Erotik-Markt in Littau wird verkauft

Patrik Stöckli: der Mann, der Porno in die Schweiz brachte

Verkaufte erst Grabsteine, dann Sextoys: Patrik Stöckli. (Bild: ida)

Er galt als «Porno-König» der Schweiz: Nun hat Patrik Stöckli seine acht übrig gebliebenen Erotik-Markt-Filialen – eine davon in Littau – verkauft und geht in Rente. Auf seinem Weg musste er gegen viel Widerstand kämpfen. zentralplus blickt mit ihm zurück.

«Das ist nicht, was Gott will. Da muss man eingreifen.» Mit diesen Worten machte sich eine Mutter von vier Kindern an einem Plakat des Erotik-Markts zu schaffen. Die Ettiswilerin war gerade dabei, die «freizügigsten Stellen» mit einem wasserfesten Filzstift zu übermalen. Dann kam die Polizei und erwischte sie in flagranti.

Dass der Inhaber des neu eröffneten Sexshops in Littau Anzeige wegen Vandalenakte erstatten würde, störte sie nicht. «Busse tun muss Herr Stöckli, sicher nicht ich», verteidigte sie sich in einem Bericht der «Neuen Luzerner Zeitung» vom Jahr 2005.

Was auf dem Plakat zu sehen war? Nichts weiter als ein blutter Frauenpo.

An den Plakaten des Erotik-Markts erfreuten sich längst nicht alle. (Bild: ida)

Patrik Stöckli ist der Mann, der die Gemüter immer wieder erhitzte. Das zeigten die verschmierten Plakate, die Banken, die ihm keine Kredite geben wollten, die Behörden, die teilweise alles taten, um eine Eröffnung zu verhindern oder die enervierten Schweizerinnen. Ziemlich erschrocken ist er, als er einen Brief öffnete, der eine Gewehrkugel enthielt. Man würde ihn «umlegen», wenn er nicht aufhöre, hiess es darin.

Gefeiert und gehasst

Von alledem liess sich Stöckli nicht unterkriegen. Er baute in der Schweiz mit dem «Erotik-Markt» ein Erotik-Imperium auf. Seine berufliche Karriere war allerdings ein wenig gesitteter gestartet. Stöckli war nämlich Bildhauer. 1984, mit 24 Jahren, sattelte er aufs Sexgeschäft um. 1992 eröffnete er seinen ersten Erotik-Markt in Wollerau, weitere folgten. 1994 unter anderem in Root und 2005 in Littau. Schon bald titelten die grossen Zeitungen über ihn als «Sex-Papst» und «Porno-König».

«Ich bin einfach Kaufmann – jedenfalls nicht Porno-König, wie man mich mitunter nennt.»

Patrik Stöckli im Jahr 1995 gegenüber der «Sonntags Zeitung»

Sieht sich Stöckli selbst als «Porno-König» der Schweiz? Der 65-Jährige sitzt am grossen Sitzungstisch in seinem Lager in Wollerau SZ, lächelt verschmitzt, der Schalk blitzt in seinen Augen. Dann winkt er ab. «Nein, gar nicht. Den Titel habe ich mir ja nicht selbst verliehen. Besonders stolz bin ich darauf nicht.» Schon vor Jahrzehnten sagte er gegenüber den Zeitungen, dass er den Titel nicht besonders mag. «Ich bin einfach Kaufmann – jedenfalls nicht Porno-König, wie man mich mitunter nennt», sagte er im April 1995 gegenüber der «Sonntags Zeitung».

Nun geht der 65-Jährige in Pension. Seine acht verbliebenen Filialen des Erotik-Markts hat er an Mitbewerber Magic X verkauft. Die sechs Standorte des Swingerclubs Cruising World werden weitergeführt (zentralplus berichtete).

Ein Füdlibürger

Wer sich durch Zeitungsartikel vergangener Jahre liest, sieht, auf wie viel Widerstand Stöckli gestossen ist. Vielerorts haben die Menschen rundum nicht darauf gewartet, dass Stöckli einen «Supermarkt für den erotischen Hausbedarf» eröffnet. In Mendrisio beispielsweise: Die ganze Kleinstadt plante einen Aufstand. Vor 16 Jahren unterzeichneten 6'949 Menschen eine überparteiliche Petition gegen die Eröffnung des Erotik-Marktes.

Stöckli hat sich von all dem Widerstand nie abhalten lassen. Im Gegenteil. Er feierte, mit Gratis-Würsten, Bier und mehrtägigen Galen, an denen Frauen sexy Dessous vorführten, und brachte Pornos und Sextoys an die Männer und die Frauen.

Ist Stöckli selbst überrascht, wie «bünzlig» Schweizerinnen sind? Er winkt ab. «Ich bin ja selbst ein Bünzli», sagt er, schmunzelt verschmitzt und lacht dann schallend. Er sei pünktlich und «pedantisch ordentlich». Vor allem, wenn es um seine Filialen des Erotik-Markts geht. Sauber muss es sein, jede Lampe brennen, die Verkäuferinnen bereitstehen.

Langweilig wird ihm bestimmt nicht: In seiner Freizeit golft Stöckli gerne – oder pendelt zwischen seinen Häusern am Zürichsee und auf Ibiza. (Bild: ida)

Der Traum von Freiheit und Erfolg

Aufgewachsen ist Stöckli im Kanton St. Gallen. Seine Eltern erzogen ihn streng katholisch, dennoch hatte er als Junge nur Flausen im Kopf. Schliesslich stellten ihm die Eltern ein Ultimatum: Er wurde in eine Klosterschule geschickt. Wie sein Vater lernte er später Bildhauer und verkaufte in Heriswil SO Grabsteine.

Wirklich Freude bereitete ihm das nicht. «Ich bin ein miserabler Bildhauer gewesen, aber ein guter Verkäufer», resümiert Stöckli. Zu Hause musste die Mutter jeden Franken notieren, den sie ausgegeben hatte. Stöckli schüttelt den Kopf. Als Kind und junger Mann bewunderte er seinen einen Onkel, der Villen in Walchwil und Südfrankreich und eine Segelyacht hatte – sowie den Besitzer einer Fabrik in seinem Dorf, der ihm von seinen Reisen in die weite Welt erzählte.

Stöckli wollte diese Welt selber sehen. Doch stattdessen schmorte er in seiner Bildhauerei, klopfte an den Steinen herum und kriegte einen staubigen Kopf davon. Das passte ihm gar nicht.

In diesen Momenten flackerte immer ein bestimmtes Bild vor seinen Augen auf: Beate Uhse, die deutsche Sexunternehmerin, wie sie vor ihrem grossen Verwaltungsgebäude posierte. Über sie titelte der «Stern»: «Das ist alles meins.» Später sah Stöckli einen Beitrag über die «Sexszene Schweiz» im TV. Das alles hat ihn schwer beeindruckt – er witterte im Sexbusiness das grosse Geld.

Der Gummischwanz unter dem Autositz

Erst wollte er einen Sexanzeiger lancieren, zog dann aber neben seiner Arbeit als Bildhauer einen Versandhandel mit Sexartikeln auf. Pornomagazine und -Videokassetten sowie Sextoys schmuggelte er von Deutschland in die Schweiz und hortete sie in einem Nebenzimmer. Pornos Mitte der 1980er-Jahre? Oh Schande! Das war damals nämlich noch illegal in der Schweiz.

Mehrmals wurde Stöckli am Zoll erwischt. Er erzählt, wie die Zoll-Mitarbeiter an einem Mittwochnachmittag unter einen seiner Autositze gegriffen hätten, just da, wo ein Gummi-Dildo lag. Schliesslich wurde er aufgefordert, seinen Kofferraum auszuräumen. «Da habe ich zwei Stunden ausgeladen. Das war schon peinlich», sagt Stöckli.

«Wäre die Abstimmung aber anders verlaufen, wäre ich vermutlich im Knast gelandet.»

Alles auf eine Karte setzte Stöckli schliesslich am Wochenende des 17. Mai 1992: Damals stimmte das Schweizer Volk dafür, dass pornografische Inhalte zulässig sind – und nur harte Pornografie verboten bleibt.

Am Abstimmungs-Wochenende führte Stöckli die erste Erotik-Messe in der Schweiz durch. Theoretisch wäre dies ja noch gar nicht erlaubt gewesen. Die Polizisten seien um das Gebäude geschlichen, alle warteten auf das Ergebnis. Auch Stöckli sass am Sonntag vor dem Radio, um zu lauschen. «Wir hatten ein riesiges Fest. Wäre die Abstimmung aber anders verlaufen, wäre ich vermutlich im Knast gelandet.»

Kein Kostverächter

Sah sich Stöckli als Vorreiter einer offeneren Sexualität? «Ich war schon früher kein Kostverächter», erwidert er. «An Sex-Themen hatte ich immer Freude. Ich habe mir gerne das ‹Praline› und das ‹Schlüsselloch› angeschaut.» Für die, die's nicht kennen: Das waren zwei Erotikmagazine.

«Mich hat stets der Gedanke angetrieben, etwas reissen zu können.»

Dennoch war es nicht der Reiz an der Materie, der ihn anspornte. Treiber war der wirtschaftliche Gedanke, eben ganz der Kaufmann, der Stöckli immer war. Er selbst sagt dazu: «Mich hat stets der Gedanke angetrieben, etwas reissen zu können.»

Renaissance durch Corona

Auch wenn das Geschäft mit Pornos, Dildos und Sexpuppen mehr als nur rentabel war, hatte es Stöckli nicht immer einfach. 2017 musste er sechs seiner vierzehn Filialen dichtmachen. Schuld daran waren Online-Händler, die dem klassischen Einzelhandel das Geschäft abgruben. Die ersten beiden Jahrzehnte machte der Erotik-Markt noch 80 Prozent seines Umsatzes mit Pornofilmen. Mittlerweile ist dieser – in Zeiten von Pornhub & Co – völlig eingebrochen. Heute machen Pornos vielleicht noch zehn Prozent des Umsatzes aus – das grosse Geld wird mit Sextoys und Dessous gemacht.

Auf diese Widmung von Larry Flynt ist Patrik Stöckli besonders stolz. (Bild: ida)

Die bestehenden acht Filialen seien aber bis zuletzt rentabel gewesen – auch diejenige in Littau, betont Stöckli. «Nach Corona hatten wir eine Renaissance: Wir arbeiten heute in unseren Läden erfolgreicher als vor Corona.» Auch die Umsätze aus dem Onlinehandel hätten sich seit der Pandemie vervielfacht.

Nun muss bis Ende April alles raus – bevor der Erotik-Markt in andere Hände übergeht. Langweilig wird es Stöckli bestimmt nicht: In seiner Freizeit findet man ihn oft auf dem Golfplatz, obwohl er ein miserabler Spieler sei. Zudem bewegt er sich zwischen seinen Häusern am Zürichsee und auf Ibiza.

Stöckli steht auf, zeigt nicht ohne Stolz ein Plakat des Amerikaners Larry Flynt, das in seinem Büro in Wollerau hängt. Flynt, Gründer und Verleger mehrerer Pornomagazine wie dem «Hustler», hat darauf mit goldenem Stift eine Widmung für Patrik Stöckli geschrieben: «For Patrik Stöckli: A pioneer of the swiss erotic industry» – auf Deutsch: «Für Patrik Stöckli: ein Pionier der Schweizer Erotikindustrie».

Mit seinen Filialen wollte Stöckli dem Erotik-Geschäft in der Schweiz die schmuddelige Hinterhof-Atmosphäre nehmen. Der Weg dahin war zäh – doch er hat es geschafft.

Verwendete Quellen
  • Persönliches Gespräch mit Patrik Stöckli
  • Recherche in der Schweizer Mediendatenbank
  • Medienbericht in der «Neuen Luzerner Zeitung» vom 1. April 2005 «Hausfrau verschmiert Erotik-Plakat»
  • Website des Erotik-Markt
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