Regierung zeigt Verständnis für das Anliegen

Luzern: Grosser Stadtrat fordert Lösungen für Mütter

Das Luzerner Rathaus ist das Ziel von 38 CVPlern. (Bild: bic)

Wenn eine Frau nach der Geburt des Kindes während des Mutterschaftsurlaubs an Ratssitzungen teilnimmt, setzt sie damit ihre Mutterschaftsentschädigung aufs Spiel. In einem Postulat von fünf Grossen Stadträtinnen wird der Stadtrat beauftragt eine Lösung dafür zu finden. Dieser zeigt Verständnis für das Anliegen und nimmt die Anfrage entgegen.

In einem Postulat forderten die Grünen Irina Studhalter, Noëlle Bucher und Marco Müller, zusammen mit Luzia Vetterli und Mario Pilotto von der SP, den Stadtrat dazu auf, eine praktikable Lösung zu prüfen, damit auch in Luzern Mütter ihrer parlamentarischen Arbeit nachkommen können. Dabei sollen insbesondere auch Lösungen, wie sie in anderen Städten oder Kantonen bereits heute mit Erfolg praktiziert werden, evaluiert werden.

Hintergrund ist, dass die Ratsmitglieder verpflichtet sind, an den Parlamentssitzungen teilzunehmen. Auch die Stimmberechtigten erwarteten, dass die von ihnen gewählten Personen ihr Amt gewissenhaft und möglichst ohne Absenzen ausführten, heisst es im Postulat. Auf der anderen Seite setze eine Parlamentarierin ihre Mutterschaftsentschädigung aufs Spiel, wenn sie nach der Geburt des Kindes während des Mutterschaftsurlaubs an Ratssitzungen teilnehme. Eine solche Situation sei in einem modernen, demokratischen Politiksystem nicht haltbar, heisst es weiter.

Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung

Die Mutterschaftsentschädigung sei in der Schweiz wie folgt geregelt: Der Entschädigungsanspruch entsteht am Tag der Geburt und endet am 98. Tag. Wird der Mutterschaftsurlaub durch eine Erwerbstätigkeit unter- oder abgebrochen, so endet der Anspruch auf die Mutterschaftsentschädigung vorzeitig, so der Stadtrat in seiner Antwort.

Dies gelte auch bei einer Nebenerwerbstätigkeit: Wird bei einer solchen die Grenze des geringfügigen Lohns überschritten, erlischt nach der Praxis des Bundesgerichts auch der Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung für den Haupterwerb. Die Grenze des geringfügigen Lohns liegt nach der Verordnung über die Alters- und Hinterlassenenversicherung bei Fr. 2’300-pro Jahr.

Gemäss der Praxis der Ausgleichskasse Luzern gelten 40 Prozent der Sitzungsgelder und Entschädigungen der Mitglieder des Grossen Stadtrates als Erwerbseinkommen und sind AHV-pflichtig (60 Prozent gelten als Spesenersatz und unterliegen keiner AHV-Pflicht). Aufgrund der durchschnittlich geleisteten Zahlungen durch das Sekretariat des Grossen Stadtrates sei davon auszugehen, dass die Mehrheit der Parlamentarierinnen und Parlamentarier der Stadt Luzern mehr als Fr. 2’300- pro Jahr als beitragspflichtigen Lohn beziehe und damit die Grenze des geringfügigen Lohns überschreite. Massgebend für die Berechnung des geringfügigen Lohnes sei nach Auskunft der Ausgleichskasse Luzern und des Bundesamtes für Sozialversicherungen die Höhe des Nebenerwerbs während der Dauer des vergangenen Kalenderjahres.

Haltung des Stadtrates

Der Stadtrat sei sich des Dilemmas für Parlamentarierinnen bewusst, welches die geltende Regelung des Mutterschaftsurlaubs nach der Geburt eines Kindes mit sich bringe. Die Aufnahme der parlamentarischen Tätigkeit während des Mutterschaftsurlaubs führe unter Umständen zu einem vorzeitigen Erlöschen des Anspruchs auf Mutterschaftsentschädigung.

In Anbetracht der Tatsache, dass es um die Ausübung eines öffentlichen Amtes geht und primär keine Erwerbsabsicht gegeben ist, erachte dies der Stadtrat im Ergebnis als inakzeptabel. Er sei bereit, Lösungen zu evaluieren, wie sie in anderen Städten oder Kantonen angewandt werden.

Abstimmung als Abwesende

Im Postulat wird erwähnt, dass es im Basler Grossrat möglich sei, nur zur Abstimmung in den Parlamentssaal zu kommen und auf der Präsenzliste als abwesend zu gelten. Auf Nachfrage haben die Parlamentsdienste des Grossen Rates des Kantons Basel-Stadt diesen Sachverhalt bestätigt: Um ihre Anwesenheit an der Sitzung zu belegen, haben sich die Mitglieder des Grossen Rates in Basel bis 15 Minuten nach Sitzungsbeginn einzuloggen. Damit haben sie auch Anspruch auf Sitzungsgeld. Ratsmitglieder, die sich bis zu diesem Zeitpunkt nicht eingeloggt haben und später zur Sitzung erscheinen, sind im Protokoll als abwesend für den ganzen Halbtag aufgeführt und haben keinen Anspruch auf Sitzungsgeld. Eine Teilnahme an Abstimmungen ist aber möglich.

Die Teilnahme ohne Ausrichtung von Sitzungsgeld ist erforderlich, um den Anspruch auf Erwerbsersatz bei Mutterschaft nicht zu gefährden. Im städtischen Parlament von Luzern erscheine eine unentgeltliche Teilnahme an der Sitzung oder bloss an einer Abstimmung angesichts der Regelung des Geschäftsreglements des Grossen Stadtrates aber nicht möglich. Danach sind die Ratsmitglieder verpflichtet, an den Sitzungen des Grossen Stadtrates teilzunehmen und sich in die Präsenzliste einzutragen. Nur so könnten sie ihr Stimmrecht ausüben. Bei Teilnahme an der Sitzung werde gewissermassen automatisch auch Sitzungsgeld ausbezahlt (allenfalls reduziert bei Abwesenheit von mehr als einer Stunde). Das Geschäftsreglement müsste daher entsprechend angepasst und ergänzt werden.

Zu erwähnen sei ferner, dass eine Teilnahme an Sitzungen des Grossen Stadtrates ohne Auszahlung von Sitzungsgeldern oder Spesen von der Ausgleichskasse Luzern auf Anfrage nicht als Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit erachtet werde.

Stellvertretungssystem

Im Postulat werden auch die Stellvertretungssysteme in den Kantonen Neuenburg, Jura, Graubünden und Wallis erwähnt, die namentlich bei längerer Krankheit oder Mutterschaft und Vaterschaft zum Zuge kommen. Wie der Stadtrat in der Stellungnahme zur Motion «Stellvertretungssystem im Grossen Stadtrat einführen» ausgeführt hat, ist nach geltendem Recht die Einführung eines Stellvertretungssystems durch eine Gemeinde im Kanton Luzern nicht zulässig.

Abgesehen davon würde ein solches System zwar eine lückenlose Präsenz im Rat ermöglichen, aber nicht direkt Grossstadträtinnen im Mutterschaftsurlaub erlauben, ihrer parlamentarischen Arbeit nachzukommen. Aus Sicht des Stadtrates sei deshalb ein Stellvertretungssystem nicht Gegenstand der Lösungssuche, wie sie das Postulat verlange.

Der Stadtrat sei zusammenfassend bereit, eine praktikable Lösung zu prüfen, damit Mutter auch während des Mutterschaftsurlaubs ihrer parlamentarischen Arbeit nachkommen könne. Entsprechend nimmt der Stadtrat das Postulat entgegen.

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