«Hacktivistin» von US-Behörde angeklagt

Luzerner Hackerin Tillie Kottmann erklärt Beweggründe

So präsentiert sich die 22-jährige Luzerner Hackerin TIllie Kottmann auf ihrer Website deletescape. (Bild: Tillie Kottmann)

«Datendiebstahl» und «Verschwörung» wirft das US-Justizministerium der 22-jährigen Tillie Kottmann vor. Die Luzernerin ist mit einem Hack der Überwachungstechnik-Firma Verkada weltweit bekannt geworden. In einem Interview klärt sie nun auf, was sie damit bezwecken wollte.

«Hacker brechen in tausende Überwachungskameras ein» – so titelt das amerikanische Medienunternehmen «Bloomberg» am 9. März. Verantwortlich dafür war eine Hacker-Gruppe, in deren Mitte eine 22-jährige Luzernerin steht: Tillie Kottmann. Die gelernte Informatikerin bezeichnet sich selbst als «Hacktivistin». Also eine Aktivistin, die ihre Standpunkte mithilfe von Hacking klarmacht. In einem Interview in der Septemberausgabe des Kulturmagazins «041» erklärt sie, was es mit dem Verkada-Hack auf sich hatte, ihre Beweggründe, und räumt mit Hacker-Stereotypen auf.

Volle Kontrolle über tausende Überwachungskameras

Der im Artikel angesprochene Hack bezieht sich auf das Sillicon Valley Start-Up Verkada Inc. Dieses vertreibt cloud-basierte Sicherheits- und Überwachungssysteme. In einem Support-Tool, welches hätte intern sein sollen, konnten Kottmann und andere die Zugangsdaten zu einem Super-Admin-Account herauslesen. Darüber erhielten sie Vollzugriff auf über 150'000 Überwachungskameras.

Dass sie live-Zugang zu all den Systemen von Verkada-Kunden bekommen hat, liegt an der potenziellen Unsicherheit von Cloud-Systemen: «Im Fall Verkada ist der Ort, wo alle Videos gespeichert und verarbeitet werden, ein zentraler Server in den USA. Wenn eine Person Zugriff hat, dann sieht die alles, bei all diesen Firmen.» Über das Überwachungssystem konnten sie so in Psychiatrien und in Gefängnisse einblicken und bekamen teils «schlimme Sachen» zu sehen.

Diese Einblicke schickte sie an «Bloomberg». Deren Enthüllungsartikel katapultierte Kottmann über Nacht ins Rampenlicht der internationalen Medien (zentralplus berichtete). Und ins Visier der US-Behörden. Das US-Justizministerium wirft Kottmann «Datendiebstahl» und «Verschwörung» vor und fordert bis zu 20 Jahre Haft. Auf diese Vorwürfe angesprochen, hüllt sich die Hacktivistin in Schweigen.

Einsatz für radikale Transparenz

Mit den Hack-Angriffen will die Luzernerin auf Missstände aufmerksam machen. Ihre zentrale Forderung ist radikale Transparenz. «Wir sind jeden Tag von so vielen Computersystemen abhängig», klagt sie im «041»-Interview. Wie diese genau funktionieren, wisse jedoch kaum einer mehr. Dazu käme auch das «right to repair». «Wenn die Firma das Produkt nicht mehr unterstützt, kein Update mehr dafür macht, sollte man die Möglichkeit haben, dieses selbst oder mit Hilfe von Tutorials zu reparieren.»

Gleichzeitig kämpft sie auch gegen kommerzialisierte Überwachung. Doch Überwachungsfirmen mittels Hackerangriffen zu stoppen, sei «nicht mega realistisch». Trotzdem hofft Kottmann, dass damit zumindest bestehende Sicherheitslücken geschlossen werden und die Überwachung sicherer verläuft. Viel ihrer Hacktivismus-Arbeit sei «Awareness-Arbeit. Mit dem Nebeneffekt, dass es die Firma etwas kostet.»

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