Neue Zahlen aus Luzern sind alarmierend

Lohnvorschriften in Coiffeursalons: Fünf von sieben Salons fallen durch

Halten die Luzerner Coiffeursalons Mindestlöhne ein? Nicht alle. (Symbolbild: Adobe Stock)

Der Kanton Luzern nimmt Coiffeursalons nun enger an die Kandare. Denn die Zahlen zeigen: Im Vergleich zu früheren Jahren missachten massiv mehr Salonbesitzer die Mindestlöhne. zentralplus zeigt, wie Terminagenden und «Scheinselbständige» ins Visier der Kontrolleurinnen geraten.

«Wenn ich mich ab und zu im Neustadtquartier befinde, stelle ich fest, dass es an diversen Coiffeursalons nicht zu mangeln scheint», schrieb SVP-Kantonsrat Marcel Omlin in seinem Vorstoss. Für nicht viel Geld würden diese Friseure ihre Dienste anbieten. Ob da was faul ist, wunderte er sich, oder ob gar die Coiffeurmisere in Bern, die durch die «Rundschau» publik wurde, auch in Luzern keinen Halt macht (zentralplus berichtete)?

Seit Anfang Juni liegt zum Vorstoss von Omlin die Antwort der Regierung vor. In der Tat geraten die Luzerner Coiffeursalons vermehrt ins Visier des Kantons. Zu den Wachhündinnen gehört zum einen die Paritätische Kommission Coiffure Suisse, welche kontrolliert, ob die Bestimmungen des Gesamtarbeitsvertrages und insbesondere Mindestlöhne eingehalten werden.

Fragen zu Bewilligungen, Meldepflicht sowie Sozial- und Quellensteuerabgaben sind dagegen Sache des Kantonalen Kontrollorgans (KKO). Dieses ist bei «Was Wirtschaft Arbeit Soziales» angesiedelt und führte alleine im ersten Quartal 2019 mehr Kontrollen durch als im gesamten letzten Jahr. Die Zahlen lassen aufhorchen: In sieben von acht kontrollierten Betrieben wird mindestens ein Verstoss gegen Schwarzarbeit vermutet.

Lohnvorschriften: Fünf von sieben Salons fielen durch

Schweizweit führte die PK Coiffure Suisse 2018 rund 200 Kontrollen durch, in 55 Prozent der Fälle wurde ein Verstoss gegen Lohnvorschriften festgestellt. Auch in Luzern sehen die Zahlen nicht rosig aus. Hier schloss die Kommission vergangenes Jahr sieben Kontrollen bei Coiffeursalons ab, 33 Personen wurden kontrolliert. Bei fünf Salons und 21 Personen wurden «geldwerte Abweichungen» festgestellt – sprich Lohnvorschriften missachtet. Das sind mehr als 60 Prozent. 2013 bis 2017 betrug die Verstossquote lediglich zwischen 4 und 20 Prozent.

Woran liegt’s? «Die Gründe sind vielfältig», sagt Geschäftsstellenleiterin Claudia Hablützel. Die Bestimmungen des Gesamtarbeitsvertrages würden absichtlich missachtet oder die Inhaber verpassten zum Beispiel die jährlichen Anpassungen bei Versicherungsprämien. Aber auch Unkenntnis der Branchenregelungen oder Konkurrenz- und Preiskampf würden zu Verstössen führen. Dagegen will die Kommission ankämpfen – und im laufenden Jahr schweizweit neben den 200 ordentlichen zusätzlich 250 unangemeldete Kontrollen durchzuführen.

PK Coiffure geht von erhöhtem Risiko aus

Da die neuen Lohnbestimmungen laut GAV seit März 2018 gelten, geht die Kommission von mehr Verstössen zu Beginn aus. «Da nun auch Personen ohne Ausbildung oder ohne in der Schweiz anerkannte Ausbildung einen Mindestlohn haben, geht die PK Coiffure für die Anfangsphase von einem erhöhten Risiko aus, dass die Mindestlöhne nicht eingehalten werden.»

Bei unangekündigten Besuchen führt die Kontrolleurin mit den anwesenden Arbeitnehmerinnen und der Arbeitgeberin Gespräche. Sie richtet ihr Hauptaugenmerk auf Punkte, welche sich aus dem persönlichen Augenschein ergeben könnten. Bei unangekündigtem Besuch können Salonbesitzer auch nichts manipulieren. «Die Kontrolleure prüfen in den Agenden, bei welchen Personen Termine abgemacht wurden. So wissen sie, wer alles im Salon arbeitet.» Es käme auch vor, dass ein Arbeitgeber einen Festangestellten als einen Selbständigen vorstelle, um Sozialversicherungen zu sparen. «Bei angekündigten Kontrollen wären diese Scheinselbständigen nicht vor Ort im Salon – bei unangekündigten ist die Chance grösser», so Hablützel. Im Nachhinein werden zudem Unterlagen angefordert.

Wird die Kontrolle angekündigt, wird der Salon über ein Schreiben informiert, welche Unterlagen sie am Kontrolltag vorweisen müssen. Auch hier macht der Kontrolleur einen kurzen Augenschein, führt Interviews durch und erfasst die Unterlagen. «Die Auswertung und Berechnung erfolgt im Büro und wird dem Betrieb für das rechtliche Gehör mittels eines Kontrollberichts unterbreitet», so Hablützel.

Wird ein Verstoss festgestellt, muss der Salon mit Verhängung einer Konventionalstrafe rechnen, in leichten Fällen mit einer Verwarnung. «Weiter muss er die festgestellte Differenzen nachzahlen oder sich zum Beispiel über den Abschluss von fehlenden Versicherungen oder die künftige Führung von einer korrekten Arbeitszeitenkontrolle ausweisen», so Hablützel.

Herkunft spielt keine Rolle

Während der frühere Präsident der Sektion Zentralschweiz des Branchenverbands Coiffure Suisse in einem Interview mit der «Luzerner Zeitung» die Ansicht äusserte, dass sich viele zumeist ausländische Betreiber nicht an gesetzliche Bestimmungen hielten und hinter einigen Geschäften gar türkische und syrische Clans stünden, äussert sich die Kommission diesbezüglich zurückhaltend. Die Kommission erhebe keine solche Daten, sieht hierfür auch keine gesetzliche Grundlage. «Die Herkunft oder die familiäre Verbindungen von Salonbesitzern sind nicht Gegenstand einer Lohnbuchkontrolle», so Hablützel.

Für die PK Coiffure seien solche Aspekte nicht ausschlaggebend, denn alle Salons fallen unter den GAV – unabhängig vom Inhaber oder der familiären Organisation des Betriebs. Ob aber ausländische Betreiber von Coiffeursalons vermehrt gegen Gesetze verstossen, wie dies der frühere Präsident glaubte, bleibt offen.

Im Allgemeinen kontrolliert die Kommission nicht nur diejenigen Salons, die mit Haarschnitten zu Tiefstpreisen locken. Solche Salons würden eher aufgrund von Verdachtsmeldungen von Arbeitnehmern, Arbeitgebern, Kunden oder Behörden kontrolliert.

Statistiken fehlen

Fragen zu Bewilligungen, Meldepflicht sowie Sozial- und Quellensteuerabgaben sind im Gegensatz zur Kontrolle vom Einhalten der Mindestlöhne Sache des Kantons. Das KKO führt vor Ort Befragungen durch. Aufgrund «normaler Risikoabwägung» habe man sich dazu entschlossen, mehr Kontrollen in diesem Bereich durchzuführen.

Ob heute mehr Salons gegen die Vorschriften verstossen als früher, kann Martin Bucherer, Leiter «WAS wira Luzern», nicht sagen. «Es fehlen spezifische Statistiken, Parameter verändern sich laufend.» Seiner Ansicht nach würden die Kontrollen reichen, weitere Massnahmen brauche es nicht. «Das kantonale Kontrollorgan wird weiterhin aufgrund einer aktuellen Risikoabwägung entscheiden, wann und wo kontrolliert wird.»

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