Salle-Modulable-Brief: Parlament schwenkt um

«Man kann dem auch Erpressung sagen»

Eine Fotomontage, wie die Salle Modulable am Motorboothafen wirken könnte. Daneben der Brief der Stiftung Salle Modulable. (Bild: zvg/Montage zentralplus)

Mit einem Brief versucht die Stiftung Salle Modulable, die Stadtparlamentarier auf den Standort Inseli zu behaften. Das kommt nicht gut an, scheint aber zu wirken, wie unsere Umfrage zeigt. Allerdings könnte es sehr knapp werden.

Die Stiftung Salle Modulable, die in Luzern ein neues Musiktheater vorantreiben will, hat allen Grossstadträtinnen und Grossstadträten einen Brief geschrieben, das berichtete zentralplus am Montag. Darin warnt die Stiftung vor der Annahme eines Postulats von Grossstadtrat Urban Frye. Darin fordert der Grüne Politiker, dass auch der Motorboothafen als möglicher Standort für die Salle Modulable dem Volk zur Abstimmung vorgelegt werden soll. So will Frye verhindern, dass man nach einer möglichen Ablehnung des Standorts Inseli vor einem Scherbenhaufen steht (zentralplus berichtete).

Die Stiftung Salle Modulable jedoch ist nicht einverstanden: In ihrem Brief schreibt sie den Räten, dass eine Annahme des Postulats die 80-Millionen-Schenkung «hinfällig» machen würde: Diese sei an den Standort Inseli gebunden, weil jegliche Abklärungen für einen anderen Standort weitere Verzögerungen bedeuten würden, und damit das Scheitern des Projekts.

Was meinen die Fraktionen im Grossstadtrat zum Brief? Lassen sie sich von der Stiftung Salle Modulable umstimmen? Die Räte werden am Donnerstag über das Postulat entscheiden. zentralplus hat nachgefragt – tatsächlich scheint der Brief ein Umdenken bewirkt zu haben.

SVP

«Die SVP-Fraktion war für ein solches Postulat offen», sagt Fraktionschef Marcel Lingg. Man habe den Motorboothafen als eine Art Hintertürchen gesehen, falls das Inseli keine Mehrheit finde, sagt Lingg: «Wenn die Stiftung nun allerdings kommuniziert, dass das 80-Millionen-Geschenk damit hinfällig werde, dann erübrigt sich jegliche Diskussion um den Standort Motorboothafen.»

Dass er sich damit von der Stiftung Salle Modulable erpressen lasse, verneint Lingg: «Wenn jemand ein Testament beziehungsweise Vermächtnis aufsetzt, ist es ihm frei, das an Bedingungen zu knüpfen.» Lingg hofft allerdings, an der Ratssitzung vom Donnerstag vom Stadtrat handfeste Informationen geliefert zu bekommen: «Ich will klare Antworten sehen, wieso die Auflagen der Schenkung beim Bootshafen nicht mehr erfüllt sein sollten.»

Wie man abstimmt, werde die Fraktion erst am Donnerstag absprechen, so Lingg. Eine einheitliche SVP-Position zum Postulat werde es «eher nicht» geben. Will heissen: Innerhalb der SVP gibt es offenbar verschiedene Ansichten zum Postulat Motorboothafen. Einige Grossstadträte der SVP werden dem linken Vorstoss voraussichtlich trotz Brief zustimmen.

Grünliberale

Die Grünliberalen wären einer Salle Modulable beim Motorboothafen und damit dem Postulat ebenfalls nicht abgeneigt, meint Fraktionschef András Özvegyi: «Wir sind offen für eine gute Lösung.» Wenn der Trust nun aber sage, dass dies die Salle Modulable gefährde, werde man dem Postulat, diesen Standort auch noch zu prüfen, wohl nicht zustimmen: «Wir wollen die Salle Modulable nicht versenken.» Die GLP-Grossstadträte beraten sich erst vor der Sitzung am Donnerstag zum Postulat.

Auch Özvegyi findet es legitim, dass eine Schenkung an Bedingungen geknüpft ist. Allerdings lässt er durchblicken, dass er von der sturen Position der Stiftung nicht begeistert ist: «Man kann dem auch Erpressung sagen.»

CVP

Die CVP hat das Postulat noch nicht besprochen. Man werde an der Fraktionssitzung vom Dienstagabend eine Haltung definieren, sagt Fraktionschefin Franziska Bitzi Staub: «Ich persönlich bin gegen jegliche Verzögerungen, die das Geschenk hinfällig machen könnten.» Auch CVP-Grossstadtrat Albert Schwarzenbach hatte sich vorletzte Woche dem Postulat gegenüber skeptisch gezeigt.

Die Fraktion werde sich um eine einheitliche Position bemühen, so Bitzi. Damit scheint absehbar, dass die CVP das Postulat wohl nicht überweisen will.

FDP

FDP-Fraktionschefin Sonia Döbeli Stirnemann ist persönlich «sehr hin- und hergerissen», ob sie am Donnerstag die Motion der Linken unterstützen soll oder nicht. Auch ihre Fraktion entscheidet erst vor der Sitzung am Donnerstag. Einerseits fände sie es wichtig, bei einem allfälligen Volks-Nein zum Inseli einen Plan B zu haben, meint Döbeli. «Andererseits wollen wir die Salle Modulable nicht begraben, ohne dass die Bevölkerung mitreden kann.»

Auch wenn der Brief der Stiftung Salle Modulable nicht gerade einem «mustergültigen demokratischen Vorgehen» entspreche, lasse sich die FDP nicht erpressen. Döbeli fragt rhetorisch: «Fänden Sie es besser, die Salle zu begraben, bevor die Bevölkerung abstimmen kann?»

Wie die CVP will auch die FDP zur Motorboothafen-Motion geschlossen abstimmen. Döbeli: «Wir diskutieren, bis wir einen gemeinsamen Nenner finden.»

SP und Grüne

SP und Grüne stehen geschlossen hinter dem dringlichen Postulat des Grünen Grossstadtrats Urban Frye. Das bestätigt Frye auf Anfrage. Der Vorstoss hat 19 Stimmen im 48-köpfigen Parlament auf sicher. Dass sein Vorstoss die Salle Modulable schon diese Woche definitiv versenken würde, verneint  Frye: «Wir haben sehr bewusst nur ein Postulat und keine Motion eingereicht.» Ein Postulat, wenn es denn vom Parlament überwiesen wird, ist eine Anregung, eine Änderung zu prüfen. Bei einer Motion hingegen handelt es sich um einen parlamentarischen Auftrag zur Umsetzung an die Stadtregierung.

Frye findet deshalb, eine Überweisung müsse nicht in jedem Fall das Ende der Salle Modulable bedeuten: «Wir haben nie gesagt, dass man nun noch einen zweiten Standort ausarbeiten und planen muss. Wenn der Stadtrat kreativ ist, kann er bei der Abstimmung etwa fragen, ob im Falle einer Ablehnung des Inselis der Motorboothafen zum Zug kommen soll.» Allerdings müsse man das Theater am Motorboothafen dann aber wohl tatsächlich ohne Geld aus Bermuda bezahlen.

Fazit

Es wird sehr knapp am Donnerstag. Die Linken brauchen sechs Stimmen aus dem bürgerlichen Lager. Heute sieht es so aus, als ob CVP, FDP, GLP und Teile der SVP bei ihren Wählern nicht als Totengräber der Salle Modulable dastehen wollen und den Bedingungen der Stiftung gehorchen. Wenn CVP, FDP und GLP sich tatsächlich je auf ein geschlossenes «Nein» festlegen und wenn Marcel Lingg nicht der Einzige der sieben SVP-Grossstadträte ist, der ablehnt, dürfte das Postulat von Urban Frye knapp scheitern.

Kanton hofft auf «gute Fortführung»

Ob eine Überweisung des Postulats tatsächlich das Ende der Salle Modulable wäre, dazu wollte sich der zuständige Regierungsrat, Bildungs- und Kulturdirektor Reto Wyss, nicht äussern. Auf Anfrage schreibt er: «Es ist Aufgabe des Stadtrates, die Auswirkungen dieses dringlichen Postulats richtig einzuschätzen. Ich werde die Diskussion im Grossen Stadtrat aufmerksam verfolgen und hoffe auf einen Entscheid, der eine gute Fortführung des Projekts ermöglicht.» Der Stadtrat wird seine Position am Donnerstag kundtun (siehe Haupttext).

Eine Unbekannte in dieser Gleichung ist die Position der Stadtregierung. Wenn der Stadtrat etwa, anders als die Stiftung Salle Modulable, zum Schluss kommen sollte, dass man das Musiktheater auch am Motorboothafen realisieren könnte, dürften auch viele bürgerliche Räte umschwenken. Dieses Szenario scheint jedoch unrealistisch. Der Stadtrat wird seine Position an der Sitzung vom Donnerstag kundtun.

Spätestens wenn die Stadtbevölkerung am 27. November das Inseli ablehnt, wird der Motorboothafen jedoch wieder auf den Tisch kommen, kündet Urban Frye an: «Am ersten Tag nach einer allfälligen Ablehnung des Inseli werde ich einen neuen Vorstoss einreichen und den Stadtrat auffordern, unverzüglich die Planung für ein neues Theater aufzunehmen.»

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1 Kommentar
  • Profilfoto von BeatStocker
    BeatStocker, 18.05.2016, 13:17 Uhr

    BUERGERLICHER GRUNDLAGENIRRTUM
    Wie können freiheitlich-demokratische bürgerliche Parteien Bedingungen gehorchen, die sie nicht einmal kennen? Dürrenmatt grüßt (Der Besuch des Herrn E.). Der Standort Motorboothafen/Alpenquai ist ja in der Machbarkeitsstudie enthalten! Also muss er die Minimalbedingungen erfüllen, sonst hätte die Machbarkeitsstudie ihn nicht enthalten. Die Erpressbarkeit des Stadtrats ist erbärmlich, aber korrigierbar. Die Gretchenfrage ist immer noch unbeantwortet: wie lauten die Minimalbedingungen konkret?

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