Psychiatrie mit finanziellen Problemen

Luxuszimmer für Gutbetuchte

Die psychiatrische Klinik Zugersee. (Bild: zvg)

Der psychiatrischen Klinik Zugersee stehen stürmische Zeiten bevor. Trotz steigenden Patientenzahlen kämpft sie mit finanziellen Problemen. Eine zahlungskräftige Klientel soll Abhilfe schaffen. Droht nun eine Zwei-Klassen-Psychiatrie?

Die psychiatrische Klinik Zugersee hat jüngst ihren Jahresbericht 2014 publiziert. Das mit «Raum in Sicht» betitelte Schriftstück resümiert nicht nur über das erfolgreiche vergangene Geschäftsjahr, sondern wagt auch einen Blick in die Zukunft. Dieser zeigt, dass die finanzielle Basis für eine zufriedenstellende Geschäftstätigkeit auf wackligen Beinen steht.

Klinikdirektor Markus Müller formuliert es allegorisch: «Trotz Pflegetarifen, die eher an neblige und regnerische Tage erinnern, ist es auch dieses Jahr gelungen, ein positives Resultat zu erreichen. Aber auch der beste Regenschutz wird bei ständigem Hudelwetter durchlässig.» Will heissen: Mehr Geld muss her, sonst läuft der Psychiatriedampfer Gefahr, auf Grund aufzulaufen.

«Längerfristig zeichnet sich in der Klinik Zugersee ein Trend zu steigenden Patientenzahlen ab.»

Markus Müller, Klinikdirektor Psychiatrie Oberwil

Klinikdirektor Dr. oec. publ. Markus Müller.

Klinikdirektor Dr. oec. publ. Markus Müller.

(Bild: zvg)

Die Nachfrage ist da

Wie also liquide Mittel generieren? An der «Kundschaft» wird es nicht scheitern: «Längerfristig zeichnet sich in der Klinik Zugersee – wie in vielen anderen psychiatrischen Kliniken – ein Trend zu steigenden Patientenzahlen ab», bestätigt Müller. Die Patientenstatistik seines Betriebs gibt ihm Recht (siehe Tabelle).

Wieso dieser Anstieg? «Es ist durchaus anzunehmen, dass die trendmässig ansteigende Zahl der psychischen Erkrankungen in einem gewissen Zusammenhang mit den gesellschaftlichen Veränderungen steht – ein kausaler Nachweis ist jedoch kaum möglich», sagt Müller. Es lässt sich also lediglich spekulieren, ob die Zunahme tatsächlich auf vermehrte Erkrankungen zurückzuführen ist, oder enttabuisierende Effekte hierbei eine Rolle spielen.

Nichtsdestotrotz zählen die affektiven Störungen mit 35.2 Prozent aller Patienten zu den am häufigsten gestellten Diagnosen. «Zu dieser Diagnosegruppe gehört insbesondere die Depression», erläutert Müller. Das widerspiegelt den spekulativen Charakter des Patientenanstiegs. Ist es doch gerade die Depression, die über die letzten Jahre eine enttabuisierende Entwicklung durchmachte.

Es geht ums Geschäft

Auf den ersten Blick scheint es fragwürdig zu sein, bei zunehmenden Patientenzahlen von «Erfolg» zu sprechen. Schliesslich handelt es sich dabei um Menschen mit psychischen Erkrankungen. Doch hier geht es ums Geschäft. Und diesbezüglich ist es legitim, dass der Direktor der Klinik Zugersee von einem erfolgreichen Jahr 2014 spricht.

«Steigende Patientenzahlen sind für eine einzelne Klinik ein Erfolg.»

Die Nachfrage ist da. Jetzt gilt es, diese mit einem Angebot bestmöglich zu bedienen. «Steigende Patientenzahlen sind für eine einzelne Klinik ein Indiz, dass das Angebot und die Qualität der Behandlung positiv wahrgenommen werden – in diesem Sinne eben ein Erfolg», konstatiert Müller. Schliesslich hätten die Patienten, wie auch die zuweisenden Stellen, aufgrund der freien Spitalwahl die Möglichkeit, eine Institution auszuwählen.

Ein Blick auf den Wohnsitz der Kranken zeigt, dass mit 582 Patienten die meisten aus dem Kanton Zug stammen. Gefolgt von Patienten aus den Kantonen Schwyz (477) und Uri (136). Knapp 200 Pflegebedürftige stammen schliesslich aus der übrigen Schweiz sowie aus dem Ausland.

Steigende Patientenzahlen bedingen aber auch eine erhöhte Nachfrage nach qualifiziertem Personal. Hier täten sich Probleme auf, sagt der Klinikdirektor. Denn: «Die Knappheit an Ärztinnen und Ärzten infolge der zu tiefen Ausbildungsquoten an den Universitäten gilt auch für den Bereich der Psychiatrie.» Steigende Anforderungen, die Länge der Ausbildung, ökonomische Faktoren und anderes würden viele potentielle Fachärzte abschrecken, meint Müller.

«Die Nachfrage nach einem Angebot für Zusatzversicherte besteht auch im Bereich der Psychiatrie.»

Im Bereich der Pflege zeige sich dasselbe Bild: «Sowohl in der Akutsomatik, wie auch in der Psychiatrie besteht gesamthaft Personalknappheit.» Die Klinik in Oberwil setze auf gute Ausbildung und Weiterbildung sowie auf eine gute Zusammenarbeit innerhalb der Klinik, um dieses Problem zu bewältigen. «So ist es uns gelungen, ausreichend Mitarbeitende in der Pflege und insbesondere Auszubildende zu finden», versichert Müller.

Neue Räume im «Haus F»

Das ehemalige Wohnheim und Gästehaus – das Haus F – wird für 8.8 Millionen Franken umgebaut. Der Ausstattungsstandard wird unter anderem durch den Einbau zusätzlicher Nasszellen, durch Internetanbindung in allen Zimmern und durch LED-Beleuchtungen angehoben. Auf zwei Etagen entstehen Zweier- und Einzelzimmer für Grundversicherte sowie eine Schwerpunktstation für Alkoholentwöhnung. Darüber, in den oberen Stockwerken, werden grosszügige Einzelzimmer mit Lounge und Terrasse für Zusatzversicherte realisiert. Damit soll Patientenbedürfnissen und der gesellschaftlichen Entwicklungen Rechnung getragen werden. Die geplante Eröffnung des Erweiterungsbaus ist auf 2016 angesetzt.

Komfort für Zusatzversicherte

Wie aber wird denn nun die finanzielle Herausforderung bewältigt? In Oberwil setzt man auf einen Angebotsausbau für Zusatzversicherte. Entsprechende Umbauarbeiten sind im Gange und sollen bis 2016 die neuen Räumlichkeiten entstehen lassen (siehe Box). Eine verbesserte Infrastruktur für zusatzversicherte Patienten?

«Ja», bestätigt Guido Winkler, leitender Arzt der Klinik, «mit dem Umbau können wir auf die verstärkte Nachfrage nach einer speziellen Infrastruktur und Hotellerie für zusatzversicherte Patienten reagieren.» Grosszügige Einzelzimmer, Lounge und Seeterrasse würden vor allem für Menschen mit Depressionen, Burn-out oder Angst zur Verfügung stehen.

Das klingt nach Luxuszimmern für gutbetuchte Patienten. Müller beschwichtigt: «Die Nachfrage nach einem Angebot für Zusatzversicherte besteht auch im Bereich der Psychiatrie. Verschiedene psychiatrische Kliniken haben solche Angebote erfolgreich aufgebaut oder bieten ausschliesslich solche an.»

Die effektive Zunahme von besserversicherten Patienten auf Kosten allgemein Versicherter lässt sich – wenn auch marginal – anhand der entsprechenden Anzahl Pflegetage ablesen (siehe Tabelle). Insofern scheint eine Nachfrage nach Zusatzleistungen durchaus vorhanden zu sein, auch wenn Halbprivate mit 6.6 Prozent und Private mit 1.5 Prozent einen verschwindend kleinen Anteil an den total 43’450 Pflegetagen ausmachen.

«Eine solide Finanzlage kommt sowohl grundversicherten, wie zusatzversicherten Patientinnen und Patienten zu Gute.»

Zum Wohle aller

Müller macht indessen keinen Hehl daraus, dass – angesichts blockierter Tarife in der Grundversicherung – ein solches Angebot auch die ökonomische Lage der Klinik positiv beeinflussen würde. Die Anforderungen seien härter geworden, seit sich die Kliniken und Spitäler unter dem neuen Spitalfinanzierungsmodell sowohl für den Betrieb, als auch für Investitionen selbst finanzieren müssen. Er hält fest: «Eine solide Finanzlage kommt also sowohl grundversicherten, wie zusatzversicherten Patientinnen und Patienten zu Gute.»

Und doch: Besteht dabei nicht die Gefahr einer Zwei-Klassen-Psychiatrie? «Nein», sagt Müller ausdrücklich, «das darf es im medizinischen Bereich schlicht nicht geben.» Es sei zudem nicht geplant, das Angebot für Zusatzversicherte weiter auszubauen – die dafür notwenigen Platzressourcen wären sowieso nicht vorhanden. «Unser hauptsächliches Angebot richtet sich auf Grundversicherte, und das wird auch in Zukunft so bleiben.»

Im Bereich der Hotellerie stelle sich die Sache zwar etwas anders dar, doch kämen die Menschen nicht für einen Hotelbesuch in seine Klinik, sondern um sich behandeln zu lassen, führt Müller aus. «Wir wollen keine Zwei-Klassen-Psychiatrie. Wir wollen unser Angebot für alle ausbauen und auf allen Ebenen grösstmögliche Qualität anbieten. Damit wir das bieten können, müssen wir die entsprechenden Mittel generieren.» Es ist also Raum in Sicht, der schliesslich allen zugute kommen wird.

Patientenstatistik psychiatrische Klinik Zugersee

Patientenstatistik psychiatrische Klinik Zugersee

Anzahl Pflegetage psychiatrische Klinik Zugersee

Anzahl Pflegetage psychiatrische Klinik Zugersee

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