Fiona Schär: Die jüngste Luzerner Kantonsrätin

«Linker Gutmensch? Mir egal»

Die St. Gallerin Fiona Schär vor den Wahrzeichen Luzerns: Die junge Frau lebt seit 10 Jahren hier und fühlt sich bereits heimisch. (Bild: rob)

Nächsten Montag geht es los: Das neu gewählte Kantonsparlament tagt zum ersten Mal. Mit dabei sein wird auch Fiona Schär (SP), mit 28 Jahren ist sie das «Küken» im Parlament. Die Jusstudentin verrät, dass sie ziemlich nervös sein werde unter all den älteren Damen und Herren – einschüchtern lassen möchte sie sich aber nicht. Und kuschen will sie schon gar nicht.

Dass sie mit 28 Jahren die jüngste unter den 120 Parlamentariern ist, findet Fiona Schär komisch. «Wer vertritt all die Menschen, welche jünger sind als ich? Wie repräsentativ ist ein Parlament, wenn die Alterskategorie unter 28 nicht vertreten ist?» Fiona Schär sitzt vor ihrem Cappuccino in einem Café in der Luzerner Altstadt und gibt bereitwillig und offen Auskunft. Mit Medienterminen hat sie noch wenig Erfahrung – was wenig erstaunlich ist, da die junge Frau bisher kaum öffentlich in Erscheinung getreten ist. Das wird sich ab nächsten Montag ändern: Fiona Schär ist für die zurücktretende Felicitas Zopfi für die SP ins Kantonsparlament nachgerückt (zentral+ berichtete).

Mitten im Prüfungsstress

Zeit für Interviews und für Politik hat Fiona Schär eigentlich keine, da sie mitten in den Semesterprüfungen der Uni steckt. «Ab Mittwoch werde ich mich aber intensiv in die Unterlagen für die Session einarbeiten», verspricht sie und lächelt. Sie sei nicht eine, die einfach so reinsitzt, ohne eine Ahnung von den Geschäften zu haben. «Obwohl es stapelweise Unterlagen sind, werde ich mich so gut wie möglich vorbereiten», verspricht sie.

Eigentlich müsste sie als jüngstes Mitglied nächsten Montag vor dem versammelten Parlament und der Regierung eine Rede halten. So will es die Tradition. Fiona Schär verdreht die Augen und schmunzelt. Man sieht ihr an, dass ihr bei dieser Vorstellung nicht wirklich wohl ist. «Da ich nachgerutscht bin, komme ich darum herum», verrät sie, sichtlich erleichtert. An ihrer Stelle wird wie geplant Marcel Zimmermann diesen Part übernehmen.

Plötzlich im öffentlichen Interesse

Auch ohne Rede wird Fiona Schär am ersten Sessionstag ziemlich nervös sein, wie sie offen zugibt. «Ich bin jetzt schon aufgeregt. Mir war bisher gar nicht bewusst, wie man als Politikerin plötzlich in der Öffentlichkeit steht.» Das Beispiel von Christa Markwalder und der Kasachstan-Affäre habe ihr gezeigt, dass man aufpassen müsse, was man sagt und tut.

«Ich bin jetzt schon aufgeregt. Mir war bisher gar nicht bewusst, wie man als Politikerin plötzlich in der Öffentlichkeit steht.»

Fiona Schär, SP-Kantonsrätin

Die Ostschweizerin aus Wil zog vor zehn Jahren nach Luzern, um Illustration an der Hochschule Luzern – Design und Kunst zu studieren. Danach arbeitete sie als Grafikerin und lernte die lebendige Kulturszene Luzerns kennen. Seit 2013 studiert Fiona Schär Rechtswissenschaften. «Ich mag Luzern sehr, sie ist zu meiner Heimatstadt geworden», sagt sie und schmunzelt. Heimweh nach der Ostschweiz habe sie nicht, auch wenn sie hier wegen ihres Dialekts manchmal belächelt werde. «Aber das ist ja nicht bös gemeint.»

Jung, jünger, am jüngsten

Am nächsten Montag wird das neu gewählte Luzerner Kantonsparlament die neue Legislatur in Angriff nehmen. Von den 120 Sitzen werden deren 29 von Neulingen besetzt. Nach den Wahlen im März waren es 27. Für Paul Winiker (SVP), der in den Regierungsrat gewählt wurde, ist Reto Frank nachgerückt. Den Platz der zurücktretenden Felicitas Zopfi nimmt für die SP Fiona Schär ein.

Schär ist mit 28 Jahren die derzeit jüngste Parlamentarierin – Marcel Zimmermann (SVP) ist nur rund einen Monat älter –, sie ist aber bei weitem nicht die jüngste, die je im Luzerner Parlament gesessen hat. Zimmermann ist seit 2011 im Rat und war damals 24-jährig. Katharina Meile (Grüne) wurde 2005 Kantonsrätin und war damals 21 Jahre alt. Christian Graber (SVP) war, als er 2008 sein Amt antrat, 22-jährig.

Fiona Schär lebt zusammen mit ihrem Freund in einer WG in Luzern. Ein klassisches Studentenleben? Sie winkt vehement ab. Da es ihr zweites Studium sei, habe sie keine Lust auf ein Studentenleben mit langen Partynächten. «Der Ausgleich neben dem Studium ist mir aber schon wichtig. Dazu gehört vor allem Sport, ich besuche aber auch gerne kulturelle Veranstaltungen und gehe an Konzerte.»

Einfach mal auf die Wahlliste

Politisch ist Fiona Schär noch mehr oder weniger «unbefleckt». Seit zweieinhalb Jahren ist sie Mitglied der Sozialdemokraten und hat sich bei den Kantonsratswahlen auf die städtische Liste setzen lassen. «Eigentlich ging ich eher davon aus, dass ich nicht gewählt würde», sagt sie. Das wurde sie auch nicht, aber sie landete zuoberst auf der Liste der Nichtgewählten. Und so war bald klar, dass sie im Falle der Wahl von Felicitas Zopfi in den Regierungsrat nachrücken würde. Zopfi wurde zwar nicht gewählt, ist aber dennoch aus dem Kantonsrat zurückgetreten. «Ich war schon erstaunt, dass ich es plötzlich doch noch geschafft hatte», sagt Fiona Schär. Sie kenne zwar einige Leute in der Stadt, aber dass gleich so viele für sie stimmten, erstaunte sie schon. «Vielleicht hat da auch noch der Bonus ‹jung und Frau› mitgespielt.»

Auf ihrer Website sieht man die kunstvollen Grafiken und Illustrationen von Fiona Schär. Und man fragt sich, warum sich die junge Frau den trockenen Parlamentsalltag antun will. Sie lacht ob dieser Frage. «Auch mein Jusstudium ist einigermassen trocken.» Aber gerade deshalb interessiert sie die Politik – nicht wegen der Trockenheit der Materie, sondern wegen der spannenden juristischen Fragen. «Im Studium komme ich oft mit kantonalen Gesetzen in Kontakt. Im Parlament werde ich miterleben, wie diese praktisch umgesetzt werden, das ist interessant. Zudem gibt es mir die Chance, für Werte, die mir wichtig sind, einzustehen.»

Lust, sich zu engagieren

Zudem hatte sie Lust, sich für etwas zu engagieren. «Andere betätigen sich bei der Caritas oder bei einer anderen Hilfsorganisation. Ich gehe in die Politik und leiste dort einen Beitrag für die Gesellschaft.» Ihre politische Haltung ist selbstverständlich SP-nah. «Mir ist wichtig, dass man die Menschen berücksichtigt, die weniger Glück haben im Leben. Ein ausgebautes soziales System kann dazu führen, dass eine Gesellschaft mehr durchmischt wird. Dass sich nicht Eliten von Arbeitsklassen trennen, sondern ein Ausgleich stattfindet.» Dass sie deswegen als «linker Gutmensch» abgestempelt werde, ist ihr egal. «Das Engagement für sozial Benachteiligte ist mir ein wichtiges Anliegen, und dazu stehe ich.»

Auf welche politischen Geschäfte sie sich konzentrieren wird, weiss Fiona Schär noch nicht. Sie wolle sich Zeit geben, um sich einzuarbeiten. Sie wird ihre Parlamentskarriere buchstäblich ganz von vorne beginnen. So kennt Fiona Schär bisher noch keinen einzigen Parlamentarier aus den anderen Parteien. Den Vorwurf von Filz und übermässiger Verbandelung kann man ihr sicher nicht machen. Aber sie werde offen auf alle zugehen – auch wenn sie nicht mit jedem Kantonsrat aus einer anderen Partei gleich zusammen Mittagessen gehen werde. «Ein bisschen Distanz muss schon sein», sagt sie und grinst. Ansonsten will sie aber lösungsorientiert und konstruktiv politisieren, auch wenn die SP nun in einer Oppositionsrolle steckt.

«Kuschen und in Ehrfurcht erstarren werde ich nicht.»

Fiona Schär, SP-Kantonsrätin

Jeans oder Deuxpièces?

Und ihre Rolle als «Küken» im Parlament? Macht es ihr Mühe, wenn rundherum graumelierte Herren neben ihr sitzen werden? Das Durchschnittsalter ist gegenüber 2011 von 48 auf 49 Jahre gestiegen. Der Frauenanteil sank von 30,8 auf 29,2 Prozent. Etwas Respekt vor den älteren und meist erfahrenen Damen und Herren habe sie schon, gibt sie zu. «Ich könnte von vielen die Tochter sein», gibt sie zu bedenken. Aber für sie ist klar: «Kuschen und in Ehrfurcht erstarren werde ich nicht. Ich will mich nicht zurückhalten und als junge, scheue Frau wahrgenommen werden, sondern mir durch mein Engagement Respekt verschaffen.»

Letzte Frage: Was anziehen? Schlabberjeans oder Deuxpièces? Weder noch, meint Fiona Schär. «Ich weiss es noch nicht, aber ich werde sicher etwas tragen, das zu mir passt.»

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