Wegen Schulden Rechtsanwaltstitel kassiert

Luzerner Anwalt verliert sein Patent

Das Gebäude des Bundesgerichts in Lausanne.

(Bild: zvg)

Zum ersten Mal seit Langem verliert ein Luzerner Anwalt sein Patent. Er bringe den Ruf des Rechtsanwaltstitels in Gefahr, finden Aufsichtsbehörde und Bundesgericht. Sein Verschulden hat mit Geld zu tun.

Wer Anwalt werden will, muss ein Uni-Studium, ein Praktikum und die schwierige Anwaltsprüfung überstehen. Doch alle Fachkenntnisse nützen nichts, wenn ein Anwalt keine blütenreine Weste vorweisen kann. Um den Beruf vor Halunken zu schützen, kann diesen der geschützte Titel «Rechtsanwalt» aberkannt werden. Aber nicht nur Halunken kann es treffen.

Im Gesetz heisst die reine Weste «persönliche Voraussetzungen» und genau diese sind einem Luzerner Anwalt kürzlich zum Verhängnis geworden. Er hat am 5. Juli sein Anwaltspatent definitiv verloren. Das Bundesgericht wies seine Beschwerde gegen den Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde ab. Sein Vergehen: Er ist hoch verschuldet.

Schadenersatzforderungen verschlampt

Dass das überhaupt aufgeflogen ist, hat er einem Fehler zu verschulden. Der damalige Anwalt übernahm vor einigen Jahren das Mandat einer Frau, die Opfer eines Verkehrsunfalles geworden war. Doch er versäumte es offenbar, die Ansprüche der Frau bei der Versicherung des Unfallverursachers anzumelden, bis diese verjährten. Ein dummer Fehler – und ein übliches Berufsrisiko, gegen das Anwälte eigentlich versichert sein müssten.

Die Frau suchte sich einen neuen Anwalt und nahm ihren bisherigen Anwalt in die Pflicht. Doch dieser tischte immer neue Ausreden auf, wieso er ihr seine Haftpflichtversicherung nicht angeben könne. Als sie nach über einem halben Jahr noch immer nicht weiter war, verpfiff sie ihren ehemaligen Anwalt an die Aufsichtsbehörde über die Anwältinnen und Anwälte. Auch diese vertröstete der Mann von Termin zu Termin.

Über 300’000 Franken Schulden

Bei einer Anhörung gab er schliesslich zu, total überschuldet zu sein und auch keine Berufshaftpflichtversicherung mehr zu haben. Bei ihm war nichts mehr zu holen: Eine Auskunft beim Betreibungsamt ergab, dass gegen den Anwalt Verlustscheine von über 300’000 Franken bestanden.

Die Aufsichtsbehörde beschloss deshalb, ihm das Anwaltspatent zu entziehen. Denn ein verschuldeter oder verurteilter Anwalt – das geht von Gesetzes wegen nicht. «Wenn gegen einen Anwalt Verlustscheine vorliegen, können wir ihm das Patent entziehen, wenn die Vertrauenswürdigkeit wegen Zahlungsunfähigkeit nicht mehr gegeben ist», sagt Kantonsrichter Andreas Korner, Vizepräsident der Aufsichtsbehörde.

«Wir müssen das Vertrauen in den Anwaltsberuf schützen.»

Andreas Korner, Vizepräsident der Aufsichtsbehörde

«Anwälte nehmen Vorschüsse entgegen und verwalten Geld für ihre Klienten.» Eine Insolvenz sei mit dieser Position nicht vereinbar, so Korner: «Klienten sollen dem Anwalt bedenkenlos finanzielle Mittel anvertrauen können, ohne befürchten zu müssen, dass der Anwalt diese nicht mehr zurückgeben kann. Wir müssen das Vertrauen in den Anwaltsberuf schützen.» Als Folge des Patententzugs darf sich der Mann nun nicht mehr Rechtsanwalt nennen. Und: Der Entzug wurde im Kantonsblatt veröffentlicht.

Zwei Fälle in 20 Jahren

Kantonsrichter Andreas Korner ist Vizepräsident der Aufsichtsbehörde.

Andreas Korner ist Vizepräsident der Aufsichtsbehörde.

(Bild: zvg)

Zu diesem Mittel müsse die Aufsichtsbehörde nur selten greifen, meint Korner: «Ich kann mich an zwei Fälle in den letzten 20 Jahren erinnern.»  Allerdings kontrolliert die Aufsichtsbehörde die rund 400 Anwältinnen und Anwälte im Kanton Luzern nicht regelmässig und systematisch. Andreas Korner: «Entweder stossen wir selber auf Verfehlungen oder diese werden uns von Behörden oder Klienten gemeldet.»

Ungefähr zwei- bis dreimal im Jahr büsse oder verweise man einen Anwalt, weil er der Verpflichtung zur korrekten Abrechnung nicht nachgekommen ist oder Akten unvollständig zurückgab. Für einen Patententzug reicht das jedoch nicht. Dafür muss ein Anwalt wegen eines Kapitalverbrechens, wegen Veruntreuung oder Betrug verurteilt sein oder es müssen Verlustscheine gegen ihn vorliegen. Wenn man davon erfahre, suche man zunächst das Gespräch mit dem Betroffenen, sagt Andreas Korner. Meist gebe dieser das Patent dann freiwillig zurück. «Doch auch diese Fälle lassen sich in den letzten Jahren an einer Hand abzählen.»

Vor Bundesgericht unterlegen

Der nun betroffene Mann gab jedoch nicht klein bei, sondern beschwerte sich beim Kantonsgericht und nach einer Niederlage schliesslich beim Bundesgericht über den Entscheid. Er stellte sich auf den Standpunkt, das Anwaltspatent sei ein wohlerworbenes Recht, das man ihm nicht entziehen könne.

Doch auch das Bundesgericht liess den Mann abblitzen und machte ihn damit definitiv zum Ex-Anwalt. Der Entzug des Anwaltspatentes sei eine harte Massnahme, «welche das berufliche Fortkommen der betroffenen Person empfindlich behindert und deren eigenständige Existenzsicherung in Frage stellen kann». Daher könne ein Entzug durchaus unverhältnismässig sein, befand das Gericht.

«Potenzielle Kunden assoziieren mit dem Titel ‹Rechtsanwalt› Integrität und Unbescholtenheit.»

Bundesgericht

Doch das öffentliche Interesse des Konsumentenschutzes bei der Rechtsberatung gehe dem privaten Interesse an der Verwendung des Rechtsanwaltstitels grundsätzlich vor. «Potenzielle Kunden assoziieren mit diesem Titel nicht nur Fachkompetenz, sondern auch Integrität und Unbescholtenheit.»

Der Entzug des Anwaltspatentes sei für den Anwalt aber auch aus einem weiteren Grund verhältnismässig, fand das Bundesgericht: «Im Zeitpunkt des angefochtenen Urteils war er 66 Jahre alt.»

Im Unterschied zum Kantonsgericht erliess das Bundesgericht dem Mann aber die Gerichtskosten – die Beschwerde sei nicht im Vorhinein aussichtslos gewesen.

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