Anti-Stau-Initiative der JSVP

Luzern streitet über die Zukunft des Autoverkehrs

Zu eng: Das Auto soll in Luzern mehr Platz erhalten. (Bild: Symbolbild: Ezequiel Garrido)

Die Anti-Stau-Initiative der Jungen SVP kommt nächsten Montag in den Kantonsrat. Der Regierungsrat will sie ersatzlos kübeln, die parlamentarische Verkehrskommission verlangt einen Gegenvorschlag. Im Kern geht es um die grösste Glaubensfrage der Verkehrspolitik.

Falls es einen heiligen Gral der Verkehrsplanung gibt, so wird dieser durch die Inschrift «Anti-Stau» geziert. Wer den Gral fände – und somit eine nachhaltige Lösung für den kontinuierlich wuchernden Stau auf den Schweizer Strassen vorlegte –, würde vermutlich umgehend als «Schutzheiliger der Pendler» in die Folklore eingehen.

Insofern klingt der Name der Volksinitiative der Jungen SVP vielversprechend: «Anti-Stau-Initiative». Ihr «Elixier» zur Lösung des Stauproblems: Bei Bedarf mehr Strassen bauen. Und so gelangt man ohne Umschweife zur ältesten aller verkehrs-philosophischen Streitfragen: Sind neue Strassen die Lösung für Stau oder die Ursache von noch mehr Stau?

Auto soll den «nötigen Raum» zurückerhalten

Für die Initianten der Jungen SVP geht es weniger um philosophische «Heureka-Momente» als um ganz konkrete Ärgernisse für Autofahrerinnen: Dosierungsanlagen, Abbiegeverbote, Fahrbahnhaltestellen oder Spurabbau zugunsten des öffentlichen Verkehrs (ÖV).

Die Anti-Stau-Initiative will weitere Einschränkungen der Autofahrer verhindern und dem motorisierten Individualverkehr (MIV) stattdessen «den nötigen Raum» geben, wie es im Initiativtext heisst. Konkret: «Die Kapazität des kantonalen Strassennetzes soll sich an der Nachfrage ausrichten und die Erhöhung der nötigen Strassenkapazität bezwecken.» Dies soll grossflächige Staus und Verkehrszusammenbrüche verhindern.

Die Regierung hält nichts davon ...

Die Forderung der Initiative ist klar und deutlich: Die Verkehrsplanung hat sich am MIV zu orientieren. Deutlich fällt aber auch die Einschätzung des Regierungsrates aus: Die Initiative bringe keine Lösungen, sondern lediglich neue Probleme. «Weder der alleinige Fokus auf die Kantonsstrassen noch die ausschliessliche Ausrichtung ihrer Leistungsfähigkeit auf den MIV sind zielführend», liess die Regierung in einer Mitteilung verlauten.

Eine ganze Litanei von Faktoren und Bedenken würden gegen die Initiative sprechen: Von Bundesgeldern, die verloren gingen, über den Verlust von Kulturland bis hin zu den hohen Kosten, um dieses Land für den Bau neuer Strassen zu erwerben. Die Regierung beantragt deshalb dem Kantonsrat, die «Anti-Stau-Initiative» abzulehnen, und zwar ohne einen Gegenvorschlag (zentralplus berichtete).

... die Verkehrskommission allerdings schon

Dass der letztlich stramm bürgerliche Luzerner Regierungsrat eine «Pro-Autofahrer-Initiative» in dieser Deutlichkeit ablehnt, scheint nicht nur bei der SVP für eine gewisse Überraschung gesorgt zu haben. Zum Ausdruck bringt dies der Antrag der kantonsrätlichen Kommission Verkehr und Bau (VBK). Sie will den Antrag der Regierung zurückweisen und verlangt einen Gegenvorschlag.

In der zwölfköpfigen Kommission nehmen drei SVP-Mitglieder Einsitz. Um eine Mehrheit für die Forderung eines Gegenvorschlags zu gewinnen, mussten sie Schützenhilfe von anderen Kommissionsmitgliedern genossen haben. Diese dürften wohl vorweg aus den Reihen der Mitte (3 Mitglieder) und der FDP (2 Mitglieder) stammen. Die SP ist mit zwei Mitgliedern vertreten, GLP und Grüne je mit einer.

Ein Argument der Initiative, das in der Kommission Anklang gefunden haben dürfte, betrifft die Stauprobleme in den ländlichen Gemeinden. Sie seien oftmals «dem mangelhaften Ausbau der Strasseninfrastruktur geschuldet». Die Initiative will deshalb beispielsweise den Bau neuer Umfahrungen fördern, heisst es in einer Stellungnahme der SVP, die als Reaktion auf die Abfuhr des Regierungsrates veröffentlicht wurde. Und weiter: «Ein Gegenvorschlag hätte in eben diese Richtung gehen können.»

Ein Gegenentwurf zur Anti-Stau-Initiative könnte dünn ausfallen

Was also, wenn die Forderung der VBK im Rat eine Mehrheit findet? So wie in Zürich, wo 2017 ein Gegenvorschlag zu einer ähnlichen Initiative an der Urne auf Zustimmung stiess und die Rolle des Autoverkehrs in der Kantonsverfassung verankerte (zentralplus berichtete)?

Für den Luzerner Regierungsrat ist klar: Viel würde dabei nicht herausschauen. «Ein allfälliger Gegenentwurf hätte sich im Rahmen der Thematik der Initiative zu bewegen, was nur wenig Spielraum für einen umsichtigen und zugleich griffigen Gegenentwurf belässt», heisst es in der entsprechenden Botschaft. Ein Papiertiger mit Ansage also.

Anti-Stau-Initiative: Ein Widerspruch zu gesetzlichen Grundsätzen

Tatsache ist, dass das Korsett für einen Gegenentwurf schwindsucht-erregend eng geschnürt ist. Dies in erster Linie, weil die Initiative Ziele verfolgt, die im Widerspruch zu den aktuellen Planungen des Bundes und jenen des Kantons stehen. Auf beiden Ebenen will man das Verkehrsaufkommen auf den Strassen durch Lenkungsmassnahmen entlasten. Mit anderen Worten: Den Umstieg auf den ÖV und Langsamverkehr fördern. So widerspricht die Kernforderung der Initiative auch mehreren Grundsätzen, die im kantonalen Strassengesetz verankert sind. Beispielsweise, dass die bestehenden Strassen den Bedürfnissen des ÖVs anzupassen seien.

Die Debatte im Kantonsrat dürfte aus mehreren Gründen spannend werden. Vor allem, weil hier tiefste verkehrspolitische Grundsatzfragen aufgeworfen werden, die so wohl seit dem Niedergang der Autopartei nicht mehr diskutiert wurden.

Ob die nüchternen Argumente der Regierung – dass gerade die in der Initiative kritisierten Massnahmen, wie etwa Dosierungsanlagen, für einen flüssigeren Verkehr und damit für weniger Stau sorgen – dem emotionalen Autofahrerfrust entgegenzutreten vermögen, wird sich in dieser Debatte zeigen. In jedem Fall wird sie die Weichen für die kommende Abstimmung stellen.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Hans Peter Roth
    Hans Peter Roth, 05.12.2021, 23:57 Uhr

    JSVP: Ein Fall für den Schmutzli. 😵

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  • Profilfoto von Hegard
    Hegard, 05.12.2021, 19:47 Uhr

    Ich meinte zB die Büroangestellten könnten in mehr Gleitzeit arbeiten,das würde nicht nur den ÖV mit Ihren Kapazitäten Lockern sondern auch den Autoverkehr. Zudem
    Hatten früher schon Bürolisten anscheinend nichts anders zu tun,als
    Handwerker anzuzeigen die momentan Vorort Arbeiten mussten.Dabei mussten diese regelmässig im gleichen Büro arbeiten,reagierten kindisch und ruften die Polizei.
    Und genau solche Angestellten könnten früher schon bequem mit dem ÖV an die Arbeit fahren und regen sich wegen dem Stau auf.

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