Luzerner Festival mit der Achten Mahlers eröffnet

Lucerne Festival: Das Licht der Sinne ist entfacht

Es war erste Auftritt des neuen Chefdirigenten des Lucerne Festival Orchestras, Riccardo Chailly (Bildmitte).

(Bild: Stefan Deuber/Lucerne Festival)

Es war ein Anfang, und es war ein Ende. Der Anfang des diesjährigen Lucerne Festivals. Der erste Auftritt des neuen Chefdirigenten Riccardo Chailly. Und das Ende des unter dem verstorbenen Chefdirigenten Claudio Abbado begonnenen Mahler-Zyklus.

Es war Anfang und Ende zugleich am Eröffnungstag des diesjährigen Lucerne Festivals. Der erste Auftritt des neuen Chefdirigenten des Lucerne Festival Orchestras, Riccardo Chailly. Und das Ende, die Vollendung, des unter dem verstorbenen Chefdirigenten und Übervaters des Festivals Claudio Abbado begonnenen Mahler-Zyklus: Die gestrige Aufführung der Achten Sinfonie von Gustav Mahler im KKL Luzern.

Ein Werk, das alle Grenzen sprengt

Die Achte Mahlers ist ein Stück der Superlativen. Nicht umsonst trägt sie den Beinamen «Sinfonie der Tausend», eine Referenz auf die über tausend mitwirkenden Musiker an der Uraufführung im Jahr 1910. Vier Chöre und acht Gesangssolisten gesellen sich zum grossen, um Instrumente wie Klavier und Orgel erweiterten Sinfonieorchester. Die Sinfonie wird, ungewöhnlich genug, fast durchgehend von Gesang mitgetragen. Auch die Form des Werks beugt sich keiner Konvention, besteht nur aus zwei anstatt wie üblich vier Sätzen, und erstreckt sich dennoch über gute achtzig Minuten.

Urgewalt und Andacht

Es waren nicht tausend gestern auf der Bühne im KKL. Aber es war ein beeindruckender Klangkörper, mit unheimlicher Kraft, die den Hörer in den lauten Tuttistellen fast von den Sitzen hätte fegen können. Urgewalten schlugen dem vollen Saal entgegen, als im ersten Satz das accende lumen sensibus erklang, die Bitte um das Entzünden eines Lichts für Sinne und Verstand.

Das Lucerne Festival Orchestra unter der Leitung von Riccardo Chailly und unter Mitwirkung diverser Chöre und Solisten interpretiert Gustav Mahlers «Sinfonie der Tausend».

Das Lucerne Festival Orchestra unter der Leitung von Riccardo Chailly und unter Mitwirkung diverser Chöre und Solisten interpretiert Gustav Mahlers «Sinfonie der Tausend».

(Bild: Priska Ketterer/ Lucerne Festival)

Das elektrisierendste blieb aber immer die fast vollkommene Stille einer solchen Masse an Musikern im konzentriertesten Piano. Das gelang immer wieder, besonders gegen Ende des zweiten Satzes, wo die dargestellte Erlösung aus der Schlussszene von Goethes Faust voll ergreifender Andacht erklang. Kammermusikalische Intimität in einem so grossen Kollektiv zu realisieren ist sehr schwierig, aber das Lucerne Festival Orchestra ist eben nicht irgendein Sinfonieorchester.

Das Weibliche als das Andere

Thema des diesjährigen Festivals lautet „Prima Donna“, es geht um die Rolle der Frau in der Musik- und Kulturszene, die nicht zuletzt gefördert werden soll. Das sei durchaus als «eine kulturpolitische Einmischung» zu verstehen, wie der Präsident der Stiftung LUCERNE FESTIVAL in seiner Begrüssung deutlich machte. Zahlreiche Künstlerinnen sind eingeladen, ganz besonders Dirigentinnen, die sich nach wie vor in einer Männerdomäne behaupten müssen.

Die Frau ist auch ein wichtiges Thema von Mahlers achter Sinfonie. Doch obwohl zentral, geht es hier nicht um die gleichberechtigte, auf Augenhöhe stehende Frau. Es ist mehr die Heilige, die Unberührbare, Angebetete, das ewig Andere, von dem sich der Mann angezogen fühlt, von dem er sich Erlösung erhofft. Jungfrau, Mutter, Königin, ja gar Göttin wird das Weibliche in der Verkörperung der heiligen Jungfrau innigst angerufen. Das ist unglaublich schön. Es rückt das ewig Weibliche, das zuletzt besungen wird, aber auch in unerreichbare Sphären.

Das Licht des Festivals entzündet

Unerreichbar und unberührbar will das Lucerne Festival schon lange nicht mehr sein. Es gibt Strassenkonzerte, Familienkonzerte, unentgeltliche Einführungskonzerte, in der die Stars der Szene aus unmittelbarer Nähe erlebt werden können. Und es gab einen Live-Stream des gestrigen Konzerts auf dem Inseli, wo dem Konzert bei Sandwiches und Cupcakes unter freiem Himmel gelauscht werden konnte (zentralplus berichtete). Geboten wurde ein nicht alltägliches Erlebnis. Nicht alles hat geklappt, unter anderem hätte bessere Verständlichkeit der Texte das Verfolgen des Konzerts sehr vereinfacht. Aber der Auftakt ist gelungen.

In Rio de Janeiro brennt momentan das olympische Feuer. Die Musikerinnen und Musiker des Lucerne Festival Orchestras, die vier Chöre und acht Solisten geführt von der erfahrenen Hand von Riccardo Chailly haben ein anderes Grossereignis eröffnet und mit ihren Instrumenten und ihren Stimmen ein anderes Licht entfacht: Das Licht der Sinne, das Licht der Musik.

 

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