Am Montag und Dienstag ist ein 36-jähriger Schweizer vor dem Luzerner Kriminalgericht gestanden, der im Sommer 2021 seine Freundin mit 60 Messerstichen getötet haben soll. Das sind die wichtigsten Erkenntnisse.
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Mord in Emmenbrücke?
Freispruch oder lebenslänglich? Das war der Mordprozess am Luzerner Kriminalgericht
Nach über 15 Stunden Verhandlung, verteilt auf zwei Tage, hat am frühen Dienstagabend am Luzerner Kriminalgericht ein Mordprozess gegen einen 36-jährigen Schweizer geendet. Die Staatsanwaltschaft legt ihm zur Last, für den Tod einer damals 29-jährigen Frau verantwortlich zu sein. Diese wurde im Sommer 2021 tot in der Wohnung des Beschuldigten gefunden (zentralplus berichtete). Die Anklage fordert einer lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes.
Das sind die wichtigsten Erkenntnisse aus dem zweitägigen Prozess:
- Der Beschuldigte führt aus, nicht er sei der Aggressor gewesen, sondern seine Freundin habe ihn angegriffen.
- Der Beschuldigte gibt an, aufgrund einer Long-Covid-Erkrankung und «Todespanik» eine «tiefgreifende Bewusstseinsstörung» erlitten zu haben.
- Frank Urbaniok, Professor für forensische Psychiatrie, attestierte dem Beschuldigten in einem Gutachten mehrere Risikoeigenschaften, darunter eine gesteigerte Egozentrik. Urbaniok beschreibt den Mann als «angenehmen Zeitgenossen, bis man etwas tut, das für ihn unangenehm ist».
- Der Gutachter hält fest, dass Long-Covid die Schuldfähigkeit des Beschuldigten höchstens leicht beeinflusst haben dürfte.
- Die Staatsanwaltschaft fordert lebenslänglich und spricht von einer «bestialischen», «kaltblütigen» und «abscheulichen» Tat
- Der Verteidiger hält dem unter anderem entgegen, der Beschuldigte habe, ausgelöst von Corona, an einer starken geistigen Umnachtung gelitten und sei schuldunfähig. Zudem habe er aus Notwehr gehandelt, was eine Tötung der Frau unter diesen speziellen Voraussetzungen entschuldige.
- Aus diesem und weiteren Gründen fordert der Verteidiger einen Freispruch und verlangt 170’000 Franken Genugtuung für seinen Mandanten, der fast drei Jahre zu Unrecht im Gefängnis gesessen habe
Wie die Verhandlung im Detail abgelaufen ist, liest Du im Liveticker unten. Das Gericht wird sein Urteil am 9. November verkünden. zentralplus wird für Dich vor Ort sein.
- Anklage der Luzerner Staatsanwaltschaft im Verfahren SA2 21 6279 22
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Verteidiger fordert 170'000 Franken Genugtuung
Das sind die Anträge
Der Verteidiger stellt folgende Anträge:
– Freispruch vom Mordvorwurf
– Freispruch vom Vorwurf des Besitzes einer Waffe
– Freispruch vom Vorwurf des Fahrens ohne Führerschein
– 1 Tagessatz symbolischer Geldstrafe für den unerlaubten Cannabisbesitz
Das sagte der Verteidiger im Wesentlichen
Mittlerweile hat der Verteidiger über drei Stunden plädiert und referiert zu untergeordneten Vorwürfen der Anklage, etwa, weil der Beschuldigte Marihuana für einen Kollegen gehortet habe, was verboten ist. Was der Verteidiger zum Gutachten
und zum Sachverhalt des Mordvorwurfs sagte, liest Du weiter unten im Ticker. Nun hat er auch die
rechtlichen Ausführungen durchargumentiert: Der
Verteidiger fordert vom Gericht, seinen Mandanten vom Mordvorwurf freizusprechen.
Vereinfacht gesagt, weil der Mann, ausgelöst durch Corona, geistig stark
umnachtet und damit schuldunfähig gewesen sei. Sollte das Gericht eine nur
verminderte Schuldunfähigkeit annehmen, liege immer noch ein sogenannt
entschuldbarer Notwehrexzess vor. Übersetzt heisst das: Laut dem Anwalt war der
Beschuldigte in einer Notwehrsituation, in der er sich stärker gewehrt hatte,
als er es hätte tun dürfen. Der Angriff seiner Freundin, sein Gesundheitszustand
und die offenbar ausweglose Situation hätten ihn aber in «entschuldbare Aufregung
und Bestürzung» versetzt, wie es im Strafgesetzbuch heisst. Unter diesen Gesichtspunkten
sei die übertriebene Abwehr gerechtfertigt, weshalb der Beschuldigte nicht
bestraft werden könne.
Verteidiger plädiert auf Freispruch von Mordvorwurf
Laut dem Verteidiger hat der Beschuldigte seine Freundin abgewehrt, als diese mit dem Messer auf ihn losgegangen sei. Das sei
Notwehr gewesen. Ab diesem Moment habe die Bewusstseinsstörung eingesetzt, was zu einer vollkommenen Schuldunfähigkeit geführt habe. Der Beschuldigte also sei: «Vom Vorwurf des Mordes freizusprechen.»
Der Verteidiger fasst zusammen: Der Beschuldigte habe eine vorsätzliche Tötung begangen, allerdings in einem sogenannt entschuldbaren Notwehrexzess.