SVP-Regierungsratskandidat Paul Winiker

Linientreu und konsensbereit

Rückenwind aus der Wirtschaft: Der Krienser Gemeindepräsident und SVP-Regierungsratskandidat Paul Winiker. (Bild: René Regenass)

Paul Winiker, Krienser Gemeindepräsident und SVP-Politiker der ersten Stunde, werden gute Chancen eingeräumt, im kommenden Frühjahr einen Regierungsratssitz zu erobern. Winiker, der gestern von den SVP-Delegierten nominiert wurde, vertritt in der Asylpolitik die Parteilinie. Gleichzeitig will er lösungsorientiert politisieren und sagt zum Beispiel: «Die Schweiz war schon immer ein Einwanderungsland.» Winiker sagt aber auch: «Wir lassen nur herein, was uns nützt.»

Paul Winiker ist mir zum ersten Mal Ende der 70er Jahre auf der Redaktion der «Luzerner Neusten Nachrichten» («LNN») begegnet. Er machte vor der Wirtschaftsmatura ein Praktikum und sammelte erste Erfahrungen als Journalist in den regionalen Ressorts. Ich weiss nur noch, dass seine Arbeit bei uns Redaktoren gut ankam.

Im Rückblick erinnert sich Paul Winiker, dass er diese Zeit sehr gut erlebt habe. «Ich war so etwas wie begeistert und wollte Journalist werden. Doch der damalige LNN-Dienstchef riet mir ab und empfahl mir ein Studium.» Stattdessen studierte er Betriebswirtschaft und wirkte in den Industriefirmen der damaligen Sandoz als Kontrolleur, Berater und Revisor. Später kehrte er dennoch zum medialen Ausgangspunkt zurück. Beim European Business Channel, dem ersten privaten Fernsehsender in der Schweiz war er zuständig für Administration und Finanzen.

Die Bürgerlichen verloren ihren Kompass

Wie kommt Paul Winiker zur SVP? «Ich gehörte Anfang der 90er Jahre in Luzern zu den selbständigen Gewerbevertretern. Wir vertraten die Meinung, dass die bürgerliche Politik im Kanton Luzern in die falsche Richtung laufe. Es war nach dem Mauerfall in Berlin, als die bürgerlichen Parteien ihren Kompass verloren.» Zusammen mit Leuten aus Gewerbe und Landwirtschaft habe er die SVP gegründet. «Ich war Vizepräsident, Hannes Estermann war der erste Präsident.»

Das Ziel der Gewerbler war klar: Eine liberalkonservative Partei, welche das bürgerliche Gedankengut wieder stärker vertritt und bestehende Werte erhalten will, zum Beispiel die Unabhängigkeit, die Neutralität, die Freiheit des Unternehmers.

«Die Asylinitiative ist richtig»

Das ist über 20 Jahre her. Und wo steht Paul Winiker bei den aktuellen SVP-Positionen, zum Beispiel bei der neusten Asylinitiative, welche nur noch Menschen zum Verfahren zulassen will, die ohne Umweg über ein anderes Land in die Schweiz kommen? «Über die Schengen- und Dublin-Abkommen wollte man verhindern, dass Flüchtlinge in Europa in mehreren Ländern einen Asylantrag stellen konnten. Das finde ich richtig. Die neuste Initiative will diese Bestimmung in der Schweiz wieder durchsetzen helfen. Wenn das nicht gelingt, brauchen wir zwingend wieder eine Grenzkontrolle.»

Statt Syrer bei uns aufzunehmen, wäre es laut Winiker ein humanitärer Akt, wenn sich die Schweiz vor Ort in den Entwicklungslagern stärker engagieren würde. «Wir könnten UNO-Projekte zur Ansiedlung dieser Menschen in der Nähe ihrer Heimat unterstützen.»

«Es ist der falsche Weg, Asylbewerber in unsern überfüllten Agglomerationen anzusiedeln. Damit gefährden wir den sozialen Frieden.»

Generell aber glaubt der 58-Jährige, dass die Akzeptanz für eine weitere Zuwanderung, vor allem auch aus afrikanischen Ländern, in der Schweiz nicht mehr vorhanden sei. «Wir müssen versuchen, Projekte vor Ort zu unterstützen, damit diese Leute in ihrer Umgebung leben können.» Winiker verweist dabei auch auf das Kosten-Nutzen-Verhältnis. «Es ist der falsche Weg, sie in unsern überfüllten Agglomerationen anzusiedeln. Integration ist nicht mehr möglich, wenn die Fremden bald in der Mehrheit sind. Damit gefährden wir den sozialen Frieden.»

Zur Person

Aufgewachsen ist Paul Winiker in Luzern, im Alpenquai besuchte er das Wirtschaftsgymnasium. 2007 wurde Winiker in den Kantonsrat und in den Krienser Gemeinderat gewählt. Bis zur Wahl als Gemeindepräsident im Jahre 2012 wirkte er in Kriens in einem 50-Prozent-Pensum, seither sind es 87 Prozent. Nach dem Eintritt in die Krienser Exekutive gab Winiker seine selbständige Beratertätigkeit im Wirtschaftsbereich auf. Seit 1991 ist er verheiratet, mit Ina, die ursprünglich aus Holland stammt. Eine 18-jährige Tochter und ein 13-jähriger Sohn, beides Gymnasiasten, gehören zur Familie.

Eine gewisse Liebe zum Theater

Was macht Paul Winiker, wenn er nicht arbeitet? «Ich bin gerne draussen, bewege mich in der Natur, bin viel auf dem Velo und spiele immer noch gerne Fussvolley im Lido – das ist meine Leidenschaft.» Kultur, kommt das vor? Paul Winiker spricht vom Theater, von der Bunten Bühne Kriens. «Ich habe in Gilberte de Courgenay mitgespielt, eine kleine Rolle. Und ich hätte gerne noch andere Rollen übernommen. Doch aus zeitlichen Gründen liegt das nicht mehr drin.»

Und er selbst? Hat Paul Winiker je mit einem Asylbewerber gesprochen? «Sicher, in der Sprechstunde des Gemeindepräsidenten.» Vor zwei Wochen sei ein Iraker bei ihm gewesen, der seit 14 Jahren im Status «vorläufig aufgenommen» lebe. «Das bewegt mich, wenn ein Mensch 14 Jahre lang in einem ‹vorläufigen› Zustand lebt und keine Heimat hat. Das ist ein schlechter Leistungsausweis für die Administration im Asylwesen und menschlich nicht tragbar.»

Winiker betont dann, es sei ebenso falsch, wenn ein Einbürgerungsgesuch für eine Person laufe, deren Asylgesuch zweimal abgelehnt und dann auch von der Härtefallkommission abgelehnt worden sei. «So wird die Akzeptanz im Volk untergraben und unsere humanitäre Tradition abgewertet.»

«Wir lassen nur herein, was uns nützt»

Und seine Position zur Einwanderungsinitiative? «Die Zuwanderung ist Teil des Erfolgsmodells Schweiz. Wir brauchen die besten Leute auf der Welt, zum Beispiel beste Forscher. Und auch Talente. Es gibt Lücken im Gesundheitsbereich, die wir über die Zuwanderung decken müssen.»

Man benötige dazu eine kontrollierte Zuwanderung, wie das alle grossen Einwanderungsländer auf der Welt praktizierten. «Ein Sozialarbeiter erhält keinen Aufenthalt in Australien, ein Bäcker oder Dachdecker bekommt die Bewilligung, weil diese Leute gebraucht werden. Genau so müssen wir handeln. Wir lassen nur herein, was uns nützt.»

 «Beim Leistungsausbau sparen»

Winiker kandidiert als Regierungsrat, nicht für ein nationales Amt. Wie steht er dazu, dass die Luzerner Regierung mit dem neusten Sparpaket die Staatsbeiträge kürzen will, ohne die Auswirkungen erkennbar zu machen? «Der Kanton Luzern hat es in den letzten Jahren verpasst, das grosse Wachstum von Leistungen und Kosten zu bremsen. Im Grund ist es sehr einfach: Am einfachsten kann man sparen, wenn kein Leistungsausbau beschlossen wird.»

«Statt bei den eigenen Strukturen in den grossen Stäben der Verwaltung anzusetzen, kürzt die Regierung einfach die Staatsbeiträge.»

Im Kantonsrat seien Projekte mit Kostenzuwachs beschlossen worden, welche die SVP abgelehnt habe. Hat Paul Winiker Beispiele? «Das neue Volksschulbildungsgesetz mit der Integrativen Förderung und den familienergänzenden Angeboten führte zu einer rund zehnprozentigen Ausgabensteigerung im Bildungswesen.» Man sehe das Beispiel in Kriens: «Wir benötigen einen Drittel mehr Schulraum. Jetzt will der Kanton mit einem hilflosen Sparpaket Gegensteuer geben. Statt bei den eigenen Strukturen in den grossen Stäben der Verwaltung anzusetzen, kürzt die Regierung einfach die Staatsbeiträge.»

Neben dem Leistungsausbau seien im Kanton in den letzten Jahren Steuersenkungen, vor allem für Unternehmen, beschlossen worden, die sich heute verheerend auf den Finanzhaushalt auswirken. «Das war eine sehr ambitiöse Steuerpolitik.» Doch die Korrektur sei nötig gewesen. «Der Kanton Luzern hat es über Jahrzehnte verpasst, für Wirtschaft und Gewerbe gute Bedingungen zu schaffen. Die Verantwortung dafür tragen die früheren Regierungen. In der Zielrichtung unterstütze ich die heutige Steuerpolitik.»

«Der Konsens ist wichtig»

In Kriens hat die SVP-Fraktion ihren Gemeindepräsidenten im Einwohnerrat auch schon im Regen stehen lassen: Paul Winiker unterstützte eine Steuererhöhung, die Fraktion lehnte ab. Wie gehen Sie damit um? «Die zweite Steuererhöhung im Jahre 2010 hat auch die SVP-Fraktion unterstützt, und die ist dann durchgegangen. Die erste Erhöhung hatte sie abgelehnt, gegen meine Überzeugung. Es passiert jedem Exekutivmitglied ab und zu, dass er eine andere Meinung vertreten muss, als die Partei vorgibt.»

Winiker kann offenbar leben in der Rolle zwischen Partei und Gesamtsicht einer Exekutive. Er hat sich im Namen des Gemeinderates auch für das kantonale Asylzentrum im Grosshof eingesetzt, das dort erstellt werden soll, gegen die Meinung der SVP-Fraktion. «Ich werde trotzdem angehört. Wir reden miteinander. Es ist die Kunst der Politik, Kompromisse zu schmieden, die am Ende mehrheitsfähig sind. Wichtig ist der Konsens.» 

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Christian Mueller
    Christian Mueller, 29.08.2014, 22:46 Uhr

    Es tut schon ein bisschen weh, mitansehen zu müssen, wie ein ehemaliger LNN-Mitarbeiter so weit nach rechts abrutscht. Winikers These, die Schweiz sei schon immer ein Einwanderungsland gewesen, ist nämlich klar falsch. Im 19. Jahrhundert wanderten Tausende von (brotlosen) Schweizern aus, um in Nord- oder auch Südamerika eine wirtschaftlich bessere Existenz zu finden. Erst etwa um 1880 kippte es: die Industrialisierung brachte neue Arbeitsplätze, es wanderten weniger Schweizer aus und mehr Ausländer ein. Zum klaren Vorteil der Schweiz übrigens: Auch viele Firmengründer waren Eingewanderte, man denke etwa an Charles Brown und Walter Boveri, die 1991 in Baden die Firma Brown Boveri & Cie gründeten (mittlerweile ABB). Und nur jene Menschen reinzulassen, die uns nützen, ist echt menschenverachtend – ein Schritt in Richtung «Der überflüssige Mensch» (siehe das Buch von Ilija Trojanow mit diesem Titel, ein «must» für jeden politisch interessierten Bürger).
    Christian Müller, LNN-Chefredaktor 1980 bis 1988
    (zur Migration siehe auch das Europa Forum Luzern http://www.infosperber.ch/Artikel/Gesellschaft/Zuwanderung-Bestausgebildete-sind-sogar-gesucht )

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