39-Jähriger vor Luzerner Kriminalgericht

Mann bedrohte und schlug mehrere Frauen – bis ein Schuss fiel

Der Beschuldigte passte seine Ex-Freundin mehrmals vor ihrer Wohnung ab. (Symbolbild: Emanuel Ammon/Aura)

Ein 39-jähriger Mann soll seine Ex-Freundin in Luzern mehrmals geschlagen, mit einer Pistole bedroht und in ihrer Wohnung eingesperrt haben. Auch zwei weiteren Frauen setzte er zu – einmal feuerte er gar einen Schuss ab. Dafür soll er fünf Jahre ins Gefängnis.

Er hielt seiner Ex-Partnerin eine Pistole an den Kopf. Zwang sie in die Knie. Und liess sie mehrmals sagen: «Ich liebe dich, ich bin dir immer treu, ich werde dich nie verlassen.»

So zumindest schildert es die Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift. Es handelt sich um einen besonders heftigen Fall von häuslicher Gewalt, der diesen Donnerstag am Luzerner Kriminalgericht verhandelt wird. Ein 39-jähriger Kosovare soll seine ehemalige Partnerin sowie später zwei weitere Frauen bedroht und geschlagen haben.

Das Ausmass macht die Liste der Tatbestände in der Anklageschrift deutlich: mehrfache Gefährdung des Lebens, mehrfache Nötigung, mehrfache einfache Körperverletzung, Freiheitsberaubung und versuchte Entführung, Hausfriedensbruch sowie mehrfache Widerhandlungen gegen das Waffen- und gegen das Betäubungsmittelgesetz.

Gemeinsame Tochter

Angefangen hatte alles vor acht Jahren, als der Mann seine zukünftige Partnerin kennenlernte. Bereits im Jahr darauf zogen die beiden in Luzern zusammen. 2013 kam die gemeinsame Tochter zur Welt. Doch nur wenige Monate nach der Geburt trennte sich das Paar.

Denn bereits während der Beziehung soll der 39-Jährige seine Partnerin geschlagen haben. Anfänglich aus scheinbar unbedeutendem Anlass. Seine Freundin erkundigte sich laut Anklageschrift bei einem Bekannten, was die Autoreparatur kosten würde, die der Beschuldigte an ihrem Auto ausführte. Das machte ihn so rasend, dass er ihr zuhause einen Faustschlag versetzte. Trotz Schmerzen zwang er sie, zur Arbeit zu gehen. Noch am selben Tag suchte er sie an ihrem Arbeitsort, einer Bar in Luzern, auf und schlug sie erneut. Später hielt er ihr in seiner Garage die Flamme eines Gasbrenners vors Gesicht, bis sie vor Schmerzen und Angst zu schreien begann.

Auch als sie später schwanger war, sei er nicht davor zurückgeschreckt, sie an die Wand zu drücken und mit einem Messer zu bedrohen. Als die Beziehung auseinanderbrach, kam es zur eingangs geschilderten Tat, in der der Mann seine Ex mit einer Pistole bedrohte und ihr riet, ja nicht die Polizei zu informieren.

Der Beschuldigte, der seit Sommer 2015 im Gefängnis sitzt, bestreitet diese Sachverhalte laut Anklageschrift.

Todesdrohung «nicht ernst gemeint»

Anders als bei späteren Ereignissen, wo er zumindest einen Teil der Vorfälle gestanden hat. So räumte er zum Beispiel ein, dass er im Frühling 2015 seine Ex-Freundin nachts in ihrer Wohnung besucht und sie gepackt und geschüttelt habe. Geschlagen habe er sie aber nicht.

Ganz anders schildert dies die Staatsanwaltschaft. Der Beschuldigte habe die Frau ins Gesicht geschlagen, nachdem er nach langem Warten in der Kälte frühmorgens um 6 Uhr endlich ins Haus gelangte. Als die Frau am selben Tag in ihre Wohnung zurückkehrte, sei er immer noch da gewesen. Aus Angst vor einer Eskalation habe sie erst am nächsten Tag die Polizei informiert. Was ihrem Ex gar nicht gefiel, wie sich später zeigen sollte.

Nur zwei Wochen später stand er wieder vor ihrer Tür. Er habe am Telefon gedroht, sie umzubringen, falls sie die Türe nicht öffne. Der Beschuldigte gibt zu, dass er an jenem Tag bei seiner Ex-Freundin war. Er habe knapp 6300 Franken Bargeld abholen wollen, das er ihr zur Aufbewahrung gegeben habe. Er gestand auch, dass er ihr mit dem Tod drohte – er habe dies aber nicht ernst gemeint.

Eskalation rund um Kita

Richtiggehend eskaliert ist die Lage einen Monat später. Erneut machte der Mann seiner Ex-Freundin am Morgen vor ihrer Tür die Aufwartung. Diesmal packte er sie am Hals, stiess sie zurück in die Wohnung und zückte eine Pistole – die er illegal besass. Die Waffe richtete er nicht auf die Frau, sondern fragte lediglich: «Wo ist jetzt deine Polizei? Wer kann dir jetzt helfen?» 

Danach schloss er die Türe von innen ab und nahm ihr das Mobiltelefon weg, damit sie nicht Hilfe rufen konnte. Als die Frau ihn darauf aufmerksam machte, dass die gemeinsame anderthalbjährige Tochter in die Kita müsse, verliess die ganze Familie die Wohnung. Er sei seiner Ex auf dem Weg nicht von der Seite gewichen, heisst es in der Anklageschrift. Aus Angst, dass er durchdrehen und jemanden verletzen könnte, blieb sie still.

Nachdem sie die Tochter in der Kita abgegeben hatten, kreuzte ein Kollege des Beschuldigten mit dem Auto auf. Die Frau sollte zum Einsteigen gezwungen werden. Als sie zu schreien begann, fuhr der Kollege mit dem Auto davon. Ihr Ex-Partner blieb – und «umarmte» sie, sodass sie nicht wegrennen konnte. Zurück in der Wohnung, schloss er wiederum von innen ab.

Erst nach dem Mittag verschwand der mutmassliche Täter. Gemäss seinen eigenen Aussagen wollte er bei seiner Ex Bargeld abholen. Er habe ihr gesagt, dass er nicht gehe, bevor er das Geld zurück habe. Seine Ex-Partnerin habe ihm 5300 Franken überreicht, woraufhin er die Wohnung verlassen habe.

Schuss im Zimmer

Vor Gericht verantworten muss sich der Kosovare auch wegen zweier Vorfällen im Zusammenhang mit zwei anderen Opfern. Im August 2015 soll er eine Frau geschlagen haben, die bei ihm zuhause Kokain kaufte. Laut Anklageschrift lehnte sie es ab, mit ihm «etwas anzufangen». Danach kam es zum tätlichen Streit. Gemäss seinen Aussagen, weil die Frau ihm Kokain aus der Nachttischschublade gestohlen habe. Als sie fliehen wollte, warf er sie auf den Boden, hielt ihr einen Fuss auf die Kehle und drohte ihr, sie umzubringen. Durch Schreie kamen Nachbarn herbei und zogen den Mann weg. Er bestreitet die Schilderung.

Nur zwei Tage später kam es erneut zu einem Streit, diesmal mit einer Frau, die in seinem Zimmer übernachtete – und ein überaus böses Erwachen erlebte. Denn als sie die Augen aufschlug, kniete er über ihr und schlug sie mit der Hand ins Gesicht. Auch in diesem Fall, weil sie ihm angeblich Kokain gestohlen hat. Durch den Lärm alarmiert, eilte ein Nachbar herbei und versuchte zu schlichten, diesmal erfolglos. Der Beschuldigte hielt der Frau eine Pistole an die Schläfe – und feuerte unmittelbar danach einen Schuss gegen die Zimmerdecke ab. Damit hat er laut Staatsanwaltschaft lebensbedrohliche Verletzungen der Anwesenden in Kauf genommen. Der Angeklagte bestreitet die Vorwürfe, räumt aber ein, dass es wegen des angeblichen Diebstahls zu einem Streit gekommen sei.

Staatsanwaltschaft fordert fünf Jahre Haft

Seit der Verhaftung am selben Tag ist der Angeklagte nicht mehr auf freiem Fuss. Nach über anderthalb Jahren in Untersuchungshaft kam er im April 2017 in den vorzeitigen Strafvollzug. Eine lange Zeit. In Anbetracht von mehreren Vorstrafen und der schlechten Prognose drohe ihm aber noch lange keine Überhaft, rechtfertigt die Staatsanwaltschaft.

Wie lange er noch in Haft bleiben wird, muss diesen Donnerstag das Kriminalgericht entscheiden. Die Staatsanwaltschaft fordert eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren. Aus forensischer Sicht müsse von einem sehr hohen Rückfallrisiko gesprochen werden.

Die Verteidigung wird ihren Antrag diesen Donnerstag vor Gericht vorbringen. zentralplus wird am Nachmittag darüber berichten.

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