Marco Castellaneta ist neuer Quartierpräsident

«Luzerner Altstadt muss nicht Spielsalon der Innenstadt sein»

Sieht seine Altstadt trotz Turbulenzen auf Kurs: Der neue Quartierpräsident Marco Castellaneta. (Bild: bic)

Die Luzerner Altstadt sei viel besser, als verschiedene Stimmen erahnen lassen, sagt Marco Castellaneta. Seit dieser Woche ist er Präsident des Quartiervereins Altstadt. Folglich ortet er derzeit wenig Handlungsbedarf. Vor allem, weil die Altstadt keinesfalls isoliert betrachtet werden dürfe und die Zeiten sich halt ändern.

Nicht erst seit der Pandemie und ihren Auswirkungen auf den Tourismus und das Einkaufsverhalten steht die Luzerner Altstadt vermehrt im Fokus der öffentlichen Diskussion. Airbnb, Touristenströme und nicht zuletzt der oft bemühte Begriff des Lädelisterbens prägen die Diskussion. Wem gehört das historische Stadtzentrum und wie schaffen wir es, dass es sowohl für die Touristinnen als auch die Einheimischen ein Ort mit viel Lebens- und Aufenthaltsqualität ist und bleibt?

Der Mann, der sich in den kommenden Jahren diesen Fragen widmet, ist Marco Castellaneta. Der Ur-Luzerner dürfte vielen ein Begriff sein. So arbeitete der heute 56-Jährige in jungen Jahren etwa als Journalist für die damalige LNN und später für ein hiesiges Lokalradio. Um die Jahrtausendwende wurde er schweizweit als Moderator der Konsumsendung «Marktplatz» des Schweizer Fernsehens bekannt. Er präsidierte ausserdem lange die Vereinigten Guuggenmusigen und sitzt seit zehn Jahren im Verwaltungsrat des FC Luzern, welchen er Ende Jahr verlässt.

Mehr über die Innenstadt als Ganzes reden

Seit Mitte dieser Woche ist er Präsident des Quartiervereins Altstadt. Erneuert wurde diese Woche an der Generalversammlung die Mehrheit des elfköpfigen Vorstands. Er ist nun also oberster Vertreter des Quartiers, in dem er bereits die ersten Tage seiner Kindheit verbracht hat. Damals parkten am Rathausquai und auf den Plätzen der Altstadt noch Autos und es galt noch Tempo 60 in der Innenstadt. Da hat er auch grösstenteils gewohnt und viele Jahre am Amtsgericht und im Konkursamt gearbeitet. Auch heute fühlt er sich in dieser Gegend heimisch.

Wo setzt Castellaneta nun an, um genannte Herausforderungen anzupacken? «Den Eindruck, wonach die Altstadt tot ist oder im Sterben liegen soll, spüre ich bei den Bewohnerinnen und Bewohnern sowie den anderen Akteuren in der Altstadt nicht», schickt Castellaneta gleich voraus und widerspricht damit Äusserungen der letzten Monate. «Viele sagen sogar, dass es besser sei als vor zehn Jahren oder zwanzig Jahren.» Mehrmals während unseres Gesprächs am Rathausquai sagt er: «Die Altstadt lebt.»

«Dass es in der Altstadt keine Metzgerei mehr gibt, daran ist nicht die Altstadt schuld.»

Der Umgang mit dem Begriff «Altstadt» ist für ihn grundsätzlich nicht mehr zeitgemäss. Zu sehr habe sich die ganze Stadt in den letzten Jahrzehnten entwickelt. «War die Altstadt früher gleichzeitig auch die Innenstadt, würde ich die Altstadt heute eher als historischen Kern einer gewachsenen und viel grösser gewordenen Innenstadt bezeichnen, zu der heute auch andere Quartiere gehören, sicher mal Hirschmatt-Neustadt», sagt Castellaneta.

Die Schwierigkeiten begannen bereits vor Jahrzehnten

Folglich sei es angezeigt, bei der Diskussion um den Branchenmix und das Lädelisterben den Blick über die Reuss zu werfen, wo bereits an der Bahnhofstrasse das Hirschmattquartier und die Neustadt beginnen und mit dessen Quartierverein man in Zukunft noch enger zusammenarbeiten möchte.

«Dass es in der Altstadt keine Metzgerei mehr gibt, daran ist nicht die Altstadt schuld. Auch in der Neustadt gibt es keine mehr und es wird wohl auch keine neue eröffnet», führt Castellaneta aus. Das habe aber damit zu tun, dass diese Angebote von den Grossverteilern abgedeckt werden, die sich in den vergangenen Jahrzehnten verstärkt in und um die Altstadt, oder eben in der Innenstadt, niedergelassen haben.

In anderen Worten: Die Leute können sich heute mit fast allem in der Migros Schweizerhof, im Löwencenter, im Coop City oder bei Manor eindecken. Mittlerweile befinden sich an der Hertensteinstrasse auch eine Aldi-Filiale und eine Filiale der deutschen Drogeriekette Müller, die ein breites Sortiment zu bieten hat.

Die Nachfrage verändert sich

Letztlich verändere sich auch schlicht die Nachfrage. Und dass zum Beispiel in der Mensa der Uni Luzern kein Fleisch mehr serviert wird, sei wohl ein Beispiel dafür, dass sich der Umgang mit dem Essen und damit der Markt im Wandel befinde. «Darum müssen wir wie erwähnt bei allen Fragen immer über die Stadt als Ganzes reden und wir müssen grundlegende Fragen wie den Verkehr der Zukunft im Grossen klären.» Und zwar mindestens im ganzen Gebiet zwischen «Nord- und Südpol», so der ehemalige Konsum- und Wirtschaftsjournalist und heutige Direktor des Museums Aargau, der ausserdem noch den Verband «Die Schweizer Schlösser» präsidiert.

Dass der Markt und der Verdrängungskampf gerade in der Altstadt knallhart seien, stellt Castellaneta indes nicht in Abrede. Auch, wenn das Problem der oft kritisierten Höhe der Mieten, zumindest bei den Wohnungen, kaum auftrete. Und die Airbnb-Problematik sei – mindestens zum jetzigen Zeitpunkt – auch noch nicht gross.

Bis heute eine buntgemischte Bewohnerschaft

«Es leben auch Familien mit Kindern mitten in der Altstadt. Und generell handelt es sich bei der überwiegenden Mehrheit der Altstadtbewohner um echte› Luzernerinnen und Luzerner», beschreibt Castellaneta die etwas über 2'000 Quartierbewohnerinnen. So habe es ihn auch gefreut, dass teilweise eher jüngere Leute an der Versammlung des Quartiervereins anwesend waren und sich für das Zusammenleben in der Altstadt interessieren.

«Ein Mitglied des neuen Vorstandes zügelte vor einigen Jahren im Alter von 18 in die Altstadt und wohnt hier heute mit seinen Kindern», so Castellaneta. Natürlich gebe es da und dort Verbesserungspotenzial. Es sei nun die Arbeit des neuen Vorstands, die Positionen des Quartiers in den wichtigen Themen zu klären und Ziele festzulegen.

Ist sie besser als ihr Ruf? Blick auf die Luzerner Altstadt. (Bild: bic)

Grundsätzlich besteht in der Altstadt ein guter Mix zwischen Wohnen und urbanem Leben. Dazu gehöre auch, dass man an einem Sonntagabend im Winter durch die menschenleeren Gassen laufen könne, während es im Sommer und unter der Woche und insbesondere an den Samstagen pulsiert in der Altstadt. Auch der Wochenmarkt an der Reuss, der eine überregionale Ausstrahlung habe, trage seinen Teil dazu bei. «Es ist gerade dieser Mix, der für die Bewohnerinnen und Bewohner reizvoll ist», so Castellaneta, «so haben wir unsere wunderschöne Altstadt immer wieder mal ganz alleine für uns.»

«Der Tourismus wird nicht von der Stadt oder vom Tourismusdirektor gemacht.»

Auch bei den hohen Mieten für die Ladenlokale ortet Castellaneta nur bedingt ein Problem. Es sei einfach so, dass eine Ladenbetreiberin vor dem Hintergrund einer hohen Miete einfach schneller einen Schlussstrich ziehe als anderswo, wenn es ein paar Monate lang nicht mehr so gut läuft. Dies habe sich durch die Pandemie zugespitzt, sodass die Altstadt während einer gewissen Phase fast wie eine Geisterstadt erschien. Mittlerweile seien aber viele der vorübergehend leeren Lokale wieder besetzt, wenn teils auch nur mit Pop-up-Stores (zentralplus berichtete).

Wie weiter mit dem Tourismus?

Und was ist mit dem (Massen-)Tourismus, der laut kritischen Stimmen ebenfalls negative Folgen für die Altstadt haben soll? «Ich begrüsse es sehr, dass die offizielle Stadt die Frage nach dem ‹richtigen› Tourismus stellt und dass wir als Quartiervereine im partizipativen Prozess mitgestaltend dabei waren. Wir sind nun gespannt, welche Tourismusvision 2030 präsentiert werden wird», sagt Castellaneta.

«Ich habe keine Antwort auf die Frage, welche Angebote man fördern müsste.»

Gleichzeitig warnt er vor zu grossen Erwartungen. «Vielleicht bleibt es am Schluss nur eine Art Absichtserklärung, in welche Richtung es grundsätzlich gehen soll.» Und Castellaneta schiebt nach. «Tourismus wird ja nirgendwo nur von einer Stadt oder vom Tourismusdirektor gemacht, sondern von den Anbietern und nicht zuletzt von Marketingorganisationen, die im Ausland sitzen und die Menschen – unter anderem auch im Car – nach Luzern bringen.» 

Neustadt führt zu Entlastung

Obwohl die Altstadt laut Castellaneta also um einiges besser ist als ihr Ruf, vernehme auch er Stimmen, die die «Altstadt von früher» vermissen. «Früher lief eben in Luzern gerade am Abend fast nur in der Altstadt etwas, fast alle Ausgehbereiche und Restaurants waren hier. Einige haben also sicher noch diese Zeiten in Erinnerung, als man für den Ausgang zwingend in die Altstadt ging», erklärt sich Castellaneta diese Äusserungen. Heute sei aber die gesamte Innenstadt – vor allem die Neustadt – zum Hotspot des städtischen Lebens geworden. Eine grosse Anzahl der Bars und Kulturlokale befinde sich dort.

«Die Altstadt muss heute also nicht mehr der Spielsalon der Innenstadt sein», macht Castellaneta vor diesem Hintergrund und wiederum mit Blick auf die gesamte Stadt klar. Viele, die heute für den Ausgang nicht mehr in die Altstadt kommen, hätten wohl an anderen Orten etwas gefunden. Die Altstadt müsse heute folglich in dieser Richtung weniger leisten als damals und stehe weniger unter Druck, weil sich das Angebot besser verteile. «Das ist doch tiptop», sagt Castellaneta.

«City-Manager ist nicht die Lösung»

Vor dem Hintergrund all dieser Aspekte erachtet der Neo-Quartierpräsident auch die aktuell diskutierte Idee einer City-Managerin als wohl nicht zielführend. «Da eine City-Managerin verglichen mit einem Shopping-Center Ladenflächen nicht selber nach Belieben und Konzept verteilen kann, müsste sie sich dafür mit zig verschiedenen Hauseigentümern austauschen, welche für ihre Ladenflächen eine bestimmte Rendite sehen wollen und daher bei den Mieten kaum Kompromisse eingehen würden», so Castellaneta.

Der Handlungsspielraum einer City-Managerin bliebe so sehr klein. So wäre ein solches Projekt kaum erfolgreich, meint Castellaneta und schmunzelt: «Was ändert sich, wenn eine Umfrage ergäbe, dass es einen Bücherladen zu wenig und zwei Kleidergeschäfte zu viel hat?»

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