«Macht uns sehr traurig»

Luzerner Juden schockiert über Anne-Frank-Plakat an Demo

Dieses Plakat sorgte an der Corona-Demonstration am Samstag für grosse Aufregung. (Bild: Twitter)

An der Corona-Demonstration am Samstag in Luzern sorgte ein grosses Plakat mit dem Bild von Anne Frank für Aufregung. Das Plakat verglich die Politik des Bundesrates mit dem Hitler-Regime. Die Jüdische Gemeinde Luzern (JGL) zeigt sich schockiert über das Unwissen vieler.

Das Banner war riesig und an der Corona-Demonstration am Samstag kaum zu übersehen. Prominent ragte es direkt vor der Bühne im Inseli in die Höhe. Massnahmen-Kritiker trugen ein Plakat mit sich, dass Anne Frank zeigt. Das niederländisch-deutsche Mädchen musste während des Zweiten Weltkriegs vor den Nationalsozialisten fliehen und fiel dem Holocaust zum Opfer.

«Ihre Eltern haben die Grausamkeit der damaligen Politik unterschätzt», stellen die Massnahmen-Kritiker den Vergleich zur Corona-Politik her.

Gleich rechts vor der Bühne war Anne-Frank-Plakat prominent zu sehen. (Bild: bic)

Der Vergleich zwischen der Politik des Bundesrates und des Nationalsozialismus schockiert. In den sozialen Netzwerken ist die Aufregung seit Samstag gross.

Denn der Vergleich zwischen den Pogromen des Nationalsozialismus und der Corona-Strategie des Bundesrates ist höchst fragwürdig. So distanzierte sich auch der Wortführer der Massnahmen-Kritiker Nicolas A. Rimoldi vom Verein «Mass-voll» per Twitter umgehend vom Plakat und dessen Botschaft und forderte mehr Respekt gegenüber den Betroffenen des Holocausts.

Auch die Jüdische Gemeinde Luzern (JGL) zeigt sich auf Anfrage von zentralplus schockiert über den Vergleich. «Es macht mich sehr traurig, dass an dieser Demonstration ein Bild von Anne Frank für diesen Zweck verwendet wurde», sagt Meir Shitrit, Vizepräsident der JGL. Es sei schlicht falsch, in diesem Kontext einen Vergleich zur Judenverfolgung während der Zeit des Nationalsozialismus herzustellen. Shitrit betont, dass ein solcher Vergleich unangebracht und unpassend ist.

«Der Bundesrat versucht den Menschen freiwillige Impfungen zu geben. Die Nazis gaben den Juden Pistolenkugeln und Gas. Ein Vergleich ist völlig falsch.»

Meir Shitrit, Vizepräsident Jüdische Gemeinde Luzern

Shitrit wünscht sich, dass sich die Personen, die hinter dem Plakat stecken, bei Anne Frank und der jüdischen Gemeinde entschuldigen.

«Menschen lernen nichts aus der Geschichte»

Es ist das erste Mal, dass Shitrit von einem solchen Vorfall hört. Allgemein stellt er aber eine grosse Wissenslücke in der Bevölkerung fest, wenn es um die Judenpogrome der Nationalsozialisten geht: «Noch mehr als das Plakat schockiert mich das Unwissen dieser Menschen.»

Viele Menschen wüssten nur vage, was der Holocaust war. Und die Kristallnacht sei mittlerweile erst recht unbekannt. «Das ist ein Problem», so Shitrit, «weil die Menschen so nichts von der Geschichte lernen können.»

Dennoch will der Vizepräsident der Gemeinde nicht juristisch vorgehen gegen die Personen, die hinter dem Anne-Frank-Plakat stecken. Es scheint auch nahezu unmöglich, diese Personen zu ermitteln. Meir Shitrit wünscht sich aber, dass sich die Menschen wieder stärker über die Judenverfolgung der Nazi-Zeit informieren. So würden sie – hoffentlich – von selber merken, dass ein Vergleich zwischen Bundesrat und Nationalsozialismus falsch ist.

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3 Kommentare
  • Profilfoto von Loris Fabrizio Mainardi
    Loris Fabrizio Mainardi, 03.08.2021, 15:54 Uhr

    Hier sieht man, auf welche Weise sich Herr Rimoldi auch noch von Nazi-Vergleichen distanziert:

    https://twitter.com/narimoldi/status/1421928840042004481?s=21

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  • Profilfoto von Tobias Mueller
    Tobias Mueller, 03.08.2021, 15:43 Uhr

    …und eine Ordnungsmacht, welche dem Geschehen mit Sanktion von gewählten Behörden zuschaut. Meine Beiträge im Vorfeld dieser Aufmerksamkeitsaktion wurden von Zentralplus nicht goutiert. Sei’s drum. Dann zeigen wir uns demnächst einfach wieder «betroffen», wenn das Unvermeidliche eintritt.

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  • Profilfoto von Pascal1
    Pascal1, 03.08.2021, 15:20 Uhr

    @Rimoldi: Auf Twitter den Gegnern der Corona-Demonstranten Respektlosigkeit gegenüber den Opfern des Faschismus vorwerfen, aber an der Demo 10 Meter vor der Anne-Frank-Fahne marschieren und eine Rede zu halten, ohne ein Wort darüber zu verlieren. Offensichtlich Rechtsradikale an ’seiner› Demo akzeptieren, um sich danach online davon zu distanzieren…
    Sagt alles über ihn aus.

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