Feli Ambauen über ihren «Beziehungskosmos»

Dieser Podcast bringt deinem Sexleben mehr als jeder Porno

Gemeinsam mit Sabine Meyer spricht Psychotherapeutin Felizitas Ambauen in einem Podcast über Beziehungen, Liebe und Sex. (Bild: ida)

Sie ist der Meinung: Wir wissen zu wenig über gute Beziehungen. Mit ihrem Podcast «Beziehungskosmos» will die Luzerner Paar- und Psychotherapeutin Felizitas Ambauen genau das ändern. Das kommt gut an.

Sie wollen uns beziehungsweiser machen: Die Paar- und Psychotherapeutin Felizitas Ambauen und die Journalistin Sabine Meyer. Vor zwei Jahren haben sie mit ihrem Podcast «Beziehungskosmos» gestartet und damit einen Überraschungshit gelandet. Mittlerweile hören den beiden 50’000 Hörerinnen wöchentlich zu – im Mai haben sie die 1,5 Millionen-Download-Grenze geknackt.

Wir haben Ambauen, die in Nidwalden und Luzern eine Praxis hat, zum Gespräch getroffen.

zentralplus: Felizitas Ambauen, ich glaub, ich habe ein Dating-Burnout.

Felizitas Ambauen: Das kann ich gut nachvollziehen! Ich hatte gerade vorhin eine Klientin bei mir in der Praxis, die sagte: Ich mach diese Dating-Apps auf und habe das Gefühl, inmitten eines Supermarkts zu stehen – mit viel zu viel Angebot.

zentralplus: Was raten Sie, wenn das Daten frustriert und man Angst hat, erneut enttäuscht zu werden? Schliesslich lebt es sich als Single eigentlich schmerzloser.

Ambauen: Sie schmunzelt. Das stimmt natürlich ein bisschen. Das kann aber auch eine Aussage sein, die man aus dem Schutzmodus getroffen hat. Wenn Sie also die Vorteile des Single-Seins in den Vordergrund setzen, um die schmerzhaften Nachteile weniger zu spüren. Da würde ich also nachfragen: Geht’s Ihnen wirklich besser als Single oder ist das ein vorgeschobener Grund, der es erträglicher macht, dass gerade niemand da ist?

zentralplus: Ist es denn nicht normal, sich selbst vor Verletzungen schützen zu wollen?

Ambauen: Ein Stück weit sicherlich. Schliesslich ist es auch pure Reizabschirmung. Wenn man es zu lange macht, verhindert es aber auch positive Begegnungen.

zentralplus: Werfen wir denn zu schnell weg, was gut war – oder was hätte gut werden können?

Ambauen: Was hätte gut werden können – das gefällt mir. Manchmal wartet man wirklich zu wenig lange, um herauszufinden, was zwischen zwei Menschen ist. Dort, wo das Angebot so riesig ist – und das ist es beim Online-Dating – kommen viele schnell an den Punkt, zu glauben, dass sie ein bestimmtes Hindernis nicht überwinden können. Und sie sich deswegen wieder neu umschauen.

«Wenn man hier auf dem Berg in Nidwalden lebt, kann man niemanden ghosten.»

zentralplus: Es gibt viele Optionen – und manchmal nimmt genau deswegen auch etwas ein ganz unschönes Ende.

Ambauen: Genau. Mit Verhaltensweisen, die ausserhalb dieser Onlinedating-Welt gar nicht sozial akzeptiert wären. Wie beispielsweise das Ghosten, bei dem sich einer der Beteiligten praktisch unsichtbar macht und auf keine Kontaktaufnahme mehr reagiert. In der Realität würde das ja gar nicht gehen. Wenn man hier auf dem Berg in Nidwalden lebt, kann man niemanden ghosten. Man läuft sich ja wieder über den Weg. Und schliesslich bleibt es ja verletzend. Ein Hingeworfenwerden.

zentralplus: Wie lange dauert denn eine normale Kennenlernphase?

Ambauen: Das ist schwierig. Das ist ja auch eine Frage davon, ob wir bei der Phase «mega verliebt» starten oder eher da, wo man sich fragt, ob es wirklich passt. Wenn man sich drei, vier Mal gesehen hat und sich jedes Mal fragt, ob das was werden kann, ist das vermutlich eine verlässlichere Angabe.

zentralplus: Und wenn einen das Gegenüber gleich beim ersten Treffen umhaut?

Ambauen: Es ist sicher gut zu wissen: Die rosarote Wolke dauert zwischen drei bis sechs Monaten. Auf die grosse Begeisterung folgt eine gewisse Desillusionierung, die sehr normal ist. Zu Beginn haben wir die Tendenz, im Gegenüber das zu sehen, was wir sehen wollen. Wir verlieben uns manchmal weniger in die Person, sondern in das Gefühl, das sie mir gibt. Wenn dieser Kick dann abflacht, haben wir oft das Gefühl, dass einem das Gegenüber gar nicht so viel gibt, wie man dachte.

«Über eine gute Beziehung muss man nicht nachdenken, die läuft einfach automatisch gut. Ein fataler Denkfehler.»

zentralplus: Im Podcast «Beziehungskosmos» sprechen Sie gemeinsam mit der Zürcher Journalistin Sabine Meyer darüber, was Beziehungen stärkt, wie viel Langeweile eine Beziehung verträgt, über Sex und übers Schlussmachen. Wenn ich den Podcast höre, fühl ich mich so, als ob ich mit einem Glas Wein mit euch beiden als guten Freundinnen über das Liebesleben rede. Es fühlt sich unglaublich vertraut an. Warum setzt ihr auf diese Nähe?

Ambauen: Meine Therapietätigkeit basiert sehr auf Augennähe und Vertrautheit, was nicht heisst, dass ich den professionelle Abstand nicht halte. Ich finde es wichtig, dass ich spürbar bin. Diese Authentizität rüberzubringen, dass hier eine reale Person ist. Gehe ich mit meinen Klientinnen das Schema-Modell durch, erkläre ich ihnen beispielsweise, wie ich es bei mir kenne. Andere Therapeutinnen würden vermutlich sagen, dass dieser Abstand grösser sein müsste. Ich glaube: Durch diese Vertrautheit im Podcast entsteht eine Nähe bei den Hörerinnen und Hörern, sich auch mit dem Thema auseinandersetzen zu wollen.

Felizitas Ambauen in ihrer Praxis in Nidwalden. (Bild: ida)

zentralplus: Im Podcast sagen Sie immer wieder, dass Sie uns beziehungsweiser machen wollen. Wissen wir denn zu wenig über gute Beziehungen?

Ambauen: Das glaube ich tatsächlich, ja. Noch immer schwingt mit, dass wer sich mit seiner Beziehung aktiv auseinandersetzt, wohl ein Beziehungsproblem hat. Denn, über eine gute Beziehung muss man nicht nachdenken, die läuft einfach automatisch gut. Ein fataler Denkfehler. Eine Beziehung muss gelebt und geführt werden, die hat man nicht einfach so. Gute Beziehungen zu führen, bedeutet auch Beziehungsarbeit und eine Auseinandersetzung mit sich selbst und seinen Mustern.

zentralplus: Aus dem Podcast wird ja auch klar, dass man sich mehr mit sich selbst auseinandersetzen muss und in Paarbeziehungen mehr sprechen muss – über Gutes wie Schlechtes. Das ist ja auch anstrengend. Wie macht es wieder mehr Spass, über Beziehungen zu reden?

Ambauen: Das Wichtigste ist: Eine Stimmung zu erzeugen, welche die Offenheit, den sogenannten Annäherungsmodus herstellt. Denn nur, wenn wir in diesem Annäherungsmodus sind, sind wir bereit und offen, hinzuschauen. Wir sind kompromiss- und verhandlungsbereiter. Wir sind interessierter am Gegenüber – und vielleicht auch daran, bei unseren eigenen Schwächen genauer hinzuschauen.

zentralplus: Und das hilft, die Lust aufs Reden zu steigern?

Ambauen: Im besten Fall ist es, wenn man in diesem Annäherungsmodus ist, gar nicht mehr streng und schon gar nicht mehr aversiv, über die Beziehung zu reden. Am unangenehmsten ist es ja immer dann, wenn man Angst hat vor Bewertung und vor Abwertung. Wenn man Angst hat, nicht gut genug zu sein. Das wäre der Vermeidungsmodus, ein Schutzmodus.

zentralplus: Wie gelangen wir denn in diesen Annäherungsmodus?

Ambauen: Indem wir versuchen, uns, der Welt und dem Gegenüber offen gegenüberzutreten, ohne in einer Abwehrhaltung zu sein. Leider gibt es dazu keinen Quick Fix, den ich jetzt einfach so verraten könnte. Schön wär’s. Auch das bedeutet ein wenig Arbeit: zu lernen, wie man selbst wieder in den Annäherungsmodus kommt. Darum geht es auch in jeder Therapiestunde bei mir: dass meine Klientinnen wieder im Annäherungsmodus sind. Dann wäre man im sogenannten gesunden Erwachsenen-Ich.

Sie steht auf, erklärt das Schema, das sie zuvor schon auf ein Flipchart gezeichnet hat.

Ambauen: In diesem Erwachsenen-Ich hast du Regie über das eigene Leben. Du entscheidest selbst, wie du dich verhalten willst. Du kannst differenzieren und abstrahieren. Im blödsten Fall bist du aber geleitet durch Glaubenssätze – ich nenne sie autoritäre Stimmen – wie: Du bist nicht gut genug, du findest nie einen Mann.

«Mittlerweile erhalten wir so viele schöne Rückmeldungen. Dass der Podcast eine Ehe gerettet hat. Dass unser Podcast mehr für das Sexleben gebracht hätte als jeder Porno!»

zentralplus: Und wie würde das Erwachsenen-Ich reagieren?

Ambauen: Dieses würde sagen: Ich hätte gerne eine Beziehung, aber nicht um jeden Preis. Wenn man übt, in dieses Erwachsenen-Ich zu kommen und man versteht, wie man selber funktioniert, wird das ganze Leben einfacher.

zentralplus: Zurück zu Ihrem Podcast. Kann ein Beziehungs-Podcast eine Therapie ersetzen?

Ambauen: Wenn Sie mich das vor zwei Jahren gefragt hätten, hätte ich mit «Ich weiss nicht» geantwortet. Mittlerweile erhalten wir so viele schöne Rückmeldungen. Dass der Podcast eine Ehe gerettet hat. Oder ein Paar deswegen wieder zur Paartherapie geht. Dass unser Podcast mehr für das Sexleben gebracht hätte als jeder Porno! Der Podcast hat unglaublich viel Impact, das habe ich total unterschätzt. Schliesslich sind es über 50 Stunden, die man uns nun zuhören kann. So lange muss man mal zur Therapie gehen! Sie lacht.

zentralplus: Kommen die Menschen heute früher zur Therapie?

Ambauen: Ja, viele kommen mittlerweile präventiv. Aber da spreche ich jetzt nur von meiner Praxis, und das hat sicher viel mit dem Podcast zu tun. Ich hatte mal ein Paar, dass sich drei Wochen vorher auf Tinder kennengelernt hat und zu mir kam.

zentralplus: Was?

Ambauen: Ja. Sie fragten mich, ob sie einmal zu einem Gespräch kommen dürfen. Beide haben offenbar den Podcast gehört und waren sich nicht einig darüber, wie sie genau funktionieren. Deswegen wollten sie herausfinden, was Stolpersteine sein könnten in ihrer Beziehung.

zentralplus: Das heisst, man kann nie genug früh starten.

Ambauen: Meine Tätigkeit habe ich mittlerweile stark auf die Prävention verlagert. Die meisten Paare, die zu mir kommen, stecken nicht in einer Krise. Sie suchen Hilfe, weil sich Muster einschleichen. Sie sich immer über dieselben Dinge streiten, sich über dieselben Kleinigkeiten ärgern.

zentralplus: Wie war es, als sie vor 15 Jahren als Paar- und Psychotherapeutin begonnen habe?

Ambauen: Damals kam die typische Paartherapie dann zum Zuge, wenn sich nichts mehr bewegte. Wenn beide die Schotten dichtgemacht haben. Das ist ein Gespräch, das keinem von den Beteiligten Spass macht – auch mir nicht. Es lief oft auf Trennungen und Therapieabbrüchen hinaus. Mit dem Podcast erreiche ich die Menschen nun noch früher. Letztens sagte eine Klientin zu mir: Feli, ich will dich einfach mal mitnehmen an ein Date. Dann könntest du nachher sagen, ob er und ich kompatibel sind. Das wäre vielleicht auch sonst mal eine Geschäftsidee, wenn mir langweilig wird. Sie schmunzelt.

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