«Kleine, feine Boutiquen wurden vergessen»

Luzern: Bossa Nova schliesst nach 26 Jahren wegen Corona

Stephanie Köhler, Besitzerin der Bossa Nova Boutique. (Bild: Marjana Ensmenger)

Die Boutique Bossa Nova in Luzern schliesst Ende Monat nach 26 Jahren die Türen. Schuld daran ist die Corona-Pandemie. So schwer der Abschied fällt, Stephanie Köhler blickt als Besitzerin auf wundervolle Begegnungen und Freundschaften fürs Leben zurück.

1995: Antoinette Zuberbühler kehrt nach mehreren Jahren Brasilien den Rücken, reist in die Schweiz zurück und gründet die Boutique Bossa Nova am Helvetiaplatz. Im Schnellzug nach Paris im Jahr 2016 lernt sie Stephanie Köhler kennen und erzählt ihr von ihrem Geschäft am Helvetiaplatz in Luzern. Stephanie Köhler, gebürtige Kölnerin, ist begeistert. Bald darauf übernimmt sie die Boutique. Fünf Jahre hat sie diese mit Herz geführt. Bald soll damit aber Schluss sein – schuld daran ist die Corona-Pandemie. Aber alles der Reihe nach.

Stephanie Köhler ist müde. Die letzten paar Monate waren für die Besitzerin der Boutique alles andere als einfach, wie sich bei einem Besuch vor Ort zeigt. «Ich habe alles versucht. Leider hat am Ende aber aus finanzieller Sicht kein Weg an einer Schliessung vorbeigeführt», sagt sie. Das sei vor allem deshalb schwer zu akzeptieren, weil sie sich jahrelang für ihre Stammkundschaft eingesetzt und zahlreiche Freundschaften geknüpft hat. «Die Arbeit in der Boutique hat mich als Menschen verändert», erzählt die 52-Jährige. So sei sie durch die Arbeit mit den Kundinnen heute noch geduldiger als vorher. Den Weg in die Modebranche ist aber alles andere als stringent verlaufen.

«In all den Jahren habe ich wichtige Beziehungen zu meiner Kundschaft aufgebaut. Am Anfang war ich Modeberaterin. Oft wurde ich auch zur Freundin.»

Stephanie Köhler, Besitzerin der Bossa Nova Boutique

Als gelernte Maschinenschlosserin war Stephanie Köhler jahrelang mit weltweiten Montageeinsätzen beschäftigt. Taschen, Schuhe und Accessoires interessierten sie aber bereits als junge Dame. Deshalb hat sie sich Ende 2016 auch dazu entschieden, ein neues Abenteuer mit der Boutique einzugehen und ihren Traum zu verwirklichen. Das Know-how über die Produkte hat sich fortan selbst beigebracht. «Egal, ob Schmucksteine oder verschiedene Ledervarianten, ich habe mich immer persönlich mit den Lieferanten ausgetauscht, um mich über die Verarbeitung und Herstellung zu informieren», erzählt sie.

Corona und der Blick in die Zukunft

Wie wichtig die soziale Interaktion für die Kunden geblieben ist, zeigt sich auch während des Interviews, als eine prominente Stammkundin das Geschäft betritt und Stephanie Köhler das Interview kurzerhand unterbricht. Kunde ist schliesslich König. «In all den Jahren habe ich wichtige Beziehungen zu meiner Kundschaft aufgebaut. Am Anfang war ich Modeberaterin. Oft wurde ich aber auch zur Freundin.»

Vor allem als Beraterin habe sie die eine oder andere lustige Erfahrung gemacht. Sie erzählt: «Einmal kam eine Mutter in meine Boutique, die etwas Besonderes für ihre kleine Tochter kaufen wollte. Sie hatte sich ein zu auffälliges und grosses Ohrringpaar ausgesucht.» Was sie der Kundin dann auch so mitteilte. «Das ist für viele Menschen etwas gewöhnungsbedürftig, aber letztlich habe ich mich dem Credo verschrieben, stets ehrlich zu sein.» Auch das habe – neben den hochwertigen Accessoires – die Boutique über all die Jahre ausgezeichnet.

«Als Frau trägt man heute nicht jeden Tag dasselbe Outfit. Frauen wollen gesehen werden.»

Stephanie Köhler

Ebenso wichtig wie die Kundinnen sind Stephanie Köhler aber die Produkte, die sie verkauft. Oder, wie sie selbst sagt: «Sie haben meine Kunden selbst gefunden.» Frauen, die heute viele Taschen oder Accessoires besitzen, würden heute oft negativ bewertet. Zu Unrecht, findet sie. Auch sie besitzt ein Zimmer, das voll mit Accessoires wie Taschen, Ohrringen oder Foulards ist. Die steigende Anzahl an berufstätigen Frauen habe nämlich auch deren Kleiderschränke erfasst und beeinflusst.

«Man könnte jetzt natürlich einwerfen, dass das nichts mit Nachhaltigkeit zu tun hat. Aber als Frau trägt man heute längst nicht mehr jeden Tag dasselbe Outfit. Frauen wollen gesehen werden.» Für Stephanie Köhler gibt es vor allem drei Gründe, ein neues Accessoire zu kaufen: Ob für einen besonderen Anlass, ein Geschenk für eine Freundin oder nur, um sich selbst etwas zu gönnen. Gerade deshalb waren die Produkte von Bossa Nova über alle die Jahre gefragt. Wegen der Corona-Pandemie sei diese Nachfrage aber merklich gesunken.

Corona und der weite Blick in die Zukunft

Aufgrund von nicht stattfindenden Anlässen, fehlenden Touristen und der Homeoffice-Pflicht mussten viele Berufstätige nicht mehr vor Ort arbeiten. Dadurch entfiel für viele die Notwendigkeit, sich in einem schönen Outfit zu präsentieren oder nach getaner Arbeit für eine Happy-Hour das Haus zu verlassen. Diese fehlenden Einnahmen haben sich auch in der Buchhaltung von Bossa Nova bemerkbar gemacht. Aber auch die Messen fielen ins Wasser. Woraufhin zahlreiche Marken begannen, Showrooms einzurichten.

Der Kundenkontakt verlagerte sich auch hier in den digitalen Raum. Und dort wollte Stephanie Köhler nicht hin. Ein bewusster Entscheid. Dies, weil sie den sozialen Kontakt mit ihren Kunden stets an erster Stelle stellte. Andererseits sei sie auch nicht bereit gewesen, ihre Produkte über das Internet mit ein paar Klicks an die Kundinnen zu verkaufen. Das widerspricht ihrer grundsätzlichen Lebensphilosophie hinsichtlich Nachhaltigkeit. Eine Verlagerung in die digitale Welt machte aber auch deshalb keinen Sinn, weil die Boutique zu klein war und eine Verlagerung ein noch grösseres finanzielles Risiko dargestellt hätte, wie Stephanie Köhler erklärt.

«Während Moderiesen immer grösser werden und ihre Ware online vertreiben, verschwinden kleine, feine Boutiquen von der Bildfläche: Wir wurden vergessen.»

Stephanie Köhler

Aufgrund der finanziellen Notlage musste sie folglich ihre Mitarbeiterin entlassen. Seither hat sie die Boutique allein geführt. «Das war eine Herausforderung. Hätte ich keine Stammkundschaft gehabt, hätte ich das Handtuch noch früher geworfen», sagt Köhler. Die Schliessung des Lokals konnte sie dadurch aber auch nicht mehr verhindern. Damit kritisiert sie auch die Härtefallmassnahmen, die das Aussterben kleiner Boutiquen wie Bossa Nova nicht verhindern konnten: «Während Moderiesen wie ‹H&M› oder ‹Zara› immer grösser werden und ihre Ware online vertreiben, verschwinden kleine, feine Boutiquen von der Bildfläche: Wir wurden vergessen.»

Wie es im Falle von Bossa-Nova-Besitzerin Stephanie Köhler weitergeht, ist derzeit noch unklar. «Die letzten Monate haben an meinen Kräften gezehrt. Einige Tage im Warmen sind sicher nicht verkehrt, damit ich mich von meinem grossen Traum lösen kann». Vielleicht zieht es sie nach Como, denn von den italienischen Frauen habe sie sich immer wieder extravagante Ideen und Trends abgeschaut. Vor allem, was deren Eleganz betrifft. 

In besonderer Erinnerung bleiben Stephanie Köhler die Cafépausen mit Networking in den angrenzenden Restaurants auf dem Helvetiaplatz und die Begegnungen, die sich dadurch ergaben. Und wer weiss: Vielleicht ergibt sich daraus dereinst eine neue Geschäftsidee.

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