Robo-Autos beschäftigen Politik

Selbstfahrende Autos: Luzern soll Versuchslabor werden

Fahren Autos künftig selbstständig? Kantonsrat Markus Bucher ist davon überzeugt. (Bild: Adobe Stock/Die Mitte)

Das autonom fahrende Auto wird als die nächste Technologierevolution gehandelt. Im Kantonsrat fragt man sich nun, ob Luzern dafür gewappnet ist – und ob die Regierung bereit ist, eine Pionierrolle zu übernehmen.

Die Idee eines selbstfahrenden Autos fasziniert. Zwar nicht erst seit Elon Musk und die anderen Tech-Bros aus dem Silicon Valley mit den Möglichkeiten von autonomen Fahrzeugen liebäugeln, aber seither definitiv verstärkt. Vor rund sechs Jahren brach ein regelrechter Hype und Wettlauf rund um das erste strassentüchtige «Robo-Auto» aus.

In der Schweiz sorgten Postauto und SBB für Schlagzeilen, als sie erste selbstfahrende Kleinbusse testeten. So war in der Stadt Zug 2019 etwa der SBB-Kleinbus «MyShuttle» unterwegs (zentralplus berichtete). Berichte über teils tödliche Unfälle mit selbstlenkenden Autos vermochten die Euphorie etwas zu dämpfen und ethische und regulatorische Grundsatzfragen ins Zentrum zu stellen. Auch um sich diesen Fragen zu stellen, hat der Bund vergangenes Jahr die Arbeitsgruppe Mobilität 4.0 einberufen (zentralplus berichtete).

Es ist zwar ruhiger geworden, geträumt wird aber noch immer. Im Luzerner Kantonsrat kommt das Thema nun ebenfalls wieder aufs politische Parkett. In zwei separaten Vorstössen von GLP und die Mitte werden dem Regierungsrat Fragen zum autonomen Fahren gestellt. In erster Linie soll die Regierung aufzeigen, ob und wie sie für diesen nächsten grossen Quantensprung vorbereitet ist – und ob daraus nicht auch Profit geschlagen werden könnte.

Wie Basel für die Pharma und Zug für Krypto

Kantonsrat Markus Bucher (Mitte, Beromünster) erkundigt sich in seiner Anfrage unter anderem, wer sich im Kanton Luzern möglicherweise bereits mit der Entwicklung im Bereich des «autonomen Fahrens» beschäftigt. Zudem will er wissen, wie der Kanton grundsätzlich zu diesem Thema steht.

Vor allem aber sieht Bucher in dieser Entwicklung auch ein unausgeschöpftes Potenzial. Bucher stellt in den Raum, dass sich der Kanton Luzern für ein regionales Pilotprojekt bestens eignen würde. «Die Strassen des Kantons Luzern bilden das gesamte verkehrstechnische Spektrum ab. Neben den Autobahnen haben wir den Stadtverkehr, aber auch Agglomerations- und Landverkehr bis hin zu den Passstrassen im Entlebuch. Ideale Voraussetzungen für Testfahrzeuge», schreibt Bucher in seinem Vorstoss.

«Ähnlich wie Basel für die Pharmabranche oder Zug für die Kryptotechnologien, könnte Luzern ein Kompetenzzentrum für alle Fragen rund um das autonome Fahren werden.»

Markus Bucher, Kantonsrat die Mitte

Auf Anfrage von zentralplus vertieft Bucher sein Argument: «Ähnlich wie Basel für die Pharmabranche oder Zug für die Kryptotechnologien könnte Luzern ein Kompetenzzentrum für alle Fragen rund um das autonome Fahren werden.» Nebst den topografischen Gegebenheiten des Luzerner Strassennetzes sieht Bucher auch Potenzial für die in Luzern angesiedelten Hochschulen, um die Forschung bezüglich der ethischen und energetischen Fragen voranzutreiben. «Die technologischen Fortschritte schreiten rasant voran, dadurch wird automatisch der Druck erhöht, diese Fragen zu klären», sagt Bucher.

In diesem Zusammenhang soll der Regierungsrat erklären, ob er dazu bereit ist, das Strassenverkehrsnetz
für Tests im Bereich «autonomes Fahren» zur Verfügung zu stellen. Zudem soll er die Frage beantworten, ob die Regierung sich vorstellen könnte, im Bereich autonomes Fahren eine Pionierrolle einzunehmen, um in Zukunft eine Hochburg für diese Entwicklung zu sein. Weiter soll er auch aufzeigen, welche Wertschöpfung daraus generiert werden könnte. Die Anfrage ist noch hängig.

Problemfaktor Mensch

Eine der meist gestellten Fragen zum Thema: Wann kommt die Revolution? Zuletzt kam jedoch vermehrt die Frage auf, ob die Revolution überhaupt noch kommt. Als der Hype vor einigen Jahren losging, sprach man schon von einem Strassenverkehr, der 2025 vollautomatisiert sein würde. Heute sieht es nach einem längeren Prozess aus.

Eines der Hauptprobleme: Bis die Systeme derart entwickelt sind, dass ein Auto in jeder Situation vollständig autonom fahren und Entscheidungen treffen kann, dauert es noch eine Weile. Stattdessen scheint die Forschung mittlerweile von einer relativ langen «Übergangszeit» auszugehen, in der es durchaus noch Fahrerinnen brauchen wird, die zu jeder Zeit die Kontrolle über das Fahrzeug übernehmen können.

Im Unterschied zum Autopilotensystem in Flugzeugen, sind die Autofahrer aber nicht wirklich Piloten, die in kritischen Situationen innert Sekunden eingreifen können. Gegenüber dem Tech-Blog «Futurezone» erklärt Philipp Wintersberger, Informatiker an der Technischen Universität Wien, dass die zunehmende Automatisierung des Autos mit einer Abnahme der Fahrkünste der Nutzer einhergeht.

Dies zeigte sich zuletzt bei Unfällen mit dem Tesla-Autopilotensystem. Dieses erlaubt, dass das Auto die Spur halten kann, die Hände müssen aber am Lenkrad bleiben. Gemäss einer MIT-Studie nahm die Konzentration auf der Strasse bei Nutzern ab, sobald der Autopilot eingeschaltet wurde. Statt auf die Strasse zu blicken wurde etwa vermehrt auf das Smartphone geschaut.

Noch Jahrzehnte bis zum Durchbruch?

Der menschliche Faktor kann also noch nicht sofort ausgeklammert werden, was die schnelle Realisierung eines komplett autonomen Strassennetzes um Jahrzehnte verzögern könnte. Im Rahmen einer im September gehaltenen Fachtagung prognostizierte auch TCS-Generaldirektor Jürg Wittwer, dass es zwar bereits erste autonom fahrende Fahrzeuge gebe, es aber noch Jahrzehnte dauern werde, bis sich die Technologie durchsetzt.

«Selbst wenn der genaue Zeitpunkt sich noch etwas verzögert, ist es essenziell, dass wir uns schon jetzt Gedanken dazu machen, um darauf vorbereitet zu sein.»

Dass dieser Moment jedoch kommt, ist für Wittwer unbestritten. Es sei zudem auch keine Frage der Akzeptanz und verwies dabei auf das Beispiel des Lifts. Diese wurden Anfang des 20. Jahrhunderts noch von ausgebildeten Liftführern bedient. Die Automatisierung hat diese beinahe aus dem kollektiven Gedächtnis verschwinden lassen – obwohl es auch damals Skepsis gegenüber den «unbemannten» Fahrstühlen gab.

Auch für Kantonsrat Markus Bucher ist klar, dass der technologische Umbruch kommt. «Selbst wenn der genaue Zeitpunkt sich noch etwas verzögert, ist es essenziell, dass wir uns schon jetzt Gedanken dazu machen, um darauf vorbereitet zu sein.» Bucher verweist zudem auch auf die Tatsache, dass sich nicht nur die Schweiz, sondern auch der Kanton Luzern beim CO2-Ausstoss das Netto-null-Ziel bis 2050 gesetzt haben. «Vor diesem Hintergrund müssen wir alle möglichen Entwicklungen im Auge behalten und deren Potenzial ausloten.»

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3 Kommentare
  • Profilfoto von Roli Greter
    Roli Greter, 05.10.2021, 16:27 Uhr

    Gute Idee Herr Bucher, am besten lassen wir diese Fahrzeuge doch in und um Beromünster fahren 🙂

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  • Profilfoto von Alois Iten
    Alois Iten, 05.10.2021, 11:31 Uhr

    DIe Frage ist, ob Luzern über ausreichend Platz verfügt, um autonomen Fahrzeugen eine eigene Fahrspur zur Verfügung zu stellen. Denn genau eine solche benötigt es in einer Übergangsfrist, um Unfälle mit anderen Verkehrsteilnehmern zu vermeiden. Ich persönlich glaube nicht, dass man in der Schweiz über den benötigen Raum verfügt.

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    • Profilfoto von mvonrotz
      mvonrotz, 05.10.2021, 12:09 Uhr

      Eine eigene Fahrspur würde jeden Test verfälschen da die Fahrzeuge ja im «normalen» Verkehr sich beweisen müssten. Aber jeder Fahrzeug Typ müsste natürlich zuerst in einer kontrollierten Testumgebung beweisen dass es funktioniert, bevor sie im Alltag bewegt werden könnten.

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