Luzerner sucht seinen «Prince Charming»

Warum eine schwule Datingshow alles andere als trashig ist

Der 26-Jährige Tim aus Luzern kämpft im deutschen Fernsehen um das Herz des Prinzen. (Bild: ida)

In einer deutschen Fernsehshow buhlen 21 Männer um das Herz eines Prinzen. Auch Tim aus Luzern ist bei «Prince Charming» mit von der Partie. Das Format ist alles andere als trashig.

In einem mintgrünen VW-Käfer fährt er vor. Ein Mann in weissen Sneakers und einem aprikosenfarbenen Anzug. Er schreitet über den roten Teppich, hin zu den 21 Männern. Die Männer johlen, haben sichtlich Freude am Anblick. «Er kommt! Er läuft!», sagt einer.

Der «Prince Charming» – Fabian Fuchs – schreitet weiter, von wilden Feuerfunken umgeben. «Oh, der sieht gut aus», meint einer zum anderen. «Yes, Baby!»

Es ist anders als beim Schweizer «Bachelor». Klar, zum einen, weil bei «Prince Charming» Männer um die Gunst des einen – hier des Prinzen – buhlen. Schliesslich ist es eine schwule Datingshow. Zum anderen werden keine Rosen verteilt, sondern Krawatten. Muss ein Teilnehmer die Show verlassen, muss er sie abgeben. Und: Das Format kommt überhaupt nicht trashig daher. Ganz im Gegenteil.

Es bleibt Zeit für ernste Themen. Beispielsweise haben beim Pendant für lesbische Frauen, der «Princess Charming», der ersten lesbischen Datingshow weltweit, die Teilnehmerinnen über Queerfeindlichkeit gesprochen. Über Geschlechtskrankheiten und Konsens beim Küssen. Und darüber, dass jede Vulva einzigartig und schön sei. Auch über Lecktücher wurde in der Show von RTL gesprochen.

Einblick in die aktuelle Staffel von Prince Charming:

Luzerner (26) ist einer der Kandidaten bei «Prince Charming»

Nun sind die Männer wieder an der Reihe: Fabian Fuchs ist der neue Prince Charming. Er sucht auf Rhodos nach der grossen Liebe. Umgeben ist er von 21 Männern. Mit dabei ist der 26-jährige Tim aus Luzern. Die erste Folge ist seit diesem Donnerstag auf RTL+ zu sehen. Jeden Donnerstag erscheint online eine weitere Folge.

Er sei überhaupt kein Fan von Trash-TV, erzählt uns Tim. Das Format Prince und Princess Charming kenne er aber schon länger. Und es sagt ihm zu. «Es gibt zwar auch da einige unterhaltsame Momente», sagt Tim. «Vielmehr werden in der Show aber enorm viele Momente gezeigt, bei denen ich dachte: ‹Das ist wichtig, dass das gezeigt wird.›»

Tim erinnert sich an Szenen früherer Staffeln. Als Princess Hanna mit den Teilnehmerinnen Vulven bastelte. Oder als bei der Staffel mit dem Prinzen Kim alle Teilnehmer einen Brief vorgelesen haben, den sie an ihr jüngeres Ich geschrieben haben. Wohl jeder der Kandidaten hat dabei geweint.

«Das Ziel – queere Liebe sichtbar zu machen und mit Klischees aufzuräumen – besteht seit Staffel 1.»

RTL

«Liebster Bon», las etwa der stets fröhliche Bon vor. In der Staffel erzählte er, dass er als schwuler Mann mit asiatischen Wurzeln gleich doppelt diskriminiert wurde. Beim Vorlesen des Briefes gab er den anderen Teilnehmern und dem Publikum Einblick in seine düsteren Zeiten, in denen es ihm schlecht ging. «Du denkst, du passt nirgends rein und zweifelst an dir. Bitte hör auf, dir zu wünschen, nie wieder aufzuwachen … Nicht du musst dich ändern, sondern die Gesellschaft.»

Bon weinte, die anderen klatschten und weinten mit. Kim umarmte ihn. Es sei augenöffnend gewesen, «weil es vielen Menschen so geht».

Tim stellt sich vor:

Unterhaltung: Ja, aber nicht nur …

In diesem Format, in dem queere Menschen nach der grossen Liebe suchen, haben grosse Emotionen und Deep Talk eben Platz. «Prince Charming hat eine Bedeutung», sagt Tim dazu. «Es geht als Zuschauer und Zuschauerin nicht einfach nur darum, mit Popcorn von Zuhause auf dem Sofa zuzugucken und sich unterhalten zu lassen. Sondern bestenfalls auch etwas dazuzulernen.»

«Ich hoffe, dass mit der Teilnahme von uns allen sichtbar wird, dass es eben nicht nur das eine klischierte Bild eines schwulen Mannes gibt.»

Tim

Das ist auch RTL wichtig. Zwar handelt es sich um eine unterhaltende Datingshow. Aber man will damit auch Sichtbarkeit für schwule Liebe und die Gay Community schaffen. «Das Ziel – queere Liebe sichtbar zu machen und mit Klischees aufzuräumen – besteht seit Staffel 1 und wird von den beteiligten Protagonist:innen auf unterschiedliche Weise mal weniger, mal mehr deutlich in den Folgen und in den Medien sowie auf Social Media gelebt», schreibt ein Mediensprecher auf Anfrage.

Als Tim gesehen hat, dass RTL für die neue Staffel Kandidaten sucht, fühlte er sich sogleich angesprochen. Er hatte Lust auf das Abenteuer. «Und wenn es in der Liebe klappt, habe ich gleich doppelt gewonnen», so Tim – und meldete sich damals an.

Jeder ist queer – und jeder ist anders

Die Zeit in der Villa in Rhodos, wo die Staffel gedreht wurde, hat Tim gut in Erinnerung. «Wir waren 21 Männer und alle sind so verschieden. Ich hoffe, dass mit der Teilnahme von uns allen sichtbar wird, wie vielfältig Homosexuelle sein können. Dass es eben nicht nur das eine klischierte Bild eines schwulen Mannes gibt.»

Das sei wichtig. Tim hatte vor seinem Coming-out keine richtigen Vorbilder. Sondern nur Klischeebilder von schwulen Männern im Kopf, die als einzige in Magazinen sichtbar gemacht wurden. Mit diesen konnte er sich nicht identifizieren. Deswegen haderte Tim manchmal mit sich, fühlte sich wie ein Alien. Nirgends schien er so richtig dazuzupassen.

Tim nimmt nun selbst eine Vorbildrolle ein, gerade für junge Menschen. Dessen ist er sich bewusst. «Das ist sicherlich anspruchsvoll, es lastet auch automatisch ein wenig Druck auf mir.» Doch schliesslich sei niemand perfekt. Und jeder würde mal einen Fehler machen. «Wichtig ist, dass man selber dazulernt. Bei mir ist das beispielsweise, die richtigen Begriffe zu verwenden oder richtig zu gendern.»

Selbst das Händchenhalten kann politisch sein

Tim betont jedoch: «Ich suchte ‹Prince Charming› nicht mit dem Ziel auf, sie als Plattform zu nutzen, um politische Aussagen zu machen. Auch wenn wir in der Villa über viele wichtige Themen gesprochen haben.»

Aber irgendwie leisten ja alle Homosexuellen einen Beitrag zur Aufklärung. Sogar nur dann, wenn sie als Frau Händchenhaltend mit einer anderen Frau durch die Strassen laufen. Das betonte auch Wiki, die letztes Jahr bei «Princess Charming» teilgenommen hat. Gegenüber «ze.tt», einem Ressort von «Zeit Online», wies sie auf die Ungleichbehandlung von Hetero- und Homosexuellen hin. Dass es zwei Männern oder zwei Frauen eben lange Zeit nicht möglich war, zu heiraten. In der Schweiz ja sogar erst seit diesem Juli. Wiki sprach im Interview auch darüber, wie schwer es Transmenschen haben, eine Geschlechtsangleichung durchzuführen.

«Queere Liebe wird von Politikmachenden bis heute nicht als gleichwertig mit heterosexueller Liebe behandelt», sagte Wiki. «Es sind diese Dinge, die es schwierig machen, sich als queere Person als akzeptierter Teil der Gesellschaft zu fühlen. Und solange das so ist, ist jede Handlung, die ich als queere Person tue, jeder Kuss, jeder Fick, jedes Händchenhalten, politisch.»

Jeden Donnerstag gibt’s eine neue Folge

Tim ist gespannt auf die erste Folge. Aber auch aufgeregt, wie er offen zugibt. «Ich werde die allererste Folge erst für mich alleine gucken und erst einen Tag später mit Familie und Freunden bei einem gemütlichen Apéro», sagt er. So könne er erstmals abchecken, wie er im Fernsehen rüberkommt.

Geknutscht wird jedenfalls. Und sicherlich auch gelacht und geweint. Und bestimmt bleibt auch wieder Zeit für tiefe Gespräche zwischen den Männern. Wir sind gespannt auf den neuen Prinzen und die weiteren Folgen.

Verwendete Quellen
  • Erste Folge von «Prince Charming»
  • Telefonat mit Tim
  • Schriftlicher Austausch mit RTL
  • Instagram-Account «Charmings.official»
  • Medienbericht auf Ze.tt
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