Daher rührt der Widerstand zum L&G-Gebäude

Macht die Stadt Zug den Schritt in die Zukunft?

Schlank und dünn: Das Landis & Gyr-Gebäude. Sieht so das neue Stadthaus aus?

(Bild: fam)

Eigentlich sind die Argumente schon lange auf dem Tisch. Trotzdem informiert der Stadtrat immer weiter über den Einzug ins L&G-Gebäude. Weshalb ist das Geschäft so wichtig? Wenn die Zuger über den Umzug der Stadtverwaltung ins neue Haus abstimmen, geht es eigentlich um etwas ganz anderes. Kein Wunder, gibt’s da auch Widerstand.

Drinnen ist es kühl, draussen brennt die Sonne jeden Verstand aus dem Leib. Deshalb nicken wir, wenn der Zuger Stadtpräsident Dolfi Müller sagt, «gehen wir rein». Ja, gehen wir endlich rein. Schon vier Jahre und eine Volksabstimmung hat die Idee hinter sich, und im September kommt schon die nächste – und womöglich die letzte. Eine Doppelinitiative will das Projekt verhindern (zentralplus berichtete).

Aber langsam kommt der Stadtrat auf die Zielgerade. Endlich rein in das lange, ockergelbe Landis&Gyr-Gebäude, rein mit der ganzen Stadtverwaltung, alles in einem Haus: auf lange Flure verteilt, jede Amtshandlung aus einer Hand, von der Betreibung bis zur Hochzeit. «Manchmal muss man in der Politik die Dinge ein paar Mal sagen, bis sie ankommen», sagt Dolfi Müller.

In zwei Stunden machen Stadtpräsident und Finanzchef noch einmal dieselbe Führung durchs Haus, diesmal mit allen städtischen Mitarbeitern statt mit Journalisten. Und wenn Karl Kobelt seine Argumente aufzählt, dann muss er schon jetzt nicht mehr aufs Blatt schauen, er kennt sie alle in- und auswendig. Das grosse Haus ist eine «Cash Cow» für die Stadt, wird schlussendlich rund 8 Millionen Franken Mietertrag beschert haben, bis die Stadtverwaltung 2019 einzieht, ist an bester Lage, hat «tendenziell» eine grosse Chance, im Wert noch zu steigen, «war eine gute bis sehr gute Anlage», sagt Kobelt. Und hat auch keine versteckten Kosten mit sich gebracht (zentralplus berichtete).

Warum so viel Überzeugungsarbeit?

Die Bevölkerung bekommt also das, wozu sie schon mal Ja gesagt hat. Warum braucht’s trotzdem so viel Überzeugungsarbeit? Warum nochmals alle Medien einladen für einen Rundgang? Weil der Stadtrat nicht einfach ein neues Haus beziehen will. Sondern weil die Stadt sich dabei verändern wird. «Wir gehen zu den Menschen», sagt Dolfi Müller. Raus aus der Altstadt, rein ins Boomgebiet um den Bahnhof, da wo schon die ersten kleinen Wolkenkratzer gewachsen sind, mitten rein ins Gewimmel. Zwischen Grossfirmen und neuen Wohnquartieren.

«Ob die Stadtverwaltung in der Altstadt sitzt oder hier im Landis&Gyr-Gebäude: Beides ist voller Geschichte.»

Dolfi Müller, Stadtpräsident

Es ist ein mentaler Shift, der da passieren soll. Unter der ganzen Decke aus Spargründen und Synergiewünschen geht es um einen Schritt in die Zukunft. Weg von der Altstadt, von der beschaulichen Zuger Kleinstadt, weg von den Einzelbüros, hin zum Grossraum, zur Urbanität. Raus aus den mittelalterlichen Bürgerhäusern und rein in eine Liegenschaft, die zwar wenig Repräsentationscharakter hat, aber Arbeit gewohnt ist.

Kein Hochglanz, sondern Spannteppich. «Hin zu dem Stadtteil, wo tatsächlich das Wachstum stattfindet», sagt Karl Kobelt. «Es ist der Stadtteil, wo das Leben spielt, hier, rund um den Bahnhof.» Vor allem auch: hin zur Wirtschaft. Das neue Stadthaus steht im Schatten des Park Towers, eingebettet zwischen Johnson & Johnson und L&G-Areal. «Ja, auch hin zur Wirtschaft», sagt Müller. «Aber auch hin zur Bevölkerung, die im neuen Teil der Stadt lebt.»

Geht da Heimat verloren?

Mit der Verschiebung der Stadtverwaltung wandelt sich unweigerlich auch das Selbstbild der Stadt. Kein Wunder, gibt es da Widerstand – die beiden Initiativen, die im September zur Debatte stehen, wollen den Einzug ins Haus verhindern und die Stadt zwingen, es wieder zu verkaufen. Eine Angst, die dahintersteckt: Der Auszug der Stadtverwaltung werde die Altstadt verkümmern lassen. Ist es der Wandel zur Urbanität, der die Initianten abschreckt? Geht bei diesem Wandel ein Stück Zuger Heimat verloren?

Asbest? Keine Panik.

Dass der Stadtrat kurz vor der Abstimmung noch die letzten Altlasten rausnehmen lässt, Rohre mit gebundenem Asbest und alte Fassadenverkleidungen, die ebenfalls mit Asbest belastet sind, ist wohl keine Abstimmungsstrategie. Wäre zumindest keine besonders gute – bei Asbest schalten alle mentalen Ampeln auf rot. Da gehe es ums Aufräumen, sagt der Stadtrat.

Die Stadt hätte die Rohre nicht sanieren müssen – es bestand keine Gefahr, dass das Asbest freigesetzt worden wäre. Die Rohre lassen sich offenbar ohne Beschädigung aus dem Haus tragen – deshalb besteht keine Gesundheitsgefahr. «Wir machen das jetzt noch im Sommer, weil wir dieses Haus in einen guten Zustand versetzen wollten», sagt Finanzchef Karl Kobelt. 45’000 Franken kostet die Sanierung, «ein sehr günstiges Preisschild», sagt Stadtpräsident Dolfi Müller.

Das will Stadtpräsident Müller nicht gelten lassen. «Ob die Stadtverwaltung in der Altstadt sitzt oder hier im Landis&Gyr-Gebäude: Beides ist voller Geschichte. Hier in diesem Gebäude haben Hunderte Zuger Arbeiter ein Auskommen gefunden, viele Stadtzuger Familien haben eine Verbindung zu diesem Haus. Das ist ein Stück Identität wie die Altstadt.» Und Kobelt ergänzt: «Ich habe Verständnis für die Abwehrhaltung und dafür, dass der Umzug Widerstand auslöst. Aber gleichzeitig bietet dieser Umzug enorme Chancen für die Zuger Stadtverwaltung und auch für die Bevölkerung.»

Mitarbeiter sind «vorsichtig optimistisch»

Es ist nicht die erste Führung, die der Stadtrat veranstaltet. Wir waren schon mal da. Sind schon mal über den Teppich geschlurft (dezentes Blau mit roten und anderen Streifen), haben den verdutzten Siemens-Mitarbeitern guten Tag gesagt, («Es ist, als käme der Vermieter unangemeldet zum Hausbesuch», sagt Dolfi Müller) und haben uns das Gebäude von innen angeschaut (hell, luftig, Grossraumbüros). Die Journalisten machen noch mal Witze darüber, welche Abteilung sich wohl welchen Stock ergattern wird. Der Stadtpräsident ist immer noch im Argumentationsmodus. «Da geht es einfach darum, Nähe zu schaffen», sagt Müller. «Wer näher ist, arbeitet besser zusammen.»

Freuen sich aufs neue Gebäude: Stadtpräsident Dolfi Müller und Finanzchef Karl Kobelt.

Freuen sich aufs neue Gebäude: Stadtpräsident Dolfi Müller und Finanzchef Karl Kobelt.

(Bild: fam)

Bei der Belegschaft löst der Umzug nicht nur gute Gefühle aus. «Die Mitarbeiter sind vorsichtig optimistisch», sagt Kobelt, «da liegt es auch an uns, sie davon zu überzeugen. Davon, dass es auch für sie Vorteile hat, wenn man näher zusammenrückt. Weil man sich dann besser kennt – und besser zusammenarbeitet.»

Von 28 Quadratmetern pro Arbeitsplatz auf neu 20, es wird enger. Das Haus ist kein Bentley. «Es ist ein Opel», sagt Müller. «Und es bleibt ein Opel.» Und deshalb werde die Stadt es auch einfacher haben, die Büros in den obersten Stöcken vermieten zu können. «Klar, für gewisse Branchen ist das nichts», sagt Müller, «das sind keine Show-Time-Büros.» Die braucht es auch für die Stadtverwaltung nicht. «Und für eine ganze Reihe von Zuger Firmen genügt der Standard ebenfalls.»

Jedem Stadtrat seine Burg

Und die Kulturunterschiede? Bislang liegen die Verwaltungsteile gut verstreut in der Zuger Altstadt. Jedem Stadtrat seine Burg – Kulturvermischung gibt’s nur bei Weihnachtsessen. Passen die alle zusammen in ein Gebäude? Gibt das Knatsch? «Im Gegenteil», sagt Müller. «Das ist ja die Hoffnung dabei. Dass sich alle besser kennenlernen und schnellere Wege entstehen. Eine Studie sagt: Die Firmen sind erfolgreich, bei denen die Mitarbeiter miteinander reden. Und nicht einander E-Mails schreiben.»

«Es gibt sogar Chancen für die Altstadt, wenn die Verwaltung auszieht.»

Karl Kobelt, Finanzchef Stadt Zug

Man kann sich vorstellen, dass da auf dem Siemens-Teppich («Standard in allen Siemens-Abteilungen hier in Zug», sagt der Haustverwalter) kurze Wege entstehen, das Haus ist dünn und schlank. Der Ausbaustandard gut für damals. Keine Komfortlüftung zwar, sagt der Hausverwalter und argumentiert so geübt wie ein Autoverkäufer. «Aber dafür können die Leute selber mit etwas Übung so lüften, dass es angenehm ist: Sie lernen schnell, welche Fenster wann geöffnet und wann geschlossen werden müssen.»

Keine Angst vor dem Altstadtsterben

Ein sympathischer Opel. Aber gekauft haben wir ihn ja schon. Die Frage ist eher, ob die Zuger ihn jetzt auch fahren wollen. Kobelt und Müller sind optimistisch. «Das kommt gut», sagt Müller. Kobel ergänzt: «Die Bevölkerung hat schon einmal Ja gesagt. Der GGR hat auch Ja gesagt, indem er die beiden Initiativen abgelehnt hat. Und zwar recht wuchtig.» Und die Angst vor  dem Altstadtsterben? Kobelt: «Ich muss das nochmals sagen, weil es so wichtig ist: Das Gegenteil ist der Fall. Es gibt sogar Chancen für die Altstadt, wenn die Verwaltung auszieht.»

Das «Haus Zentrum» werde an die Korporation übergeben, mit öffentlicher Nutzung im Erdgeschoss. «Da sind jetzt nur ein städtisches Sitzungszimmer und das Kopierzentrum», sagt Kobelt. «Das wird also eine Aufwertung.» Das Stadthaus wird vermietet werden, auch andere Liegenschaften der Stadt, in denen heute die Verwaltung stattfindet. Offenbar führt die Stadt sogar eine Warteliste. Kobelt: «Ich bin überzeugt, dass auch in Zusammenhang mit dem neuen Altstadtkonzept die Altstadt auf gute Art belebt werden wird.»

Die Bevölkerung wird also nicht nur über einen banalen Zusammenzug von Verwaltungsstellen abstimmen. Auch nicht über das Ende der Altstadt. Die Frage ist: Wird sie weiter ein kleines beschauliches Städtchen am See sein wollen? Oder lieber ein kleines beschauliches Städtchen mitten unter Weltfirmen und wachsenden Quartieren? Beide Optionen sind auf ihre Art verlockend. Bei der zweiten gibt’s wohl etwas mehr Entwicklungsspielraum. Was besser passt? Man wird es an der Urne sehen.

Bestimmt nicht neu, aber doch in gutem Zustand.

Bestimmt nicht neu, aber doch in gutem Zustand.

(Bild: Archiv)

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