Teilbedingte Freiheitsstrafe

Luzerner Kellner schändete betrunkene Lehrtochter

Die Vermutung, dass neben Alkohol auch «K.O.-Tropfen» im Spiel waren, musste mangels Beweisen fallengelassen werden. (Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Das Luzerner Kriminalgericht hat einen 39-jährigen Mann zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Dazu kommen weitere 18 Monate bedingt. Der Kellner habe eine Lernende, die er von seinem Arbeitsort in Zug kannte, nach dem gemeinsamen Ausgang geschändet. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, weil der Anwalt des Beschuldigten Berufung eingelegt hat. Er verlangt einen Freispruch.

Der Vorfall liegt bereits vier Jahre zurück. Damals war die Privatklägerin Lehrtochter. Der Angeklagte arbeitete als Kellner im selben Betrieb, einem bekannten Zuger Seerestaurant. Die beiden, er war 35, sie 21 Jahre alt, hatten ein «gutes kollegiales Verhältnis». Bis zu jenem Freitagabend im April 2010.
Nach der Arbeit wollten die Lernende und ihr älterer Kollege in Luzern ausgehen. Da sie im Kanton Zug wohnte und er in Luzern, war abgemacht, dass sie auf dem Sofa bei ihm übernachten würde.

Alkoholexzess und Blackout

Es kam aber alles ganz anders. Die Nacht wurde für die junge Frau laut Darstellung der Staatsanwaltschaft zum Albtraum. Dabei war jede Menge Alkohol im Spiel. Bereits am Arbeitsort tranken der Mann und die junge Frau zusammen mit der Chefin je zwei Gläser Weisswein. Im Zug nach Luzern ging es weiter mit Bier, in einer Luzerner Bar folgte weiteres Bier, bei einem ersten Besuch in seiner Wohnung kam Champagner dazu. Die Klägerin gab später vor Gericht an, der Schaumwein «habe Zapfen gehabt»; ein Hinweis für die Staatanwaltschaft, dass der Mann die junge Frau möglicherweise mit K.O.-Tropfen betäubt hatte.

Der feucht-fröhliche Abend endete in der Luzerner Bar Downtown mit weiteren Spirituosen und Shots. Von diesem Zeitpunkt an fehlt der Klägerin jegliche Erinnerung.

Am nächsten Morgen erwachte die junge Frau nackt neben dem Kollegen in dessen Einzelbett. Als sie ihn fragte, was geschehen sei, erzählt er ihr, sie sei sehr betrunken gewesen. Zuhause habe er ihren BH geöffnet und sie auf ihren Wunsch massiert. Dann sei es zu vaginalem und analem Geschlechtsverkehr gekommen. Sie habe geweint dabei. Weil sie immer aus dem Bett gefallen sei, habe er sich neben sie gelegt.

Einige Tage später fragte der mutmassliche Täter die Lernende per SMS, wie es ihr gehe. Sie sagte, nicht so gut. Er antwortete schriftlich: «Du sollst nur vergessen. Schöne Ferien und viel Spass.» Sie antwortete, dass man eine Vergewaltigung nicht einfach vergessen könne. Darauf ging er nicht ein. Später klagte sie ihn an.

Beschuldigter verstrickt sich in Ungereimtheiten

Die Verhandlung fand im Dezember vor dem Kriminalgericht Luzern statt. Der Mann gab den Geschlechtsverkehr am Anfang vor Gericht zu. Später stritt er jeglichen sexuellen Kontakt ab und sagte, er habe sich über das Verhalten der betrunkenen jungen Frau, die ausfällig gegen ihn geworden sei, sehr genervt. Er habe ihr die seiner Fantasie entsprungene Sexgeschichte nur erzählt, damit sie sich schäme.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass er die Frau missbraucht hatte. Seine detaillierte Schilderung spreche dafür und die Tatsache, dass er den Vorfall später ihr gegenüber nie bestritt und richtigstellte. Auch seine SMS, sie solle «vergessen», spreche für die Tat. Ausserdem habe der Mann bereits einmal ein ähnliches Strafverfahren am Hals gehabt, das später aber eingestellt wurde. Als Indiz wertete das Gericht auch Ungereimtheiten in den Aussagen des Mannes und dass sich dieser auffallend oft auf Erinnerungslücken berief.

Hat sie sich noch gewehrt?

Eine wichtige Frage war für das Gericht, ob die Frau aufgrund ihres Zustands noch im Stande war, ihren Willen kundzutun und ob der Mann eine allfällige Widerstandsunfähigkeit erkennen konnte. Die Aussagen der Frau über ihren «Filmriss» nach dem Besuch der Bar wertete das Gericht als glaubhaft. Es sei aber «gerichtsnotorisch, dass sich namentlich von einem Alkohol-Blackout nicht zwangsläufig auf Widerstandsunfähigkeit schliessen lasse.»

Er nannte sie «kleine Schwester»

Für den Sex gegen ihren Willen sprachen laut dem Gericht die Beschreibung ihres Verhältnisses. Er sagte aus, sie sei für ihn wie eine «kleine Schwester» gewesen. Er gab aber auch zu, dass sie gesagt habe, dass er für sie ein guter Kollege sei und sie kein weiteres Interesse an ihm habe. Das Kriminalgericht hielt ebenfalls fest, dass die junge Frau wohl etwas «naiv und unvorsichtig» gewesen sei. Das sei jedoch noch kein Anlass, ihr Verhalten als Einwiligung in sexuelle Handlungen zu interpretieren.

Ebenfalls nicht entlastend für den Beschuldigten war, dass die Frau gemäss dem Kellner und ihrer damaligen Chefin «viele Beziehungen mit Männern» pflegte und auch am besagten Abend mit anderen flirtete.

Wie kam es zum «Filmriss»?

Eine Frage, die das Gericht speziell interessierte, war der desolate Zustand der jungen Frau nach diesem Abend. Der Verdacht, dass der Mann sie mit sogenannten  «K.O.-Tropfen» oder anderen Substanzen betäubt hatte, wurde mangels Beweisbarkeit fallen gelassen.

Bei einer Hausdurchsuchung waren jedoch Amphetamine beim Beschuldigten gefunden worden, weshalb er zuerst wegen Verstössen gegen das Betäubungsmittelgesetz angeklagt war. Diese Anklage wurde jedoch wegen Verjährung fallengelassen.

Ebenfalls freigesprochen wurde der Mann von den Vorwürfen der Vergewaltigung und der sexuellen Nötigung. Verurteilt wurde er aber wegen Schändung. Von Schändung spricht man, wenn jemand eine urteilsunfähige oder zum Widerstand unfähige Person, deren Zustand er kennt, sexuell missbraucht.
Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass der Mann, der nur leicht alkoholisiert war, vorsätzlich gehandelt habe. «Er hat enorm rücksichtslos und kalt ihre Hilflosigkeit ausgenützt, um seine eigenen sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen», heisst es im Urteil. Dies in Kenntnis, dass sie ihm signalisiert habe, kein Interesse an Sex mit ihm zu haben.

Berufung gegen das Urteil

Der mutmassliche Täter wurde zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Von der Freiheitsstrafe sind gemäss erstinstanzlichem Urteil zwölf Monate unbedingt zu vollziehen. Diese Strafe kann er in Halbgefangenschaft absitzen. Für die restlichen 18 Monate wurde der bedingte Strafvollzug gewährt.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Luzerner Anwalt des Beschuldigten, Beat Hess, hat Berufung eingelegt. Der Fall muss jetzt vor dem Kantonsgericht neu verhandelt werden. Hess beantragt einen vollständigen Freispruch seines Mandanten.

«Der Fall ist ziemlich abstrus», sagt der Anwalt. Die beiden seien nach besagter Nacht wieder nach Zug zur Arbeit gegangen.  Sinngemäss führte der Verteidiger aus, die Klägerin habe den Beschuldigten später so lange und immer wieder gefragt, ob etwas zwischen ihnen vorgefallen sei, bis er – genervt und um endlich Ruhe zu haben – plakativ und provokativ ausgerufen habe, ja, sie hätten es getrieben. «Der Beschuldigte erklärte jedoch vorher und nachher immer wieder, es sei nichts vorgefallen», sagt der Anwalt. Der Schuldspruch sei deshalb nicht nachvollziehbar.

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