Interview mit Abwehrrecke Affolter

«Luzern ist eine Mannschaft mit grossen Ambitionen»

Er will mit dem FC Luzern ins europäische Geschäft – mit der Nummer 16: Francois Affolter.

(Bild: els)

Francois Affolter ist zur Zeit der einzige Schweizer Nationalspieler im Kader des FC Luzern. Im Interview mit zentral+ erzählt der junge Bieler, wieso es ihn nicht stört, als Geldanlage behandelt zu werden, wie ihm sein Bonus bei Nati-Trainer Petkovic hilft und weshalb ihm die Kritik an seiner Person egal ist.

Er hatte einen kometenhaften Aufstieg von Biel über Bern nach Bremen in die Bundesliga. Danach folgte für Francois Affolter der schwere Absturz. Zurück in Bern keine Spielpraxis, nach dem Transfer zu Luzern keine guten Leistungen. Ein Jahr lang wurde er als Sündenbock für die sportliche Misere beim FCL abgestempelt. Nun steigt der 24-jährige Profi als unbestrittener Stammspieler in die neue Saison.


zentral+: Francois Affolter, wieso sind Sie eigentlich Profifussballer geworden?

Francois Affolter: Ich habe schon sehr früh angefangen, Fussball zu spielen – als ich etwa vier Jahre alt war. Das war immer meine Leidenschaft. Mit 14 Jahren fing ich an, es wirklich ernst zu nehmen und zwei Mal am Tag zu trainieren. Ich wollte immer Profi werden. Mit 17 Jahren schon hatte ich die Gelegenheit, mein Ziel zu erreichen, und ich kann ich mir auch nicht gross vorstellen, etwas anderes zu machen.

zentral+: Vor Ihrer Zeit beim FCL haben Sie schon für die Berner Young Boys, Werder Bremen und für die Schweizer Nationalmannschaft gespielt. Hat sich Ihr Wechsel damals nach Luzern als Rückschritt angefühlt?

Affolter: Ich finde nicht, weil ich bei YB vorher fast ein Jahr lang ohne Spielpraxis war. Ich wollte unbedingt wieder spielen und Spass am Fussball haben. Es war eine schwierige Zeit. Luzern ist sicher kein Rückschritt, weil der FCL eine Mannschaft mit grossen Ambitionen ist und auch nach vorne spielen will, also auf europäischer Bühne. Das ist in der Schweiz viel einfacher, weil es mehrere Clubs gibt, die das erreichen können – die ersten vier und der Cupsieger – und ich denke, Luzern hat das Potenzial, dieses Jahr auf diese Plätze zu kommen.

«Was in der Zeitung steht, ist Nebensache und berührt mich nicht.»

zentral+: Das ganze Jahr 2014 standen Sie in der Kritik, wurden auch als Fehleinkauf abgestempelt. Hat Sie diese Kritik getroffen?

Affolter: Nein, nicht unbedingt. Ich habe es von Kollegen erfahren, weil ich nicht so viel lese, was alles in den Medien geschrieben wird, und es interessiert mich auch nicht sonderlich. Ich kann mich selbst gut einschätzen und auch kritisieren. Ich weiss, welche Fähigkeiten ich habe und wie ich Fussballspielen kann. In der Zeitung steht nicht die Meinung von Millionen Leuten, es ist nur die Meinung einer einzelnen Person. Das ist Nebensache und berührt mich nicht.

zentral+: Waren Sie erleichtert, als im vergangenen Winter Tomislav Puljic zurück kam und Sie danach nicht mehr so im Fokus standen?

Affolter: Nein. Als Fussballer trainiert man jeden Tag, die ganze Woche, um die Spiele zu machen. Das ist das Beste an diesem Beruf. Als er gekommen ist, war der Konkurrenzkampf höher und es ist viel schwieriger, wieder spielen zu können. Deswegen war ich nicht erleichtert, sondern ich war noch motivierter, weil ich unbedingt zeigen wollte, dass ich spielen kann.

zentral+: Haben Sie in dieser Zeit, in der ersten Hälfte der vergangenen Rückrunde, etwas an Ihrem Training geändert oder Ihre Rolle im Team neu definiert?

Affolter: Nein. Wir hatten eine gute Vorbereitung in Marbella. Da haben wir hart gearbeitet und sind besser geworden – vor allem in der Laufbereitschaft. Das hat uns geholfen. Danach waren wir physisch bereit und hatten mehr Möglichkeiten, besser Fussball zu spielen, weil wir nicht mehr so schwere Beine hatten. Wir wurden leichter in unserem Spiel und Denken.

zentral+: Sie sind ja noch jung genug, um sich weiterzuentwickeln. Was möchten Sie an Ihrem Fussballspiel noch verbessern?

Affolter: Es gibt immer etwas zu verbessern. Ich denke, ich habe noch Potenzial was die Zweikämpfe angeht, vor allem bei Luftduellen. Als Innenverteidiger mit meiner Grösse müsste ich pro Saison eigentlich zwei oder drei Tore mit dem Kopf machen.

Francois Affolter will sein Kopfballspiel verbessern. Im Duell gegen Dortmund-Star Pierre-Emerick Aubameyang zieht er im Testspiel den Kürzeren (Foto: Martin Meienberger/meienberger-photo.ch).

Francois Affolter will sein Kopfballspiel verbessern. Im Duell gegen Dortmund-Star Pierre-Emerick Aubameyang zieht er im Testspiel den Kürzeren (Foto: Martin Meienberger/meienberger-photo.ch).

(Bild: Martin Meienberger)

zentral+: Es wurde schon viel über Ihre Muskeln geschrieben. Sind Sie in der Zeit, in der Sie in der Kritik standen, auch innerlich härter geworden?

Affolter: Wie gesagt, ich habe die Kritik nie gelesen oder angeschaut. Ich mache Krafttraining, um besser zu werden und um stärker in den Zweikämpfen zu sein. Ich rede viel mit unserem Konditionstrainer darüber, wo ich mich verbessern kann – vor allem im physischen Bereich. Der Trainer hat es einfacher, im Training zu sehen, wo die Fehler sind und was man ändern muss.

zentral+: Laut Transfermarkt.ch wurden Sie im Januar 2014 unter Marktwert gekauft. Fühlen Sie sich manchmal wie eine Geldanlage oder als Handelsobjekt?

Affolter: Nein. Im Sport, vor allem im Mannschaftssport, ist es ein Business. Man bezahlt und kann den Spieler wie ein Produkt verhandeln. Ich persönlich hatte wegen Geld oder Transfers noch nie ein Problem.

zentral+: Es gehört für Sie zum Business.

Affolter: Ja genau. Das gehört dazu, nicht nur im Fussball. In der NBA oder NHL gibt es auch Löhne von 10 Millionen und es werden Transfers für 20 Millionen gemacht.

«Der Nati-Coach kennt meine Qualitäten – nicht nur als Fussballer, sondern auch als Mensch.»

zentral+: Denken Sie, Sie hätten sich vergangenen Mai ein Aufgebot für die Schweizer Nationalmannschaft verdient, wenn der Trainer nicht Vladimir Petkovic heissen würde?

Affolter: Das ist schwierig zu sagen, weil er mich mich aus früheren Zeiten kennt. Er hat mir gesagt, dass ich es verdient habe, weil ich die Rückrunde gut abgeschlossen habe. Er hat mir das auch als Motivationsstück gegeben, damit ich wieder motiviert bin und weiter an mich glaube. Auch wenn ein anderer Trainer wäre, wäre die Möglichkeit da gewesen, dass ich ein Aufgebot kriege.

zentral+: Aber Sie würden bestätigen, dass Ihnen die gemeinsame Zeit mit Petkovic bei YB geholfen hat, das Aufgebot zu erhalten?

Affolter: Ja, ich glaube schon. Weil er meine Qualitäten kennt – nicht nur als Fussballer, sondern auch als Mensch. Wir haben drei Jahre zusammen gearbeitet, kennen uns schon sehr gut und hatten immer einen guten Kontakt miteinander. Das hat sicher ein bisschen geholfen.

Francois Affolter am Ball. Hier im ersten Saisonspiel gegen den FC Sion (Foto: Martin Meienberger / meienberger-photo.ch).

Francois Affolter am Ball. Hier im ersten Saisonspiel gegen den FC Sion (Foto: Martin Meienberger / meienberger-photo.ch).

(Bild: Martin Meienberger)

zentral+: Und was sind Ihre Qualitäten als Mensch?

Affolter: Ich höre sehr gerne anderen Leute zu. Wenn ich helfen kann, bin ich immer da. Und ich gebe nie auf. Wenn ich etwas will, dann mache ich alles, damit ich es kriege.

zentral+: Welche Trainer haben Sie in Ihrer bisherigen Karriere am Meisten positiv beeinflusst?

Affolter: Das ist eine schwierige Frage, denn jeder Trainer bringt dir etwas Neues. Petkovic zum Beispiel hat mir viel Vertrauen und mir meine erste Chance gegeben. Uli Forte hat mich taktisch weitergebracht und mein Spiel ein bisschen verändert. Und auch Bernegger war mit seinen Impulsen sehr motivierend. Er hat viel mit Emotionen gearbeitet. Das kannte ich vorher weniger, gezielt mit Freude und Ärger Fussball zu spielen. Und jetzt mit Babbel ist klar: Er war früher auch Innenverteidiger und das kann mir sehr viel helfen, weil er weiss, wie man dort spielt und welche Fähigkeiten man als Profifussballer braucht. Er hat schon alles erlebt.

«Wir wollen uns in der vorderen Tabellenhälfte klassieren und bald europäisch spielen.»

zentral+: Mit welchem Trainer würden Sie nicht nochmal arbeiten wollen?

Affolter: Bis jetzt habe ich fünf bis sechs Trainer erlebt und hatte nie Probleme, Streit oder so etwas. Es war immer ein Genuss und es hat mir sehr grossen Spass gemacht, ins Training zu gehen. Ich habe nie gedacht: «Ah, heute scheissts mich an, ins Training zu gehen. Ich will lieber zuhause bleiben.» Fussball ist meine Leidenschaft und ich hoffe, das wird immer so bleiben, bis ich mein Karriereende erreiche.

zentral+: Was sehen Sie als bisher grösste Höhepunkte in Ihrer Karriere?

Affolter: Das könnte mein erstes Nationalspiel gegen Österreich sein. Auch der zweite Platz an der Europameisterschaft mit der U21 und die Teilnahme an Olympia. Ich denke, das ist ein Gesamtpaket, worauf ich und meine Familie sehr stolz sind.

zentral+: Was war der bisherige Tiefpunkt?

Affolter: Meine Rückkehr von Werder Bremen zu den Berner Young Boys, als ich die letzten sechs Monate in Deutschland nicht mehr gespielt habe. Als ich zurück kam, wollte ich unbedingt Spielpraxis sammeln. Und nach drei Meisterschaftsspielen habe ich mich schwer verletzt. Ich denke, das war der schlimmste Moment in meiner Karriere. Ich wusste nicht, ob es wieder gehen wird mit meiner Schulter, weil es ein sehr kompliziertes Gelenk ist und nicht einfach, zu behandeln.

Francois Affolter, der zurückhaltende Bieler, ist in der Innenverteidigung des FCL derzeit gesetzt (Bild: els).

Francois Affolter, der zurückhaltende Bieler, ist in der Innenverteidigung des FCL derzeit gesetzt (Bild: els).

zentral+: Hatten Sie Angst, dass Sie nicht mehr Fussball spielen können nach dieser Verletzung?

Affolter: Ja, weil wenn man die Schulter nicht gut behandelt, kann sie immer wieder ausrenken und man muss operieren. Ich habe damals zum Glück nur vier Monate gefehlt und konnte von dieser Verletzung auch ein bisschen profitieren, weil ich mich physisch verbessern konnte – vor allem im Fitness-Bereich.

zentral+: Was sind Ihre Ziele mit dem FC Luzern in dieser Saison?

Affolter: Wir wollen uns in der vorderen Tabellenhälfte klassieren und bald europäisch spielen.

zentral+: Was muss sich bei der Mannschaft noch verbessern, damit der FCL dieses Ziel erreichen kann?

Affolter: Es sind ein paar neue Spieler dazu gekommen. Wir sind nicht schwächer, sondern stärker als letztes Jahr. Jetzt müssen wir nur eine Einheit sein, also die neuen Spieler in unser System integrieren. Was uns stark gemacht hat in der Rückrunde: Wir waren ein Team, hatten ein Ziel und einen Plan. Wir haben diesen Plan und das Ziel respektiert und wollten als gesamte Mannschaft dahin. Alle haben mitgeholfen, bis wir dieses Ziel erreicht haben. Wir waren stark, weil wir eine gute Einheit waren.

«Wenn ich wählen könnte, würde ich in fünf Jahren gerne in England sein»

zentral+: Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?

Affolter: In fünf Jahren werde ich 29. Ich denke, als Verteidiger ist man dann im besten Alter, weil man viel Erfahrung hat und weiss, wie es geht. Man ist vielleicht weniger explosiv, aber stärker im Kopf. Ich will gerne wieder ins Ausland wechseln und dort eine Karriere machen. Ich sehe mich gut in einer Top-Liga, wo ich mich immer noch verbessern kann.

zentral+: Wieder in Deutschland, oder in einer anderen Liga?

Affolter: Im Fussball ist es kompliziert, weil man nicht immer wählen kann, wo man hin geht. Wenn ich wählen könnte, würde ich gerne in England sein. Weil ich denke, dass es eine der besten Meisterschaften der Welt ist. Die Bundesliga natürlich auch, aber dort war ich schon mal und ich würde gerne ein bisschen was anderes sehen.

Francois Affolter spricht im Interview über seine Ziele mit dem FC Luzern:

video_interview_affolter from zentralplus on Vimeo.

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