Streit beigelegt?

Luzerner Wochenmarkt wird neu ausgerichtet

Von der Seebrücke bis zur Jesuitenkirche: der Wochenmarkt in Luzern. (Bild: buf)

Nach jahrelangen Verzögerungen präsentiert der Stadtrat endlich konkrete Pläne, wie er ab 2019 die bisherige Praxis bei der Vergabe von Standplätzen anpassen will. Langjährige und regionale Marktfahrer sollen weiterhin bevorzugt behandelt werden. Trotzdem gab es an der Informationsveranstaltung Grund zum Murren.

Haben die Diskussionen nun ein Ende? Ab sofort sollen die Wochenmarkt-Stände in einem offenen und fairen Verfahren neu vergeben werden. Der Entscheid des Luzener Stadtrates betrifft die langjährigen Marktfahrer und ihre Kunden. Wie an der Informationsveranstaltung am Mittwochabend klar wurde: Die Stadt verlängert die bestehenden Jahresbewilligungen bis Ende 2018 will damit «auf Kontinuität setzen».

«Angst vor der Ausschreibung haben wir nicht.»

Edy Spielhofer, Präsident IG Luzerner Wochenmarkt


Unsicherheiten bleiben

Gespannt hörten die rund 50 bis 60 Marktfahrer im Marianischen Saal an der Bahnhofstrasse 18 zu. Die Auseinandersetzung um den Luzerner Wochenmarkt zieht sich nun schon mehrere Jahre hin. Angestossen wurde sie durch eine Marktfahrerin, die gegen die ihrer Meinung nach willkürliche Vergabe von Bewilligungen für Marktfahrer durch die Stadt Luzern klagte. Die Klage wurde 2011 vom Verwaltungs- und ein Jahr später vom Bundesgericht zwar abgewiesen. Die Gerichte hielten jedoch fest, dass die Stadt bestehende Ungleichbehandlungen bei der Vergabe von Standplätzen beheben und diese nach sachlichen und transparenten Kriterien vergeben müsse.

Teure Auseinandersetzung

Der Stadtrat hat für die Ausarbeitung des neuen Vergabesystems 2014 einen Kredit von 150’000 Franken gesprochen. Die Marktanalyse, die bei Anbietern, Kunden und Nichtkunden durchgeführt wurde, kostete rund 28’000 Franken. Das nun vorliegende Rechtsgutachten schlägt mit 30’000 Franken zu Buche.

Der Stadtrat wird zudem eine ständige Kommission für Fragen zur Vergabe von öffentlichem Grund zu wirtschaftlichen Zwecken schaffen, die in Zukunft besonders anspruchsvolle Vergabeverfahren begleiten soll.

Die Stadt verschob die Umsetzung der angepassten Vergabepraxis aufgrund der angespannten finanziellen Lage 2012 um insgesamt drei Jahre, vergrösserte den Markt kurzfristig Ende 2013 um zehn und 2014 um fünf Plätze.

Die Marktfahrer selber reagierten an der Infoveranstaltung zurückhaltend auf die Neuigkeiten. Sie fürchten, ihren Platz mit dem Systemwechsel auf das Jahr 2019 teilweise zu verlieren. Edy Spielhofer, Präsident der IG Luzerner Wochenmarkt, erinnerte die Vertreter der Stadt daran, dass die Marktfahrer nicht an Veränderungen interessiert seien. «Die Unsicherheit ist immer noch vorhanden. Die verschiedenen Betriebe sind auf gute Geschäfte auf dem Luzerner Wochenmarkt angewiesen.» 

Spielhofer betonte auf der anderen Seite auch, dass die Marktfahrer dem Stadtrat vertrauten. «Angst vor der Ausschreibung haben wir nicht. Sorgen, dass Einzelne ihren Standplatz eventuell verlieren könnten, machen wir uns aber schon.»

Keine «Experimente»

Mit dem vorgestellten, neuen Verfahren sichert sich die Stadt rechtlich ab. Es sieht vor, dass die Standplätze neu alle fünf Jahre öffentlich ausgeschrieben werden. Für die Auswahl der Bewerbungen entwickelt die Stadt in den kommenden Wochen einen Kriterienkatalog. Ob ein Produzent einen Standplatz erhalten wird, hängt davon ab, wie und wo er produziert, wie der Betrieb organisiert ist, wie oft er am Markt präsent sein wird, über welche Kanäle dieser seine Waren vertreibt und welche Produkte er anbietet.

«Wir wollen den traditionellen Charakter beibehalten und keine Experimente wagen.»

Mario Lütolf, Leiter Stadtraum und Veranstaltungen

Die Stadt fordert neben der Grösse des Markts (rund 80 Marktfahrer) auch ein abwechslungsreiches Sortiment. Obwohl mehrere Anfragen für einen Ausbau des Sortiments beispielsweise mit alkoholischen Getränken wie Wein oder Bier oder Anbietern im Bereich Take-Away vorliegen, sei dies für die Stadt kein Thema. Mario Lütolf, Leiter Stadtraum und Veranstaltungen: «Wir wollen den traditionellen Charakter beibehalten und keine Experimente wagen.»

Auch Stadtrat Adrian Borgula (Grüne) bekräftigte: «Wir wollen uns für die Markttradition einsetzen.» Er wies aber auch darauf hin, dass sich die Stadt an die Gesetze halten müsse und ein neues Vergabeverfahren daher unausweichlich sei. Dies nahmen die Marktfahrer mit einem leisen Murren zur Kenntnis.

Gutachter stützt städtische Pläne

Bernhard Rütsche, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Luzern, zeigte in seinem Gutachten auf, wie die Stadt ein möglichst offenes Vergabeverfahren gesetzeskonform umsetzen kann. Dabei bestätigt er die bisherigen Erkenntnisse des Stadtrates: Die Ausschreibung und Bewertung anhand bestimmter Kriterien stellte die beste Möglichkeit dar, die Standplätze fair zu vergeben.

Alternative Verfahren, zum Beispiel das der Rotation, der Versteigerung oder des Losentscheids, verwarf Mario Lütolf bereits im letzten Juni. Auch der externe Gutachter kommt zum Schluss, dass diese Alternativen nicht sinnvoll sind. Der Stadtrat hält sich aber gleichzeitig die Option offen, wie in den letzten Jahren mehrmals beschlossen, durch eine Vergrösserung des Wochenmarkts die Zahl der Interessenten zu reduzieren. Knapp dreissig Kleinunternehmer würden gerne ebenfalls ihre Produkte auf dem Luzerner Wochenmarkt anbieten.

(Bild: Emanuel Ammon / AURA)

Sollte ein Bewerber im neuen Kriterienwettbewerb gleich gut abschneiden wie ein bisheriger, darf der langjährige Standbetreiber gemäss dem Gutachter bevorzugt werden. Obwohl bereits das Verwaltungsgericht speziell darauf hinwies, dass die Bevorzugung von langjährigen Standbetreibern für einen Platz am Luzerner Wochenmarkt durch die Stadt nicht rechtskonform sei, will die Stadt bis zu einem gewissen Grad daran festhalten.

Bisherige sollen weiterhin bevorzugt werden

Die Stadt argumentiert, dass gemäss dem Gutachten nur diejenigen Standplätze neu zugeteilt werden müssen, die wegen Verzichts oder durch das Ausscheiden bisheriger Betreiber im Vergabeverfahren frei werden.

Rütsche kommt entsprechend zum Schluss, dass es im Ermessen der Stadt liegen muss, welche Standplätze den Anbietern zugeteilt werden. Dabei könne die Stadt dem mutmasslichen Publikumsinteresse an möglichst grosser Kontinuität Rechnung tragen und diejenigen Händler, die aufgrund des offenen Vergabeverfahrens am Markt verbleiben dürfen, auf demselben Standort behalten.

Das kleinste Übel

Zusammenfassend kann man festhalten: Die Marktfahrer werden sich dem stadträtlichen Vorschlag fügen, wie gestern an der Informationsveranstaltung deutlich wurde. Die Diskussion um das Vergabeverfahren wird sich beruhigen. Der Vorschlag des Stadtrates ist für die Marktfahrer das kleinste Übel. Wie weit die Stadt bei der Bevorzugung der Bisherigen gehen darf, ist aber weiterhin offen. Denn hier gibt es rechtlich noch einigen Spielraum.

Professor Rütsche kritisierte noch 2013 in der «Neuen Luzerner Zeitung» das Vorgehen der Stadt. Er meinte, die Stadt könne die Marktstände ohne Verzögerung anhand von einfachen Kriterien transparent vergeben. Das ist jetzt teilweise gegeben – Jahre später. Gelten soll das neue Vergabesystem ab 1. Januar 2019.

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