Neues Denkmalschutzgesetz: Zug rechnet mit Riesenaufwand

«Man kann auch in Zukunft nicht einfach mit dem Bagger auffahren»

Stefan Hochuli, Leiter Amt für Denkmalpflege und Archäologie (links), Andreas Hostettler, Direktor des Innern (FDP) und Franziska Kaiser, Zuger Denkmalpflegerin am Abstimmungssonntag. (Bild: mam)

Eigentümer von erhaltenswerten Bauten bekommen im Kanton Zug mehr Rechte. Damit gelangt vieles auf den Prüfstand. Der Kanton, Gegner und Befürworter des neuen Gesetzes sind aber auch glücklich, dass nun ein langer Streit sein Ende findet.

«Viele Leute waren wohl nicht nur mit dem bisherigen Gesetz unglücklich, sondern auch mit der Amtsführung der früheren Regierungsrätin» sagt Peter Letter, Ökonom und FDP-Kantonsparlamentarier aus Oberägeri, am Sonntag an einer Medienkonferenz über den Ausgang der Abstimmung übers neue Zuger Denkmalschutzgesetz.

Letter, einer der Verfechter eines gelockerten Denkmalschutzes, spielt auf Manuela Weichelt (ALG) an, die mittlerweile von Andreas Hostettler (FDP) beerbt wurde und deren Chefbeamte die Denkmalschutzbestimmungen in den ersten Jahren ihrer Regierungstätigkeit sehr strikt ausgelegt hatten. 

Klar ist: Weniger Objekte erhalten Schutz

«Der Ausgang der Abstimmung ist eindeutig», sagte Andreas Hostettler. Knapp zwei Drittel der Stimmenden haben zum neuen Denkmalgesetz Ja gesagt (zentralplus berichtete). Und somit das Zuger Kantonsparlament bestätigt, «welches eindeutig will, dass in Zukunft weniger Objekte unter Schutz gestellt werden».

«In Zukunft sollen eindeutig weniger Objekte unter Schutz gestellt werden.»

Andreas Hostettler (FDP), Direktor des Innern, Kanton Zug

Die systematische Inventarisierung von möglichen Baudenkmälern im Kanton Zug durch Weichelt wertet Hostettler indes «als grosses Verdienst» der Grünen.

Eine neue Linie muss gefunden werden

Dass die Amtsleiter des Kantons nicht glücklich über den Ausgang der Abstimmung seien, sei selbstverständlich «und darf auch so sein», so Hostettler. Die Abstimmung ändere aber nichts daran, dass sich der Regierungsrat «seiner Verantwortung gegenüber den Zuger Baudenkmälern bewusst bleibt», sagte der Direktor des Innern. «Man wird auch zukünftig nicht einfach mit dem Bagger durch die alten Häuser fahren können.»

Das neue Gesetz bringe aber neue Spielregeln. «Damit werden wir eine neue Linie im Vollzug des Denkmalschutzgesetzes finden müssen, und sie auch rechtlich verifizieren lassen», so Hostettler. Dies werde eine gewisse Zeit lang dauern.

Verwaltung ratlos

«Ich habe grossen Respekt vor dem Arbeits-Tsunami, der nun auf uns zurollt», sagte Stefan Hochuli, Leiter des Amts für Denkmalpflege und Archäologie. Man rechne mit einer Welle von Gesuchen. «Ab Montag geht bei uns die Post ab, und wir müssen dies mit den gleichen Ressourcen bewältigen.» Das Gesetz tritt übrigens schon ab 7. Dezember in Kraft.

Peter Letter, FDPKantonsrat aus Oberägeri und Verfechter des neuen Gesetzes. (Bild: mam)

Der Kanton rechnet mit zwei Arten von Gesuchen: Solche, die ein Objekt aus Denkmalschutz entlassen sehen wollen. Das ist rückwirkend ohne Einschränkung möglich. Selbst die Stadt Zug könnte theoretisch beantragen, dass der Zytturm aus dem Denkmalschutz entlassen wird.

«Es ist durchaus erwünscht, dass mit dem neuen Gesetz mehr Sanierungen von alten Häusern geschehen.»

Peter Letter, Kantonsrat (FDP) und Befürworter

Einziger Knackpunkt sind die Beiträge, welche die öffentliche Hand in der Vergangenheit an den Erhalt der Bauten geleistet hatte. «Wir verfügen über keinerlei Erfahrungswerte, wie wir damit umgehen sollen», so Hostettler. Ob und unter welchen Konditionen man das Geld zurückfordern will, oder ob dies als erledigt gelten soll, ist unklar.

Mehr Rechte für Eigentümer

Die zweite Welle  der Gesuche könnte solche betreffen, die neu Denkmalschutz beantragen, weil der Kanton mehr an die Sanierung von schützenswerten Bauten bezahlt. Ausserdem sind Eigentümer nun in einer günstigeren Verhandlungsposition.

«Es ist durchaus erwünscht, dass mit dem neuen Gesetz nun mehr Sanierungen von alten Häusern geschehen, weil die Eigentümer ihre Interessen besser einbringen können und besser entschädigt werden», sagt Peter Letter. Aber zu den neuen Spielregeln hat Hostettler einiges anzumerken.

Krux mit den Neuerungen

Bekanntlich muss eine Baute nicht mehr einfach einen «sehr hohen wissenschaftlichen, kulturellen oder heimatkundlichen Wert» aufweisen, damit sie im Kanton Zug unter Schutz gestellt wird, sondern es müssen nun zwei Kriterien gleichzeitig erfüllt sein. Ausserdem genügt ein «sehr hoher Wert» nicht mehr, sondern es wird ein «äussert hoher Wert» erforderlich. Hostettler machte klar, dass der Kanton auch seine künftige Beitragspraxis danach ausrichten werde. Weniger Einschränkungen beim Umbau von alten Häusern bedeutet auch weniger öffentliche Beiträge. 

Erfüllen Gebäude aus dem Inventar für schützenswerte Bauten die verschärften Anforderungen des Zuger Denkmalschutzgesetzes nicht, purzeln sie aus dem Inventar und können dann umgestaltet oder abgerissen werden, wie es den Eigentümern beliebt.

Im Budget für 2020 geht der Kanton Zug von der selben Zahl an Restaurationsbeiträgen aus. Weil die aber höher ausfallen werden, wurde eine zusätzliche Million Franken veranschlagt.

Respektable Stimmbeteiligung

Bisher konnte die Zuger Denkmalpflege von sich aus Verfügungen zu schützenswerten Häusern erlassen. Nun ist sie verpflichtet, mit den Eigentümern einen Vertrag auszuhandeln und konkret zu vereinbaren, wie der Schutz bewerkstelligt werden soll. «Mit den Befürwortern des neuen Denkmalschutzes gehe ich einig, was ihren Slogan betrifft», sagte die kantonale Denkmalpflegerin Franziska Kaiser: «Schützen, was schützenswert ist».

«Wir waren nur gegen zwei oder drei Auswüchse des Gesetzesvorschlags.»

Thomas Baggenstos, Bauforum Zug und Gegner

Man werde auch weiterhin sorgfältig seine Arbeit erledigen, so Kaiser, und sich dabei etwa auf die Leitlinien der Eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege abstützen.

Dem Motto können sich auch die Gegner des neuen Denkmalschutzgesetzes anschliessen. «Wir sind froh, dass die Zuger Bevölkerung ein klares Wort gesprochen hat», sagt der Architekt Thomas Baggenstos vom Bauforum Zug. Man habe befürchtet, dass die Stimmbeteiligung überaus gering ausfallen würde. Dies war nicht der Fall: Sie lag bei 44,35 Prozent im kantonalen Schnitt – und reicht von 51,68 Prozent in Walchwil bis 39,08 in Risch. Wobei die euphorischen Befürworter eines schwachen Denkmalschutzes im Ägerital wohnen (Oberägeri: 83,55 Prozent Ja) und die meisten Verfechter eines stärkeren Schutzes in der Stadt Zug leben (60,09 Prozent Ja) (zentralplus berichtete).

Problematische Punkte

«Wir waren gar nicht grundsätzlich gegen den Vertrag zwischen Eigentümern und andern Playern», sagt Baggenstos. «Sondern nur gegen zwei oder drei Auswüchse des Gesetzesvorschlags.»

Wie etwa der Limite von 70 Jahren: Ist eine Baute jünger, kann sie gegen den Willen des Eigentümers nicht mehr unter Schutz gestellt werden. Oder aber der Vorschrift, dass eine Baute einen «äusserst hohen» statt einen «sehr hohen Wert» haben muss. Das stellt eine Neuerung im Schweizer Recht dar, weil nicht feststeht, was dies genau bedeuten soll.

Geschlagen: Andreas Bosssard (Archäologischer Verein Zug), Tom Bagggenstos und Oliver Guntli vom Bauforum Zug. (Bild: mam)

Dies müsste also auf dem Rechtsweg geklärt werden. Entweder durch eine abstrakte Normenkontrolle, indem jemand klagt, dass das Gesetz so nicht zulässig sei. An wen diese Klage gerichtet werden soll – kantonales Verwaltungsgericht oder Bundesgericht – wusste an der Medienkonferenz vom Sonntag niemand zu sagen.

Oder aber, indem ein konkretes Baugesuch bis vor Bundesgericht weitergezogen wird. Etwa wegen der umstrittenen Unterschutzstellung der Überbauung Alpenblick in Cham, die derzeit vor Verwaltungsgericht hängig ist.

Fachvereine haben nicht die Kraft zu klagen

«Drei der vier Fachvereine, die das Referendum gegen das Zuger Denkmalschutzgesetz ergriffen haben, sind nur lokal tätig», sagt Thomas Baggenstos vom Bauforum Zug. Abgesehen davon, dass man wegen des eigenen Demokratieverständnisses nicht gegen das neue Gesetz opponieren werde, fehlten auch im konkreten Fall «auch die Ressourcen und die Zeit».  Vor Bundesgericht zerren könnte die Causa Alpenblick also einzig der Heimatschutz. Dieser war am Sonntag nicht bei der Abstimmungskonferenz vertreten.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Meier
    Meier, 24.11.2019, 20:00 Uhr

    Als seit Jahren vom Denkmalschutz Betroffener danke ich allen sehr, die zu diesem eindeutigen Resultat beigetragen haben. Als Jurist bin ich mit Bezug auf die angeblich drohenden Prozesse der klaren Meinung, dass dies blosse Angstmacherei ist. Das neue Gesetz lässt den Gerichten genügend Ermesssen.

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