Luzerner Kultur-Sender

«Man muss ein bisschen grössenwahnsinnig sein»

Managing Director Sebastian Aenishänslin im Büro von CHTV am Löwenplatz in Luzern. (Bild: cha)

Seit etwas mehr als einem Jahr ist der Luzerner Kultur-Sender CHTV auf Sendung. Und hat Erfolg: Er wurde nach und nach in alle namhaften Pay-TV’s aufgenommen – vor rund einer Woche hat er nun die letzte Hürde geschafft und ist bei UPC Cablecom gelandet. Grund für den Erfolg? Man müsse ein bisschen «grössenwahnsinnig» sein, sagt der Managing Director bei CHTV.

In einem Büro am Löwenplatz in Luzern sitzt eine Hand voll junger Kreativköpfe, um dem Schweizer Fernsehpublikum Kultur zu bieten. Mit aussergewöhnlichen Formaten will der Sender Zuschauer ansprechen, die in Programmlisten der etablierten Sendern nicht zu finden sind. CHTV ist der Versuch, mit wenig Mitteln eine Lücke in der Schweizer Fernsehlandschaft zu schliessen.

Die Geburtsstunde des Senders war vor rund drei Jahren. «Damals hiess das Projekt noch Schweizer Kultur-Fernsehen (SKF). Zwar heissen wir heute anders, aber wir fahren noch immer auf der Kulturschiene», erklärt Sebastian Aenishänslin, Managing Director bei CHTV. Er wisse zwar, dass Kultur im Werbemarkt enorm schlecht ankomme, was den Sender vor einige Probleme stelle. «Uns ist jedoch auch bewusst, dass das Thema Kultur bei den Zuschauern hingegen extrem gut ankommt.» Der Sender fokussiert sich dabei auf alternative Kultur, beispielsweise vertreten durch Graffiti-Künstler, Maler oder Musiker.

«Heute ist es möglich, mit einfachen Mitteln und Gerätschaften einen Fernsehsender zu betreiben», sagt Aenishänslin. Finanziert wird CHTV über die AE Group Holding, ein Familienunternehmen seiner Eltern. «Der Vorteil als Familienunternehmen ist, dass Dinge wie Wachstum eher zweitrangig sind. Das gibt uns die Freiheit, das zu zeigen, was andere Sender nicht bringen», erklärt Sebastian Aenishänslin. Er will mit seinem Sender eine Zielgruppe erreichen, die seiner Ansicht nach mit den vorhandenen Fernsehsendern vernachlässigt werde. «Pro7 spricht Ältere an. RTL genauso. Während JOIZ sich auf ein sehr junges Publikum konzentriert, wollen wir die Zuschauer dazwischen – die Altersgruppe der 19- bis 35-Jährigen – erreichen.»

«Es gibt viele echte Stories von Menschen, die spannend sind»

Mit der Programmvielfalt der deutschsprachigen Fernsehsendern kann er sich nicht wirklich anfreunden: «Das Fernsehen ist immer dasselbe. Die ganze Zeit diese ‹Reality-Shows›. Ich verstehe nicht, weshalb man dauernd das reale Leben ‹faken› muss, um es danach ‹Reality-TV› zu nennen. Denn schliesslich gibt es so viele echte Stories von Menschen, die extrem spannend sind. Fernsehen war früher ein Medium, das informiert hat. Heute wird das Programm von Unterhaltung dominiert, was den Zuschauern ermöglichen soll, vom Alltag abzuschalten – gedanklich in eine andere Welt zu flüchten», erklärt Sebastian Aenishänslin.

Dabei wolle sich der Sender nicht in Richtung Arte oder 3Sat bewegen, sagt Sebastian Aenishänslin und präzisiert: «Wir wollen diese Thematik anders darstellen. Beispielsweise mit Sendungen wie ‹Vandal Art›. Ein Thema, das sonst niemand wirklich aufnimmt.» Darin werden Graffiti-Künstler porträtiert, die mit ihrer Kunst gemäss unseren Gesetzen Vandalismus betreiben. «Das Interesse dafür ist enorm. Wir finden, dass man offen für solche Thematiken sein muss. Auch wenn es Vandalismus ist.» Auch lokalen Kunstschaffenden bietet CHTV eine Plattform. Mit dem Format «Session vom Dach» beispielsweise strahlt der Sender Konzerte von Musikern aus, die auf einem «Dachstudio» mitten in der Stadt Luzern aufgenommen werden.

CHTV habe sich seit dessen Sendestart vor rund einem Jahr stetig weiterentwickelt. Aenishänslin erklärt: «Das Ganze wurde zur Mischung von Unterhaltung und Kultur. Wir versuchen ebenfalls mit Themen wie Gesellschaft und Musik eine Programmvielfalt zu erreichen.» Gerade die Musik nimmt im Programm des Senders eine wichtige Rolle ein. «‹CHTV-Acoustic› ist eine Sendung, in der einmal im Monat ein bekannter Künstler auftritt. Das Highlight bisher war die Musikerin Caroline Chevin.» Nebst den grösseren Namen wolle CHTV aber auch unbekannteren Musikern, die quasi «auf dem Sprung» seien, eine Plattform bieten. «Zu weiteren Produktionen gehören die Formate KultSchweiz und Atelier. Diese erscheinen wöchentlich und sind gänzlich eigenproduzierte Sendungen», sagt Aenishänslin.

«Jeder macht ein bisschen von allem»

«Insgesamt produzieren wir am Tag immerhin zwei Stunden Material», erklärt Sebastian Aenishänslin. Eine beachtliche Zahl, wenn man bedenkt, dass das schätzungsweise 14 Quadratmeter grosse Büro gerade mal fünf Festangestellte beschäftigt. «Diese Eigenleistungen können wir mit den niedrigen personellen Ressourcen produzieren, weil hier viele multitasking-fähig sind. Jeder macht ein bisschen von allem.»

Einer dieser vielseitigen Mitarbeiter ist Claudio Bomio. «Ich arbeite bei CHTV seit November 2012 und helfe als Art Director aus», erklärt er. Bomio er- und bearbeite für den Sender jedoch Inhalt mit diversen Tätigkeiten, wie Übersetzen, Schneiden und Moderieren. Zu seiner Motivation, beim Sender mitzuwirken, sagt Claudio Bomio: «Ich finde CHTV ein super Projekt. Das Fernsehprogramm anderer Sender wird dominiert von belanglosen Formaten. Unser Sender ist anders und hat viel Potenzial.»

CHTV ist neu auch bei UPC Cablecom

Mit 50’000 bis 60’000 Zuschauern am Tag scheint das Konzept von Aenishänslin aufzugehen: «Diese Zuschauerzahlen sind grossartig», sagt er stolz. Vor kurzem schaffte es der Sender nach einigen Verzögerungen auch noch ins Netzwerk von UPC Cablecom. «Wir hätten eigentlich am 3. Juni dort ins Programm aufgenommen werden sollen. Aus diversen Gründen verzögerte sich dieser Schritt jedoch.» Mit Blick auf das Konzept und den wachsenden Erfolg von CHTV sagt Aenishänslin zum Abschluss: «Wir sind daran, die Schweiz auf eine kulturelle Ebene zurückzubringen.»

 

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