Gefahr für Vogelvielfalt?

Luzerner Politiker wollen gefrässige Hauskatzen bändigen

Katzen müssen in der Schweiz nicht registriert werden. (Bild: Unsplash/Julian Guttzeit)

Herumstreunende Katzen töten Kleintiere und bedrohen damit die Biodiversität in der Stadt, befürchten zwei Luzerner Politiker. Sie könnten sich eine Chippflicht oder eine Katzensteuer vorstellen – analog zur Hundesteuer.

Sie sind anschmiegsam, pflegeleicht und liebenswert: Katzen geniessen einen guten Ruf und sind als Haustiere sehr beliebt. Gemäss Schätzungen leben rund 1,7 Millionen der flauschigen Vierbeiner in der Schweiz. Verlässliche und genaue Zahlen sind schwierig zu eruieren, weil es keine Pflicht zur Registration gibt. In der Pandemie, wo die Menschen mehr Zeit zuhause verbringen, erleben Haustiere einen zusätzlichen Boom (zentralplus berichtete).

Klar ist derweil: Nicht alle Katzen leben friedlich bei Herrchen oder Frauchen zu Hause in der Wohnung. Immer wieder werden Katzen ausgesetzt oder sie laufen davon. Solche Wildkatzen können für andere Tiere – insbesondere für Vögel – zur Gefahr werden. Zudem vermehren sie sich oft rasch und unkontrolliert.

Warum Hauskatzen ein Problem sein können

Auch im urbanen Raum sind Katzen ein Problem für die Biodiversität, sagt der grüne Grossstadtrat Lukas Bäurle. «Ich wohne im Wesemlin-Quartier und zähle mindestens fünf bis zehn verschiedene Katzen, die regelmässig tote Vögel oder Blindschleichen in meinen Garten bringen.» Hauskatzen mit Auslauf im Freien könnten für viele Tierarten eine Bedrohung sein.

«Wir haben prinzipiell nichts gegen Katzen. Es geht uns darum, zu sensibilisieren.»

Lukas Bäurle, Grüne

Angesichts der Zahlen für die Schweiz geht Bäurle davon aus, dass allein in der Stadt Luzern rund 16'000 Katzen leben. «Wenn jede pro Woche nur ein Tier reisst, kann man sich ausrechnen, wie gross der Schaden ist. Es geht um Hunderttausende Kleintiere, die teilweise möglicherweise vom Aussterben bedroht sind.»

Gemeinsam mit Michael Zeier-Rast (CVP) hat Bäurle darum eine Interpellation zum Thema eingereicht. Vom Stadtrat wollen sie erfahren, wie die Faktenlage ist und wie mögliche Massnahmen aussehen könnten. Lukas Bäurle versichert: «Wir haben prinzipiell nichts gegen Katzen, sie haben ja auch einen sozialen Nutzen. Es geht uns darum, zu sensibilisieren.» Ziel der Interpellation ist es, die negativen Auswirkungen möglichst zu beziffern und Ansätze zu prüfen, um sie zu vermindern.

Kommt die Chippflicht fürs Büsi?

Als mögliche Massnahme nennen sie selber eine Pflicht zum Registrieren von Katzen. Das ist heute nicht vorgeschrieben, aber ein bereits bekanntes System: Hundehalter müssen seit 15 Jahren ihre Haustiere chippen lassen. Eine analoge Chippflicht für Katzen wurde in der Vergangenheit von der Wissenschaftskommission des Nationalrats vorgeschlagen, der damit das Problem von Streunerkatzen angehen wollte. 2019 lehnte der Nationalrat diese Forderung jedoch – relativ knapp – ab. Die Idee dahinter wäre es gewesen, dass nichtregistrierte Katzen ohne Einverständnis der Besitzer kastriert oder sterilisiert werden dürften.

Die Interpellanten könnten sich auch vorstellen, dass man Katzen kastrieren beziehungsweise sterilisieren müsste. Eine solche Pflicht kennen beispielsweise das Nachbarland Österreich und mehrere deutsche Stände. In der Schweiz sorgen derweil Freiwillige und Organisationen im Rahmen koordinierter Aktionen dafür, dass jährlich Tausende Katzen kastriert werden.

Eine andere Idee wäre eine Katzensteuer – analog zur bereits bestehenden Hundesteuer. «Wir könnten es uns vorstellen, dass dieses Geld für den Vogelschutz eingesetzt wird», sagt Lukas Bäurle. Welches Mittel am Ende das Richtige sei, lässt er offen. Für ihn ist aber klar: «Wenn es Massnahmen gibt, welche die Koexistenz von Katzen und anderen Tieren verbessern, müssen wir damit anfangen.»

Das rät die Vogelwarte Sempach

Gemäss der Vogelwarte Sempach können Katzen lokale Populationen von Tierarten bedrohen, wenn deren Bestände bereits geschwächt sind. Besonders beliebt auf dem Speiseplan von Felix & Co. sind demnach Amseln, Rotkehlchen, Meisen, Finken und Sperlinge. Vögel gefährdeter Arten würden hingegen nur selten erbeutet. Den Einfluss von Katzen auf die Bestände einheimischer Arten konkret zu ermitteln, sei methodisch aber sehr aufwändig – deshalb gebe es kaum Studien dazu.

Die Vogelwarte Sempach empfiehlt in einem Merkblatt Folgendes:

  • Wo möglich, sollte man den Zugang von Katzen zu Nistplätzen von Vögeln sowie zu Amphibien- und Reptilienstandorten erschweren. Beispielsweise mit einer Blechmanschette am Stamm eines Baumes.
  • Nisthilfen für Vögel an Seitenästen oder an Fassaden ausserhalb der Reichweite von Katzen anbringen. Am besten Nistkästen mit steilen und glatten Dächern verwenden.
  • Den Garten möglichst naturnah gestalten mit guten Verstecken für Kleintiere.
  • Alternativ könnten spezielle Sendegeräte helfen, die Ultraschallwellen über 20 kHz senden – Katzen empfinden das als unangenehm. Allerdings warnt die Vogelwarte: Das könnte andere Tiere und Anwohner stören.
  • Mit Katzenhaltern das Gespräch suchen und sie über Gebiete mit gefährdeten Vogelarten informieren.
  • Katzenhaltern rät die Vogelwarte, die Tiere zu kastrieren.
  • Empfehlenswert ist auch ein elastisches Halsband mit einem Glöckchen um den Hals, denn dadurch werden Vögel schneller auf die Gefahr aufmerksam. Katzen würden sich rasch daran gewöhnen.
  • Wenn frische ausgeflogene Jungvögel im Garten unterwegs sind, solle man die Katze – nach Möglichkeit – für ein paar Tage nicht nach draussen lassen.
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4 Kommentare
  • Profilfoto von Rudolf 1
    Rudolf 1, 10.04.2021, 06:51 Uhr

    An der ehemaligen Dietschiberg-Bahn haben die Hauskatzen von der Lützelmattstrasse die Eidechsen nun ausgerottet.

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  • Profilfoto von Groucho
    Groucho, 09.04.2021, 18:35 Uhr

    Wird durch eine «Katzensteuer» auch nur ein Tier gerettet ? Wird ein toter Vogel durch eine solche Steuer wieder lebendig ?
    Also nichts als eine weitere Geldschneiderei…

    Wenn schon, dann auch alle Motorfahrzeuge chippen …und noch eine Steuer, denn die kosten wesentlich mehr Tieren das Leben…

    Es gäbe wohl Wichtigeres zu tun für Grossstadträte…

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  • Profilfoto von Hanswurst
    Hanswurst, 08.04.2021, 19:24 Uhr

    Die Umweltrechtler Arie Trouwborst und Han Somsen halten die Raubzüge von Hauskatzen für illegal und berufen sich dabei auf gesetzliche Pflichten der EU-Staaten, wie sie in der Fachzeitschrift Journal of Environmental Law darlegten. Dafür führen sie etwa die Vogelschutzrichtlinie der Europäischen Union sowie deren sogenannte Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie an. Demnach seien heimische Arten und ihre Lebensräume zu schützen und potenzielle Bedrohungen zu begrenzen. Katzen wiederum, die vor Jahrtausenden im Nahen Osten domestiziert wurden, fielen nach Auslegen der Rechtsexperten nicht unter den Schutz der europäischen Regelwerke.
    Laut Trouwborst und Somsen seien weltweit fast 370 Arten durch Hauskatzen bedroht. Für die Juristen ist deshalb klar: Der Freigang der Tiere muss eingeschränkt werden. „Alle anderen Haustier gehen nicht ohne Besitzer nach draussen, von Hunden bis zu Schlangen“, sagt Trouwborst. Die Ausnahmestellung der Katze sei verrückt.
    Auch wenn die genauen Zahlen umstritten sind, töten Hauskatzen und verwilderte Hauskatzen tatsächlich Vögel, Echsen, Nager und Co. in relevanter Grössenordnung. Bis zu 200 Millionen Vögel pro Jahr sollen in Deutschland betroffen sein, in Grossbritannien schätzungsweise 275 Millionen Wildtiere – darunter auch 27 Millionen Vögel. Eine Studie aus den USA kam 2013 zu dem Ergebnis, dass dort jedes Jahr zwischen 1,4 und 3,7 Milliarden Vögel und zwischen 6,9 und 20,7 Milliarden kleine Säugetiere von Katzen erlegt werden. Quelle GEO, Jan Henne, Zugriff 2021. Wofür haben wir in der Stadt Luzern eigentlich eine Umweltfachstelle?

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    • Profilfoto von Michel von der Schwand
      Michel von der Schwand, 09.04.2021, 13:25 Uhr

      Man könnte auch mal berechnen, welchen Schaden Hunde beim Urinieren an Hauswände verursachen.

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