger Kantonsrat ein, dem sie bis 2002 angehörte. Die Kleinpartei fusionierte mit anderen linksgrünen Gruppierungen zur Zuger Alternative – die Grünen. Weichelt war 2006/2007 ihre erste Präsidentin. 2006 wurde sie 39-jährig in den Zuger Regierungsrat gewählt, ab 2010 war sie die einzige Frau und Vertreterin der Linken im Gremium. Sie führt die Direktion des Innern.

Mehr Zeit für die Familie, wird etwas sein, was sie schätzen wird. Was aber offenbar nicht ausschlaggebend für ihren Rücktritt ist. Ihre ältere Tochter, die rebelliert und im Teenageralter ist, habe bereits die Befürchtung geäussert, sie könnte künftig zu viel Zeit zu Hause verbringen. Und ihre jüngere Tochter meinte, sie kenne nichts anderes. «Als ich geboren wurde, warst du schon in der Regierung», habe sie ihr gesagt, erzählt Manuela Weichelt.

Im Gespräch erläutert sie, dass sie lange mit sich gerungen habe. Sie sagt, dass es «nicht vernünftig» sei, noch eine Amtsperiode als Regierungsrätin anzustreben. Eine Kopfentscheidung gegen das Bauchgefühl also?

zentralplus: Frau Landammann, sind Sie nach zwölf Jahren in der Regierung amtsmüde?

Manuela Weichelt: Nein, das Regierungsratsamt bereitet mir nach wie vor grosse Freude. Aber ich werde im Sommer 51 Jahre alt. Und es ist besser, den nächsten Lebensabschnitt jetzt zu planen, als erst mit 55. Es war für mich immer klar, dass es auch ein Leben nach dem Regierungsrat gibt, denn ich bin 2006 relativ jung gewählt worden. Aber natürlich bedeutet das Leben als Regierungsrätin, jeden Tag früh morgens aus dem Haus zu gehen und abends spät, manchmal erst gegen Mitternacht heimzukommen. Ich werde es sicher geniessen, 2019 wieder den einen oder andern Abend und die Wochenenden im Kreis meiner Familie verbringen zu können.

zentralplus: Sie waren während zwei Amtsperioden die einzige Linke, die sich in der Regierung mit einer Übermacht von sechs Bürgerlichen herumschlagen musste. Ist das nicht frustrierend?

«Das Leben als Regierungsrätin bedeutet früh morgens aus dem Haus zu gehen und sehr spät abends heimzukommen.»

Weichelt: Nein, als linke Politikerin weiss man, was auf einen zukommt. Damit muss man umgehen können. Auch im Kantonsparlament sind die Bürgerlichen in der Mehrheit. Es war also keine neue Situation. Aber die Arbeit ist sicherlich etwas anstrengender und anspruchsvoller als in einer Konstellation, in der man Kolleginnen und Kollegen aus der gleichen politischen Heimat hat.

zentralplus: Sie kommen eben aus den Ferien zurück. Haben Sie den Entscheid im Urlaub getroffen?

Weichelt: Ja. Aber die Frage hat mich schon lange beschäftigt. Ich hab mich wirklich schwer getan mit dem Entscheid. Und ich war hin- und hergerissen. An einem Tag wollte ich als Regierungsrätin weitermachen, war überzeugt, dass ich zur Wahl antreten wollte. Dann wiederum sagte ich mir: Es ist klüger und sinnvoller, jetzt eine neue berufliche Herausforderung zu suchen. Als Frau Landammann, auf dem Höhepunkt meiner politischen Karriere, das Kapitel Regierungsrat abzuschliessen, ist ein idealer Zeitpunkt.

zentralplus: Sie gelten als sehr fleissige Magistratin, die sich oft noch spätabends dem Aktenstudium im Büro widmet. Werden Sie Ihre Arbeit denn nicht vermissen?

Weichelt: Ganz bestimmt werde ich das, auch meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Aber ich bin zuversichtlich, dass ich eine andere Aufgabe finde, die mich ausfüllt und begeistert.

«Besonders wichtig ist mir der Asylbereich.»

zentralplus: Sie wurden in den vergangenen Jahren als einzige Linke in der Regierung immer wieder hart angegriffen – von politischen Gegnern und von der lokalen Tageszeitung. Erst in der letzten Zeit ist es ein wenig ruhiger geworden …

Weichelt: Das stimmt. Eine Wiederwahl wäre diesmal wohl leichter gewesen als vor vier oder acht Jahren. Aber von Zeit zu Zeit braucht es in der Politik personelle Wechsel.

zentralplus: Haben Sie nicht das Gefühl, Ihre Partei in eine schwierige Situation bezüglich Nachfolge und Sitzverteidigung gebracht zu haben?

Weichelt: Nein, denn die Alternativen – die Grünen verfügen über viele hervorragende Köpfe. Diese haben nun eine Chance, die grüne Vertretung im Regierungsrat weiterzuführen. Die grünen Erfolge bei den Stadtratswahlen in Zürich, den Regierungsratswahlen in Bern und zuletzt bei den Wahlen im Kanton Genf stimmen mich äusserst positiv. Der grüne Höhenflug wird auch bei uns weitergehen.

Nachdenklich im Kantonsrat: Manuela Weichelt-Picard.

Nachdenklich im Kantonsrat: Manuela Weichelt-Picard.

(Bild: Killian Bannwart)

zentralplus: Was tun Sie in Zukunft?

Weichelt: Ich weiss es noch nicht. Mit all den politischen und gesellschaftlichen Verpflichtungen im Moment komme ich nicht einmal dazu, mir Gedanken zu machen, was mir gefallen könnte. Ich werde ab Januar 2019 eine Auszeit nehmen und mir alles gründlich und in Ruhe überlegen. Darauf freue ich mich. Aber ich habe keine konkreten Angebote auf dem Tisch liegen oder Pläne, die ich verfolge.

zentralplus: Ziehen Sie sich aus der Politik zurück? Oder wäre die Wahl in den National- oder Ständerat ein Thema für Sie?

Weichelt: Wie gesagt: Das werde ich mir alles im neuen Jahr überlegen. Im Moment habe ich noch einige Projekte, die ich im Regierungsrat zum Abschluss bringen werde.

«Als ich die Direktion übernahm, hatten wir im Kader einen Frauenanteil von Null. Jetzt liegt er bei 50 Prozent.»

zentralplus: Welche?

Weichelt: Ich möchte im Präsidialjahr die politischen und digitalen Strategien der Regierung umsetzen. In der Direktion des Innern beschäftigt uns das Projekt InBeZug, bei dem es um Finanzierungsfragen und die bessere Einbindung im Behindertenbereich geht. Die Inventarisierung der potentiell schützenswerten Denkmäler werde ich zu Ende führen. Dann werde ich die historische Untersuchung der sozialen Fürsorge im Kanton Zug in die Wege leiten, bei der es ums Thema der Heim- und Verdingkinder geht. Ausserdem erstellen wir ein Kataster über die öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen und überarbeiten die Naturgefahrenkarte in mehreren Gemeinden.

zentralplus: Wenn Sie auf die vergangenen zwölf Jahre zurückblicken: Gab es einen besonderen Schwerpunkt bei Ihrer Arbeit?

Weichelt: Besonders wichtig war mir der Asylbereich. Dann haben wir uns im Lauf der Jahre mit einer eine Reihe wichtiger Gesetze befasst – dem Geoinformationsgesetz, dem Wahl- und Abstimmungsgesetz, dem Bürgerrechtsgesetz, dem Waldgesetz. Und neue Strukturen im Kindes- und Erwachsenenschutz aufgebaut. Stolz bin ich auf meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Verwaltung: Als ich die Direktion übernahm, hatten wir im Kader einen Frauenanteil von Null. Jetzt liegt er bei 50 Prozent.

zentralplus: Welche Herausforderungen werden für Ihre Nachfolger wichtig?

Weichelt: Da gibt es so viele. Ich überlasse es aber meiner Nachfolgerin oder meinem Nachfolger, die entsprechenden Prioritäten zu setzen.

zentralplus: Die Zuger Regierung will für die Zukunft eine Mobilitätsstrategie entwickeln. Worauf sollte sie da achten?

Weichelt: Darauf, dem Langsamverkehr einen grösseren Stellenwert einzuräumen, Velofahrern und Fussgängern mehr Beachtung zu schenken. Wenn man die verschiedenen Verkehrsträger besser vernetzt, den technologischen Fortschritt berücksichtigt und ausserdem die Arbeit im Homeoffice fördert, wirkt sich dies ebenfalls positiv auf die Mobilität aus. Gerade im kleinen Kanton Zug sind die Wege ja eigentlich sehr kurz.

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