Klimawandel in der Zentralschweiz

Luzern 2060: Wie heiss wird es in der Region?

Sturm «Lothar» wütet 1999 am Zugersee: Starke Stürme dürften in der Schweiz künftig zunehmen. (Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Wie sich das Klima im Grossraum Luzern künftig entwickeln wird, zeigt ein Bericht zu regionalen Szenarien. Die Zentralschweiz muss mit einer drastischen Klimaveränderung rechnen. Folgen sind bis zu 4,5 Grad höhere Temperaturen als noch vor 50 Jahren oder weniger Sommerregen. Ein Experiment mit weitgehend unsicheren Folgen.

Es ist nicht mehr zu leugnen: Senkt die Menschheit ihre Treibhausemmissionen nicht rapide, droht der Erde ein drastischer Klimawandel. Auch alle Schweizer Regionen müssen mit wärmeren Temperaturen rechnen.

Wie warm es in der Grossregion Luzern um 2060 sein wird, darüber kann der Bericht «Klimaszenarien Schweiz – eine regionale Übersicht» vom Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie «MeteoSchweiz» zuverlässige Angaben machen: Die mittlere Temperatur beträgt dann voraussichtlich 19,7 bis 21,3 Grad anstatt wie heute 18 Grad. In den Jahren 1961 bis 1990 betrug sie noch 16,8 Grad. Damit wäre es Mitte des 21. Jahrhunderts in Luzern 2,9 bis 4,5 Grad wärmer als noch vor fünfzig Jahren – ein drastischer Temperaturanstieg.

Überall wärmer: Im Sommer…

Die Folge: Hitzewellen werden im Sommer sehr wahrscheinlich viel häufiger. In den Voralpentälern nehmen die Sommertage (mit Maximaltemperaturen über 25 Grad) um fast vier Wochen zu, von heute 40 auf rund 68 Tage. Und gleichzeitig verlängert sich die Vegetationsperiode, in der Pflanzen aktiv wachsen, auf allen Höhenlagen der Voralpen um 25 bis 40 Tage. Dies könnte durchaus positive Nebeneffekte für die Landwirtschaft haben, sofern ausreichend Wasser und Nährstoffe im Boden vorhanden sind. Allerdings dürften längere Trockenperioden diesen Vorteil wieder zunichte machen.

…wie im Winter

Weltklimarat untermauert seine Warnungen in seinem neusten Bericht

Der im Frühjahr publizierte «MeteoSchweiz»-Bericht liefert Szenarien für die Regionen Jura, Mittelland, Voralpen, Alpen und Alpensüdseite basierend auf den Daten aller relevanten Studien des Sachbestandsberichts des UNO-Klimarates (IPPC). Diese Woche erschien der erste Teil des neusten IPCC-Berichts, der die wissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels zusammenfasste. Er untermauerte dabei die Warnungen der früheren Berichte. Derzeit erscheint es nicht realistisch, dass die Weltwirtschaft ihre Emissionen rapide drosselt. Das wäre aber nötig, um das erklärte Ziel einer maximalen Erwärmung um zwei Grad Celsius zu erreichen.

Bereits heute ist eine Veränderung des Klimas in der ganzen Schweiz feststellbar: Seit 1900 stiegen die Durchschnittstemperaturen um 1,6 Grad Celsius – rund eineinhalb Mal so stark wie auf dem Rest der Nordhalbkugel. Als direkte Folge sind die Gletscher teilweise dramatisch geschmolzen, die Schneebedeckung ist vor allem im Mittelland zurückgegangen, wohingegen die Sommertage stark zugenommen haben.

Auch der Winter wird deutlich wärmer: Um 2060 findet man in Luzern mittlere Temperaturen von 2,6 bis 4,5 Grad anstatt wie heute 1,2 Grad (1961-90: 0,6 Grad). Der Pilatus bliebe zwar wegen seiner Höhe von 2106 Metern über Meer noch unter der Nullgradgrenze, doch dürfte es dort im Winter so warm sein wie heute auf dem 700 Meter tiefer gelegenen Napf. Die Frosttage (Minimaltemperatur ist unter null Grad) dürften um 25 bis 45 Tage abnehmen – in den tieferen Lagen reduzieren sie sich damit um fast die Hälfte.

Die Nullgradgrenze im Winter steigt ebenfalls: Liegt sie heute bei rund 800 Metern über Meer, klettert sie bis 2060 auf etwa 1600 Meter. Zusammen mit dem Rückzug der Gletscher wird dies starke Auswirkungen auf den Wintertourismus haben: Die Landschaft verliert an Attraktivität, wo früher Gletschereis war, bleiben Schutt und Geröll. Tauender Permafrost führt zu erhöhter Steinschlag- und Felssturzgefahr. Nur noch höher gelegene Skigebiete sind schneesicher, während Skigebiete in den Voralpen womöglich vielerorts nicht mehr rentabel sind. Unter 600 Meter könnten sogar nur noch an zehn Tagen im Jahr Schnee liegen.

Starke Unsicherheiten bei Niederschlags-Szenarien

Im Gegensatz zur Temperatur sind regionale Szenarien zu Niederschlägen, Wind oder Bewölkung sehr viel schwieriger zu modellieren: «Niederschläge sind oft kleinregional und überall unterschiedlich», sagt der Klimatologe Stephan Bader. Im Sommer sei der Trend hin zu weniger Niederschlag eindeutiger: «Gemäss aktueller Szenarien werden die Sommer trockener», sagt Bader. In Luzern könnte im Sommer damit im Schnitt bis zu 110 Millimeter weniger Regen fallen als heute. Für den Winter lässt sich kein eindeutiger Trend bestimmen, die Unsicherheiten sind zu gross.

Die Klimawissenschaftler erwarten, dass sich mit der Erwärmung auch Wetterextreme verändern. Dass Hitzewellen zu- und Kältewellen abnehmen, gilt dabei als sehr wahrscheinlich. Für andere Extremwetter-Ereignisse sind derzeit noch keine zuverlässigen Szenarien möglich. Wie häufig und stark künftig Hagelstürme, Gewitter oder extreme Sturmwetterlagen wie «Lothar» in Zukunft auftreten können, sei laut Stephan Bader sehr schwierig zu sagen: «Weil solche Einzelwetterlagen selten vorkommen und sich meist für kurze Zeit auf ein bestimmtes Gebiet begrenzen, lässt sich kein eindeutiger Trend bestimmen – es fehlen die Daten.»

Bisher vermutet man, dass Stürme in Europa generell zwar seltener auftreten werden, deren Intensität aber zunehmen wird. Ob Hochwasser künftig häufiger auftreten, kann die Wissenschaft ebenfalls noch nicht endgültig sagen. Im Winter dürfte eine Zunahme aber wahrscheinlich sein. Betroffen wären dann vor allem das Mittelland und die Voralpen.

Die komplizierte Topographie der Schweiz als Problem

Eine der Schwierigkeiten bei regionalen Klimaszenarien sei es, lokale Rückkopplungen in einem Klimamodell zu beschreiben, sagt Andreas Fischer, Klimawissenschaftler in der Abteilung Klimavorhersagen bei «MeteoSchweiz». Damit meint er beispielsweise den Einfluss der Gebirgstopographie auf Windströme, lokale Austauschprozesse zwischen dem Boden und der Atmosphäre oder auch der lokale Einfluss von Wolken auf die Strahlung – all das kann eine Rolle spielen. Für ein gebirgiges Land wie die Schweiz mit seinen vielen unterschiedlichen Mikroklimata sind Szenarien daher ungemein komplizierter: «Es ist viel einfacher, Szenarien für Holland zu modellieren als für ein Tal in der Schweiz», sagt sein Kollege Stephan Bader.

Das Problem ist die räumliche Auflösung der Modelle, mit der solche Szenarien auf Supercomputern berechnet werden: Sie ist bei weitem noch nicht fein genug, um kleinräumige topografische Einzelheiten zu berücksichtigen. Ein Klimamodell muss man sich vorstellen wie ein Gitternetz, das sich um den gesamten Globus spannt. Die Abstände zwischen einzelnen Gitternetzpunkten ist bei den gängigen globalen Klimamodellen dabei ziemlich gross: Sie betragen laut Andreas Fischer 100 bis 300 Kilometer.

«Ein regionales Klimamodell ist wie eine Lupe, mit der man genauer in eine Region des globalen Modells hineinschaut, um zu gucken, was dort passiert.» Solche Regionalmodelle arbeiten zwar mit den gleichen physikalischen Grundlagen wie globale Modelle, sie werden aber nur auf ein begrenztes Gebiet angewandt. Sie haben laut Andreas Fischer eine viel feinere Auflösung von 10 bis 50 Kilometern.

Regionale Klimamodellierung: Arbeit an der Grenze des Möglichen

Für den aktuellen Schweiz-Bericht verwendete «MeteoSchweiz» Daten von europäischen Regionalmodellen mit einer räumlichen Auflösung von 25 Kilometern. «Aber selbst das ist noch zu grob», sagt Andreas Fischer. »Lokale Gewitterzellen können damit auch nicht aufgelöst werden». Denn selbst mit den aktuellsten Supercomputern ist es bisher nicht möglich, extrem hochauflösende Modelle für grössere Gebiete über einen Zeitraum von 150 Jahren laufen zu lassen. Verschiedene Institute in Europa seien im Moment dabei, neue Modelle mit einer Auflösung von 12 Kilometern zu berechnen.

Trotz all der Unsicherheiten: Lässt sich vielleicht ein Trend erkennen für die meistgehasste Wetterlage in Luzern, der Hochnebeldecke? «In den letzten Jahren konnten wir tatsächlich beobachten, dass die Nebelbelastung abgenommen hat – vor allem im Herbst», sagt Stephan Bader. Nur den Grund dafür, den kenne man bisher nicht.

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