Luzerner Kantonsrat schickt ÖV-Initiative bachab

Linke beisst mit 60-Millionen-Forderung auf Granit

Solche Doppelgelenkbusse werden bald auch auf der Linie 2 nach Emmenbrücke verkehren.

(Bild: PD)

Eine Initiative verlangt mehr Geld für den ÖV. Die Finanzen standen in der Debatte dann auch im Zentrum. Während sich die Befürworter aus linken Kreisen durch die Initiative mehr Planungssicherheit wünschen, befürchten die Bürgerlichen drastische Einschränkungen im politischen Prozess.

Die von links-grünen Kreisen aus dem Kanton Luzern lancierte Volksinitiative «Vorwärts mit dem öffentlichen Verkehr» verlangt, dass der Kanton jedes Jahr 60 Millionen Franken für die Instandhaltung und den Ausbau des ÖV-Angebotes im Kanton in einem Fonds zur Seite legt. Viel zu viel und vor allem unnötig, finden die Bürgerlichen. Die Vorlage war im Kantonsparlament chancenlos.

Überfinanzierung befürchtet

Insbesondere die Fondslösung ist den Bürgerlichen ein Dorn im Auge. «Es gibt keinen anderen Kanton, der einen ÖV-Fonds kennt», sagte der Präsident der Verkehrskommission, SVP-Kantonsrat Rolf Bossart.

Dies zeige, dass eine Fondslösung wohl kaum besser sei als die jetzige Situation. Bei einer Annahme der Initiative wäre der ÖV im Vergleich zu anderen Staatsaufgaben künftig stark überfinanziert und es würde Geld für andere wichtige Projekte fehlen, monierte Bossart.

Und vor allem für die Gemeinden wäre die Annahme der Initiative eine grosse Last, so Bossart. Diese würden jährlich mit 10 bis 12 Millionen Franken jährlich zusätzlich belastet.

«Jeder hat Projekte, die er gerne realisieren würde.»

Herbert Widmer, FDP-Kantonsrat

In die gleiche Kerbe schlug Bossarts Fraktionskollege Daniel Keller. Die Forderung sei absolut überflüssig. «Es gibt aktuell keine Unterfinanzierung des öffentlichen Verkehrs und keinen Investitionsstau», so der SVP-Kantonsrat. Zudem könnten die Initianten kaum stichhaltige Argumente oder Beispiele liefern, wo und wieso es konkrete Investitionen brauche.

«Es ist erstaunlich, dass gerade die Grünen vehement für die Trolleybuslinie zur Mall of Switzerland einstehen, obwohl sie das Einkaufszentrum immer bekämpft haben», so der Vorwurf. Anhand solcher Beispiele zu argumentieren, greife zu kurz. «Und wo soll das Geld überhaupt herkommen?», fragte er in Richtung Initianten. Denn darüber schweige sich der Text der Vorlage aus.

CVP-Kantonsrat: «Die Initiative ist verantwortungslos»

Ähnlich tönte es bei CVP-Kantonsrat Hanspeter Bucheli. Er ist der Meinung, bei der Initiative insbesondere einen ganz grossen Schwachpunkt ausgemacht zu haben. «Es ist im Initiativtext keine Anpassung der Fondseinlagen nach unten vorgesehen.»

Das bedeutet, dass die 60 Millionen Franken auch dann zur Seite gelegt werden müssten, wenn es gar kein neues Geld braucht, der ÖV also eindeutig genügend finanziert ist. Bucheli unterstellte der Linken zudem, dass sie die 60 Millionen jeweils zusätzlich zu den sowieso jährlich gesprochenen Bundesgeldern in den Fonds legen wollen.

«Die Gegner malen eine nicht sehr optimistische Zukunft für den Kanton.»

Marcel Budmiger, SP-Kantonsrat

«Wenn schon müsste man die Bundesbeiträge in die Diskussion miteinbeziehen», so sein Vorwurf an die Initianten. Die jährlichen Einlagen würde eine Budgeterhöhung beim ÖV um 40 Prozent bedeuten. Damit schiesse die Forderung eindeutig über das Ziel hinaus, so Bucheli.

«Eine Annahme der Initiative würde den künftigen Budgetprozess noch mehr einschränken, als er jetzt schon ist», warnte Bucheli in Richtung der Linken. «In der momentanen finanziellen Situation des Kantons ist die Forderung schlicht verantwortungslos», so der CVP-Kantonsrat. 

Genauso sah es auch FDP-Kantonsrat Herbert Widmer. Sie würden mit ihrer Initiative den Exekutiv- und Legislativprozess stark beeinträchtigen, warf er den Initianten vor. «Man weiss ja eigentlich, dass das Geld nicht vorhanden ist. Jeder hat Projekte, die er gerne realisieren würde», so Widmer.

Initianten rechtfertigen 60-Millionen-Fonds

Wenig überraschend konnte die Linke den Argumenten der bürgerlichen Seite wenig abgewinnen. «Die Gegner malen eine nicht sehr optimistische Zukunft, obwohl sie im Bereich der Finanzpolitik gerne von Aufbruchstimmung und rosigen Zeiten des Kantons sprechen», konnte sich SP-Kantonsrat Marcel Budmiger einen Seitenhieb nicht verkneifen.

Viele wichtige Ausbauprojekte, vor allem auf dem Land, seien am Stocken oder ganz gestoppt worden, bedauerte Budmiger. Zwar zeigten Regierung und Parlament immer die Absicht, im Bereich ÖV vorwärtszumachen. Bei der Frage der Finanzierung scheiterte diese aber stets aufs Neue.

Neo-Nationalrat Michael Töngi ist enttäuscht

Neben der Ratslinken zeigte sich nach der Abstimmung auch der ehemalige Grüne Kantonsrat, Neu-Nationalrat und Präsident des VCS Luzern, Michael Töngi, enttäuscht.

«Der Kantonsrat hat heute eine Chance verpasst, sich klar hinter den ÖV-Ausbau zu stellen», schreibt der VCS in einer Mitteilung. Sowohl ideell als auch finanziell. Doch nun drohe die Nachfrage stärker zu wachsen als das Angebot, so der Verband. «Die Entwicklungen, wie sie der ÖV-Bericht vorsieht, können mit den eingestellten Mittel im Ausgaben- und Finanzplan nicht finanziert werden. Die finanzpolitische Blockade im Kanton Luzern gefährdet damit den geplanten nötigen ÖV-Ausbau», sagt Michael Töngi. Das bedeute, dass auch eine Ausdünnung des ÖV auf dem Land sowie eine Erhöhung der Ticketpreise schon bald Realität sein könnten.

«Die Bevölkerung will nicht jedes Jahr einen Bericht, dessen Projekte aus finanziellen Gründen dann so oder so abgelehnt werden», so Budmiger. Auch der Betrag von 60 Millionen sei sehr wohl überlegt. Denn diesen Betrag hätte es laut den Initianten gebraucht, um die im letzten Bericht aufgeführten Projekte umzusetzen, sagte der SP-Kantonsrat.

Zudem seien Fondslösungen für den Verkehr in der Schweiz seitens der Bevölkerung akzeptiert und stiessen stets auf Zuspruch. Budmiger verwies auf die in den vergangenen Jahren deutlich angenommenen nationalen Vorlagen FABI (Finanzierung und Ausbau der Bahninfrastruktur) und den sogenannten NAF (Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds). «Ein Fonds gibt uns die benötigte Planungssicherheit», erläuterte Budmiger aus seiner Sicht die Vorteile eines Fonds.

Kommen ÖV-Gelder unter den Sparhammer?

Unterstützung erhielt Budmiger von Monique Frey (Grüne). «Die heutige Finanzierung reicht schon kaum für die Instandhaltung der bestehenden Infrastruktur. Auch die nicht umgesetzten Planungen und Projekte werden noch zunehmen», monierte sie. Frey bezieht sich auf verschieden geplante Bushubs wie zum Beispiel in Sursee oder Ebikon, die auf sich warten liessen.

«Durch die Schaffung eines Fonds kann der Ausbau des Angebots in Zukunft jedoch unabhängig von kurzfristigen politischen Entscheiden vonstattengehen», so Frey. Sie erwähnte unter anderem die vorgesehene Erhöhung des kantonalen ÖV-Beitrages von einer Million im nächsten Jahr. «Diese wird in der nächsten Budgetdebatte wohl wieder geopfert werden.» Und SP-Kantonsrat Josef Schuler ergänzte: «Wir wollen nicht jedes Jahr aufs Neue um das bestehende Angebot zittern müssen.»

Keine Abweichler in der Schlussabstimmung

Nicht viel anfangen mit der Initiative kann auch die Regierung. Der ÖV geniesse bereits jetzt hohe Priorität. «Der finanzielle Spielraum für die Gewährleistung des ÖV-Angebots ist durchaus vorhanden», sagte Regierungsrat Robert Küng (FDP). In der Vergangenheit sei sehr viel in den Ausbau des ÖV investiert worden.

Und auch er verwies auf die momentane finanzielle Situation. «Die Initiative würde zu starren Verhältnissen auf der Ausgabeseite führen.» Dies sei problematisch, so Küng, da das Geld anderswo eingespart werden müsste. Das Parlament folgte der Regierung und lehnte die Initiative mit 84 zu 22 stimmen ab. Das letzte Wort hat die Luzerner Bevölkerung.

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