Vermutlich ein taktischer Entscheid der Eltern

Luzerner Kinder werden oft zu spät eingeschult

Im Kanton Luzern werden viele Kinder zu spät eingeschult. (Bild: ©iStockphoto.com/vgajic)

Das Einschulungsalter eines Kindes kann dessen Schulkarriere stark beeinflussen. Studien haben gezeigt, dass die Erfolgschancen eines Kindes in der Schule grösser sind, je später es eingeschult wird. Nun gibt es Anzeichen, dass Eltern ihre Kinder darum bewusst zu spät einschulen lassen. Im Kanton Luzern ist dieser Anteil besonders hoch.

Internationale Studien haben gezeigt, dass der Schulerfolg eines Kindes auch von dessen Alter abhängig ist. Denn ältere Kinder sind in ihrer Entwicklung weiter als ihre jüngeren Klassenkameraden und verfügen so über einen biologischen Vorteil. Dieser kann für einen erfolgreichen Verlauf der Schulkarriere massgebend sein. Wie eine noch unveröffentlichte Studie der Schweizerischen Koordinationsstelle für Bildungsforschung (SKBF) zeigt, ist dieser Alterseffekt auch in der Schweiz zu beobachten. Diese Daten liegen der «Luzerner Zeitung» vor.

Der Stichtag für den Einschulungszeitpunkt ist in der Schweiz am 31. Juli. Damit sind die jüngsten Kinder beim Eintritt in den Kindergarten Mitte August vier Jahre und wenige Wochen alt, die ältesten hingegen schon 5-jährig. Diese Altersspanne von fast 12 Monaten innerhalb eines Schuljahrgangs ist für den Schulerfolg der Kinder relevant.

Dieser Effekt hat bildungspolitische Konsequenzen. Denn gemäss der Studie der SKBF gibt es in der Schweiz Indizien dafür, dass die Eltern ihre Kinder aufgrund des Alterseffekts später einschulen lassen. Dadurch vergrössern sich die Altersunterschiede innerhalb einer Klasse zusätzlich auf bis zu zwei Jahre. Die Erfolgschancen der Jüngsten werden so noch stärker eingeschränkt.

Luzern sticht heraus

Wie ein Bildungsbericht der SKBF aus dem Jahr 2018 bereits offenbarte, sind die kantonalen Unterschiede in Bezug auf das Einschulungsalter sehr gross. Der Kanton Luzern sticht hier besonders hervor. So werden in Luzern 40 Prozent der Kinder zu spät eingeschult, in Basel-Stadt ist es hingegen nur ein Prozent. Stefan Wolter, der Direktor der SKBF sagt gegenüber der «Luzerner Zeitung», dass diese grosse Differenz zwischen den Kantonen nicht allein auf den Entwicklungsstand zurückzuführen ist. Er vermutet daher eher taktische Gründe seitens der Eltern.

Die hohe Zahl der zu spät eingeschulten Kinder im Kanton Luzern lässt sich darum auch darauf rückschliessen, dass der Besuch des ersten Kindergartenjahres freiwillig ist. Es ist somit den Eltern überlassen, ob sie ihr Kind ins erste Kindergartenjahr schicken wollen. Aldo Magno, Leiter der Dienststelle Volksschulbildung des Kantons Luzern, sagt gegenüber der «Luzerner Zeitung», dass er von verschiedenen Schulen weiss, dass Eltern ihre Kinder bewusst spät in den Kindergarten schicken, um so auch den Übertritt in die erste Primarklasse hinauszuzögern. Auch Mango vermutet dahinter taktische Absichten seitens der Eltern.

Entscheid soll bei den Schulpsychologen liegen

Wie die SKBF grundsätzlich feststellt, ist der Anteil der zu spät eingeschulten Kinder grösser, je mehr Mitspracherecht die Eltern bezüglich des Zeitpunkts der Einschulung haben. Im Interesse der Chancengleichheit wünscht sich der SKBF-Direktor Wolter darum, dass der Einschulungsentscheid den Schulpsychologen und nicht den Eltern überlassen wird. Erstere hätten aufgrund ihrer Erfahrung die besseren Vergleichsmöglichkeiten, um einen passenden Einschulungsentscheid zu treffen.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Andreas Bründler - Kriens Bleiche
    Andreas Bründler - Kriens Bleiche, 10.08.2021, 10:07 Uhr

    Bei uns gab es einen weiteren Grund, warum wir unsere beiden Töchter so spät wie möglich in den Kindergarten geschickt haben: Wir können uns eine Privatschule nicht leisten. Wir wollten aber trotzdem, dass unsere Töchter in der öffentlichen Schule nicht unter die Räder kommen. Das ist heute leider eine grosse Gefahr, weil vor allem in der Primarschule die Klasse alles andere als einen homogenen Hintergrund hat. Die Lehrer müssen heute gezielt den Lernprozess auf die schwächsten Schüler ausrichten. Diese kommen gemäss unserer langjährigen Erfahrung oft aus einem sehr heterogenen familiären Umfeld. Das hat weitgehende und längerfristige Folgen. Deshalb sind auch die teueren Privatschulen in der Schweiz richtig explodiert. Zu meiner Zeit schaffte man es in der öffentlichen Schule. Wenn man es nicht fertig brachte, und der Vater das nötige Kleingeld hatte, wurde der Schüler nach Engelberg, Einsiedeln oder Schwyz geschickt. Heute ist es leider umgekehrt. Wir hätten unsere beiden Töchter sehr gerne in eine Privatschule geschickt, wo sie ihrem Lernfortschritt entsprechend geschult worden wären. Dafür haben wir leider das Geld nicht.

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