Debatte nach Ja zum Vaterschaftsurlaub

Luzerner Elternzeit-Initiative liegt auf Eis

Väter erhalten künftig zwei Wochen bezahlte Auszeit für ihren Nachwuchs – doch die Debatte ist damit nicht zu Ende. (Symbolbild: Unsplash/Picsea)

Nach der Zustimmung zum Vaterschaftsurlaub stossen linke Kreise bereits Diskussionen über eine weitergehende Elternzeit an. Das könnte auch die kantonale Initiative der Luzerner SP beeinflussen – die bislang noch in der Schublade verharrt.

Wer Vater wird, muss in der Schweiz ab nächstem Jahr 10 Tage lang nicht im Büro oder auf der Baustelle antraben: Die Stimmbevölkerung hat am Sonntag deutlich dem zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub zugestimmt – und die Schweiz vom gesellschaftspolitischen Abstellgleis wegbefördert. Bislang konnten Papis, wo ihr Arbeitgeber nicht eine grosszügigere Lösung vorsah, nach der Geburt ihres Kindes in der Regel gerade mal einen Tag freinehmen. Die Schweiz galt damit als Schlusslicht Europas.

Die Diskussion ist nach dem Abstimmungssonntag aber nicht zu Ende. Bereits stehen weitergehende Forderungen im Raum, insbesondere jene nach einer Elternzeit. Bei diesem Modell, das mehrere europäische Länder kennen, können Vater und Mutter einen Teil des Urlaubs unter sich aufteilen.

Kantone sollen vorangehen – nicht zum ersten Mal

Eine kantonale Initiative für eine Elternzeit hat letztes Jahr auch die Luzerner SP lanciert. Sie sieht für Vater und Mutter nach der Geburt ihres Kindes jeweils 18 Wochen Urlaub vor (zentralplus berichtete). Im Kanton Zürich ist dieselbe Initiative bereits eingereicht worden, in Bern steht eine ähnliche, die insgesamt 38 Wochen Elternzeit fordert, ebenfalls in den Startlöchern.

Der föderale Ansatz macht durchaus Sinn und ist keinesfalls Neuland. Bereits bei der Mutterschaftsversicherung machten einzelne Westschweizer Kantone vorwärts, bevor es eine nationale Lösung gab. Und im Bundeshaus ist noch alles andere als klar, auf welches Elternzeitmodell sich die Befürworter einigen werden.

Zudem hat eine Elternzeit auf nationaler Ebene ohne die Mitteparteien kaum Chancen. Die Luzerner CVP-Ständerätin und Fraktionschefin Andrea Gmür machte am Abstimmungssonntag bereits klar, dass ihre Partei derzeit nicht für eine Elternzeit zu begeistern ist. Ein Ausbau komme aktuell angesichts der Lücken in den Sozialwerken nicht infrage.

Corona kam dazwischen

Deshalb sollen nun also die progressiven Kantone vorangehen. Doch ob die Luzernerinnen und Luzerner über eine Elternzeit abstimmen können, steht derzeit noch in den Sternen. Denn trotz Lancierung der Initiative im September 2019 hat die SP Kanton Luzern bislang noch keine Unterschriften gesammelt.

«Wir wollten im Frühling mit der Unterschriftensammlung starten», sagt Parteipräsident David Roth. «Wegen der Coronapandemie und den damit verbundenen Massnahmen haben wir den Start verschoben.» Im Moment sei es nach wie vor schwierig, auf der Strasse Unterschriften zu sammeln. Das zeigen auch andere Beispiele: In den letzten Monaten haben mehrere Komitees aufgegeben, beispielsweise jenes der Initiative für ein E-Voting-Moratorium rund um den Luzerner SVP-Nationalrat Franz Grüter.

Im Fall der Elternzeit-Initiative der SP Luzern ist es hingegen kein Thema, aufzugeben. Da das Anliegen noch nicht im Kantonsblatt veröffentlicht wurde, ist die offizielle einjährige Sammelfrist noch gar nicht gestartet.

Romandie ist viel progressiver

Wann dies der Fall sein wird, ist derzeit offen. Die Geschäftsleitung der SP bespreche die Lage regelmässig. «Wir gehen schon davon aus, dass man in absehbarer Zeit wieder Unterschriften sammeln kann.» Vorerst wolle man beobachten, wie der Prozess im Kanton Bern anlaufe, wo die SP eine ähnliche Initiative lanciert hat.

«Auch der Kanton Luzern befindet sich in einem Wandel und bricht zunehmend aus dem konservativen Lager aus.»

David Roth, SP-Präsident

Klar ist für die SP hingegen, dass die Forderung nach wie vor berechtigt ist. «Das deutliche Resultat zum zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub zeigt, dass die gesellschaftliche Haltung progressiv ist und weitergehende Anliegen potenziell mehrheitsfähig sind» sagt Roth.

Etwas weniger klar sieht die Situation allerdings im Kanton Luzern aus. Nur gerade 51,9 Prozent der Stimmbevölkerung haben den zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub gutgeheissen. Die Zustimmung liegt damit deutlich unter dem nationalen Durchschnitt von 60,3 Prozent. Andere Kantone – beispielsweise Basel-Stadt (71,6 Prozent Ja-Stimmen), Neuenburg (73,6), Jura (75,6), Genf (79,4) und Waadt (81,6) verzeichneten deutlich höhere Werte.

Übersicht über das Resultat in den einzelnen Luzerner Gemeinden:

Nur gerade 18 der 82 Luzerner Gemeinden stimmten am Sonntag für den Vaterschaftsurlaub. Im Entlebuch und im Hinterland fand das Anliegen kaum Gehör. Die SP müsste für eine Elternzeit, die werdenden Vätern 18 statt 2 Wochen zugestehen will, also besonders im ländlichen Raum noch viel Überzeugungsarbeit leisten.

Das Resultat im Kanton Luzern sei «nicht gerade überbordend», räumt Roth ein. Dennoch bleibt er zuversichtlich. Die gesellschaftliche Entwicklung sei nicht von der Hand zu weisen. «Auch der Kanton Luzern befindet in einem Wandel und bricht zunehmend aus dem konservativen Lager aus», konstatiert Roth. Als Beweis dient ihm die überraschende Annahme der Initiative des Mieterverbandes für die Formularpflicht (zentralplus berichtete).

«Zudem gibt es für die Elternzeit zusätzliche Argumente, die beim Vaterschaftsurlaub nicht zum Tragen kamen», so Roth. So würde sie beispielsweise die potenzielle Diskriminierung von jungen Frauen am Arbeitsplatz verringern, da junge Männer mit einer Elternzeit genauso von einer möglichen Absenz wegen Nachwuchses betroffen sein könnten.

Wird Initiative vorzeitig beerdigt?

Ohnehin ist umstritten, ob die Kantone auf eigene Faust eine Elternzeit einführen dürften. Der Nationalrat sprach sich letztes Jahr dagegen aus. In Zürich hat der Regierungsrat die kantonale Elternzeit-Initiative der SP aber für gültig erklärt. David Roth ist deshalb zuversichtlich, dass das Anliegen nicht an dieser Hürde scheitern wird.

Eher könnte die SP Luzern von den Diskussionen in Bundesbern vorzeitig gestoppt werden. Die «IG Elternzeit» hat am Wochenende bereits eine nationale Volksinitiative angekündigt, die je 16 Wochen bezahlte Elternzeit für Mutter und Vater verlangt.

Die Debatte auf eidgenössischer Ebene verfolge man mit Interesse, sagt der Luzerner SP-Präsident David Roth. «Ich kann nicht ausschliessen, dass nationale Entwicklung unsere Initiative überholt.» 

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