Der Luzerner Folksänger ist rastlos unterwegs

Long Tall Jefferson: Zu viel spielen? «Nein, das gibt es nicht»

Simon Borer alias Long Tall Jefferson am diesjährigen B-Sides.

(Bild: zvg/Silvio Zeder)

Seit seinem Debüt vor zwei Jahren führt der Luzerner Simon Borer alias Long Tall Jefferson ein rastloses Leben. Er spielt unermüdlich Konzerte und beweist, dass man es auch mit «Do it yourself» weit bringen kann. Nun kommt sein zweites Album – und es steht eine grosse Änderung an.

Simon Borer sitzt in der Lieblingsecke seiner Wohnung in Zürich. Der Blick geht auf das Lochergut und eine Strassenkreuzung. Zum Beweis hält er sein Handy ans Fenster. «Ich mag es, weil hier immer etwas passiert.» Gerade kreuzt ein «Hipster mit Kinderwagen» die Strasse. «Genauso läuft das hier in Wiedikon», sagt er und lacht.

Wir haben zum Facetime-Interview abgemacht und sitzen uns also quasi gegenüber. Long Tall Jefferson, wie sich der Luzerner Musiker nennt, veröffentlicht sein zweites Album «Lucky Guy» (siehe Box). Seit dem Debüt vor zwei Jahren ist er in alle Ecken des Kontinents gereist und hat vor allem: gespielt, gespielt und gespielt. Rund 200 Gigs waren’s in zwei Jahren. Man wundert sich, dass er es geschafft hat, daneben noch ein Album fertigzumachen.

Der 29-Jährige beweist: Guter Folk, schlaue Texte, schöne Gitarren und gehobenes Songwriterhandwerk sind auch heute noch gefragt. Das neue Album ist poppiger, abwechslungsreicher und farbiger ausgefallen als sein Debüt «I Want My Honey Back», das er noch komplett mit Kassettengerät aufgenommen hatte (zentralplus berichtete).

zentralplus: Ist der Platz mit Aussicht auch dein Lieblingsort zum Komponieren?

Simon Borer: Vielleicht wird er das noch, aber ich bin ehrlich gesagt schon länger nicht mehr zum Schreiben gekommen. Mit dem neuen Album und den Konzerten bin ich ziemlich busy. Um neue Songs zu schreiben, muss ich abschalten können.

«Ich bin kein Imitator, ich mache etwas Eigenständiges.»

zentralplus: Du bist ziemlich rastlos. Wie oft bist du zu Hause?

Borer: Ich spielte etwa 100 Gigs pro Jahr, ich war also dauernd unterwegs, sicher an 120 Tagen. Und auch wenn mal kein Konzert ansteht, reise ich dauernd im Zeugs rum und besuche Gigs von anderen Bands.

zentralplus: Du hast diesen Sommer eine beeindruckende Serie hinter dir: Open Air St. Gallen, Rock Oz’Arènes, Winterthurer Musikfestwochen, Zürich Open Air.

Borer: Schon letztes Jahr lief es mit Blue Balls, Gurten oder Moon and Stars super, diesen Sommer ging es glücklicherweise so weiter. Der Auftritt an den Musikfestwochen zum Beispiel war mega kurzfristig: Ich war mit der Band am Proben und um 14 Uhr hat das Telefon geklingelt: Ob wir um 17 Uhr für jemanden einspringen können? Da bin ich dann genug Rambazamba, dass ich so etwas spontan mache.

zentralplus: Gönnst du dir keine Pausen?

Borer: Ich probier’s, bin aber nicht so gut darin. Im Frühling verbrachte ich einen Monat in England. Ich spielte nur drei Gigs und habe vor allem neue Songs geschrieben. Ich brauche Momente, in denen ich Zeit für mich habe, aber jetzt liegt es gerade nicht drin.

Das neue Album

Long Tall Jeffersons neues Album «Lucky Guy» erscheint am 7. September (Red Brick Chapel/Irascible). Konzert mit Band: Freitag, 5. Oktober, Treibhaus Luzern

zentralplus: Für die Kreativität brauchst du Abstand und Leerphasen?

Borer: Ja bestimmt. Wenn ich ganz allein mit dem Zug auf Tour bin und für alles verantwortlich bin, dann habe ich den Kopf nicht mehr frei, um Inspiration zuzulassen.

zentralplus: Gibt’s ein Konzerthighlight dieses Sommers?

Borer: Sicher das B-Sides, weil es die Premiere mit Band war. Wir hatten nur ein paar Proben, aber es sind alle Profis. Sie haben sofort gecheckt, worum es bei dieser Musik geht. Jetzt nach vier Gigs mit Band beginnen sich die Dinge langsam zu setzen, das macht Freude!

Am diesjährigen B-Sides war Long Tall Jefferson erstmals mit Band zu hören:

 

zentralplus: Aus dem Ego-Schlafzimmerprojekt Long Tall Jefferson ist also ein ausgewachsenes Bandprojekt geworden?

Borer: Ja, vielleicht kann man das so sagen. Letztlich bin immer noch ich Long Tall Jefferson und werde wohl weiterhin auch solo spielen. Aber die restlichen Schweizer Konzerte dieses Jahr sind allesamt mit Band.

zentralplus: Martina Berther (Bass), Lukas Weber (Schlagzeug) und Franziska Staubli (Gitarre) spielen mit dir. Wie bist du auf sie gekommen?

Borer: Luki und Martina sind auch im Kollektiv Red Brick Chapel, Franziska habe ich vor sieben Jahren im Südpol solo gehört und ich fand: Wow! Seither hatte ich sie im Auge und schliesslich gefragt, ob sie mitmachen möchte.

zentralplus: Was erhoffst du dir von ihnen?

Borer: Mit anderen zu spielen, ist immer eine Wunderkiste, die Tagesform von allen beeinflusst das Ganze. Ich habe recht schnell gemerkt, dass ich für die Tour eine volle Band will, die auch mal richtig abdrücken kann.

Premiere mit Band: Long Tall Jefferson wurde im Juni am B-Sides erstmals von Gitarre, Schlagzeug und Bass unterstützt.

Premiere mit Band: Long Tall Jefferson wurde im Juni am B-Sides erstmals von Gitarre, Schlagzeug und Bass unterstützt.

(Bild: zvg/JDubois)

zentralplus: Hast du das neue Album bewusst für eine Band geschrieben?

Borer: Nein, als ich im Juli 2017 ins Studio ging, wusste ich noch nicht genau, wohin die Reise geht, ich bin meinem Instinkt gefolgt. Ich nahm das Album in kurzen Sessions über mehrere Monate auf und merkte, dass ich mit den neuen Songs in die Vollen gehen will. Ich wollte Schlagzeug, verschiedene Sounds, Drumcomputer, Piano, Streicher oder Klarinette. Die Band ist nun das Gefährt, um das Album in die Welt zu tragen.

zentralplus: Das Album beginnt mit «Yonder is a Mountain», wie man dich kennt: Mit Fingerpicking-Gitarre und erdigem Sound. Im Video schreitest du allein mit Gitarre durch eine weite Landschaft. Ist das sinnbildlich für Long Tall Jefferson?

Borer: Bei «Yonder» war schnell klar, dass es kein Drum braucht, nur Perkussion. Es war mir wichtig, den als Opener aufs Album zu bringen, auch weil er als Anknüpfungspunkt zum ersten Album funktioniert.

Song «Yonder is a Mountain»:

 

zentralplus: Im zweiten Song, «Stay a Litte Longer», hört man eine neue Seite: Drumcomputer – und eine flockige Leichtigkeit.

Borer: Absolut. Es war von Anfang an die Idee gewesen, ein Popalbum zu machen, das trotzdem Long Tall Jefferson ist. Wir wollten etwas raus aus der Folk-Ecke, denn da wirst du schnell als Imitator angesehen. Aber das wird mir nicht gerecht, ich bin kein Imitator, ich mache etwas Eigenständiges. Dies ist Musik von 2018 und nicht 1965. Und natürlich haben wir unsere Möglichkeiten genutzt, um den traditionellen Folk-Sound zu brechen und mit zeitgenössischem Sound zu kombinieren.

Video «Stay a Litte Longer»:

 

zentralplus: Auch der Schalk und die Selbstironie kommen in den Texten nicht zu kurz.

Borer: Ja, das ist wichtig für Long Tall Jefferson. Dass es bei aller Abgründigkeit, die sich auftut, bei aller Deepness, die behauptet wird, auch genügend Platz für Selbstironie hat.

zentralplus: Was sind deine weiteren Ziele? Wohin geht die Reise?

Borer: Meine Ziele gehen nur bis Ende Sommer 2019, darüber hinaus gucke ich nicht. Bis dahin geht es klassisch Jefferson-mässig weiter: so viel spielen, wie es nur geht. Einfach raus damit.

zentralplus: Zu viel gibt es nicht?

Borer: Nein, zu viel spielen gibt es bei mir gerade nicht (lacht).

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