Luzerner Nati-Captain kämpft um seine Zukunft

Lichtsteiner: «Von Federer können wir uns eine Scheibe abschneiden»

Voll fokussiert: Stephan Lichtsteiner im Training.

(Bild: Facebook/Stephan Lichtsteiner)

Die jungen Schweizer Talente sollen diesen Herbst in der Nati die Chance bekommen, sich aufzudrängen. Das hat Cheftrainer Vladimir Petkovic so angeordnet. Von dieser Massnahme ist auch Captain Stephan Lichtsteiner (34) betroffen. Und auch bei seinem neuen Arbeitgeber Arsenal steht der Adligenswiler aktuell hinten an.

Im Testspiel am Dienstag gegen England (21 Uhr Schweizer Zeit, King Power Stadium, Leicester) kehrt der rechte Aussenverteidiger in die Mannschaft zurück. Beim 6:0 am Samstag zum Auftakt in die Nations League gegen Island stand Lichtsteiner nicht im Aufgebot. Der international erfolgreichste Schweizer Fussballer (siebenmal italienischer Meister mit Juventus, fünfmal italienischer Pokalsieger mit Juventus und Lazio) wurde dabei von Granit Xhaka als Captain vertreten. Vor der Euro 2016 wurde Lichtsteiner in der Nati Nachfolger von Gökhan Inler. 

zentralplus: Stephan Lichtsteiner, Sie sind zweite Wahl in der Nati und bei Arsenal. Wähnen Sie sich sportlich derzeit gerade im falschen Film?

Stephan Lichtsteiner: Die Nati und Arsenal sind für mich zwei verschiedene Paar Schuhe. In der Nati-Testphase muss ich mich bewähren. Bei Arsenal ist die Ausgangslage eine andere. 

zentralplus: Inwiefern?

Lichtsteiner: Sehen Sie: Ich hätte im Sommer auch zu fünf anderen Vereinen wechseln können im Wissen darum, dass ich sicher 47 von 50 Ernstkämpfen bestreiten werde. Aber das reizte mich nicht, ich wollte – wie 2011 vor dem Wechsel zu Juventus – zu einem grossen Verein. Ich suchte eine möglichst anspruchsvolle Herausforderung in einer neuen Liga. Darum wusste ich bei Arsenal von allem Anfang an, dass ich gegen Hector Bellerin um den Stammplatz kämpfen muss.

zentralplus: Das bedeutet aber auch, dass Sie für diese Herausforderung körperlich topfit sein müssen.

Lichtsteiner: Absolut, so fühle ich mich auch. Ich hatte einen guten Einstand, aber leider haben wir nicht gepunktet (0:2 in der ersten Runde gegen ManCity, Anm. d. Red.). Ich bin aber extrem zuversichtlich, was meine Einsätze anbelangt.

 

zentralplus: Wie das? Sie haben die letzten drei Arsenal-Spiele von der Ersatzbank aus mitverfolgen dürfen.

Lichtsteiner: Natürlich ist es ziemlich ungewohnt für mich, Ersatz zu sein. Drei Spiele in Serie, das ist mir noch nie passiert. Wenn man viel erreicht hat in der Karriere, hat man hohe Erwartungen an sich selber und will spielen. Aber ich weiss auch, dass ich zu meinen Spielen kommen werde.

zentralplus: Was macht Sie da so sicher?

Lichtsteiner: Alleine im nächsten Monat bestreitet Arsenal acht Spiele, und bei einem europäischen Spitzenverein gibt es eigentlich keine Stammplätze. Dieser ist gezwungen, zu rotieren, will er auf allen Hochzeiten in der Meisterschaft, im Cup und auf der internationalen Bühne mittanzen. Ein junger Spieler kann nicht 60 Spiele lang sein Toplevel halten, das ist nur schon rein körperlich unmöglich. Selbst wenn er absolut alles dafür tun würde. Darum gibt es bei einem absoluten Spitzenklub gut 20 Stammspieler. Und die sind darüber hinaus ja auch noch in ihren Nationalmannschaften engagiert.

zentralplus: Sie stellen sich auch dem Konkurrenzkampf in der Nati. Bei Valon Behrami mündete die Ansage von Vladimir Petkovic in einen Eklat. Können Sie sich das erklären?

Lichtsteiner: Für mich stand ein Rücktritt nie zur Debatte. Konkurrenz ist dazu da, um sich durchzusetzen. Spielen muss, wer das Team weiterbringt. Nur darum geht’s. Dazu gehören auch Prozesse, wie sie aktuell ablaufen. Es gibt einige Wechsel im Team, Spieler können sich bewähren und einen Schritt weiter kommen. Und dazu beitragen, dass das Team einen Schritt weiter kommt.

«Die Nati kann sich auf ihrem aktuellen Niveau nur noch weiterentwickeln mit Spielern, die sich in internationalen Topklubs beweisen und durchsetzen können.»

zentralplus: Haben Sie sich denn schon Gedanken darüber gemacht, wann für Sie der richtige Zeitpunkt für den Rücktritt gekommen ist?

Lichtsteiner: Nein. Aber wenn ich mir eingestehen muss, dass ich das Niveau der letzten Jahre nicht mehr halten kann, ist es so weit. Aber dann werde ich nicht nur aus der Nati zurücktreten, sondern meine Karriere beenden. Aber rein körperlich weise ich die athletischen Daten eines 28-Jährigen auf.

zentralplus: Wie schätzen Sie die Qualität der nachrückenden Schweizer Talente ein? Sind ein Kevin Mbabu auf Ihrer Position, ein Djibril Sow im Mittelfeld oder ein Albian Ajeti im Sturm schon so weit, um den Konkurrenzkampf schüren zu können?

Lichtsteiner: Ja, ich bin zuversichtlich, dass sie den vom Trainer gewünschten Mehrwert für die Nati einbringen können. Aber man darf die Realität gleichzeitig nicht ausblenden: Die Super League, in der sie engagiert sind, ist eine Ausbildungsliga. Jetzt müssen sie einen Schritt vorwärts machen, weil die Nati auf ihrem aktuellen Niveau sich nur noch weiterentwickeln kann mit Spielern, die sich in internationalen Topklubs beweisen und durchsetzen können. Und vergessen Sie nicht: Mit Michael Lang, Remo Freuler und Silvan Widmer haben wir darüber hinaus weitere Spieler, die im Ausland spielen oder gespielt haben.

Nati-Captain Stephan Lichtsteiner hat über 100 Spiele für die Schweizer Nati absolviert.

Nati-Captain Stephan Lichtsteiner hat über 100 Spiele für die Schweizer Nati absolviert.

(Bild: Facebook/ Stephan Lichtsteiner)

zentralplus: Im verlorenen WM-Achtelfinal gegen Schweden hat man aber trotzdem gesehen, wie sehr Sie der Nati mit Ihrer Mentalität und Ihrem Leistungsvermögen auf der rechten Aussenbahn gefehlt haben.

Lichtsteiner: (zögert) Das war aber sicher nicht die Schuld von Lang. Ich bin an einem Punkt in meiner Karriere, der sich nicht vergleichen lässt mit einem acht Jahre jüngeren Kollegen am Anfang seines internationalen Weges. Wir hätten als Team mehr investieren müssen, die Energie hat gefehlt. Wir waren nicht bereit, und das war unser Fehler. Wissen Sie was?

zentralplus: Sie werden es hoffentlich gleich loswerden.

Lichtsteiner: Von einem wie Roger Federer können wir Fussballer uns eine Scheibe abschneiden. Selbst wenn er viel mehr Talent besitzt als die überwiegende Mehrheit seiner Gegner, so hat er auch an weniger guten Tagen sehr häufig einen Weg zum Sieg gefunden.

zentralplus: Und als Einzelsportler konnte er sich nicht hinter dem Rücken eines Teamkollegen verstecken.

Lichtsteiner: Stimmt, das kommt noch dazu. Der letzte Schritt, der uns zu einem Exploit noch fehlt, ist, dass wir alle eine Schippe drauflegen können. Es geht dann auch im Team um Eigeninitiative, um individuelle Verantwortung, sodass sich jeder von uns sagt: Heute liefere ich den entscheidenden Input. Damit meine ich keinesfalls, dass jeder von nun an blindlings nach vorne stürmen und den Torerfolg suchen soll. Aber jeder Einzelne muss im Rahmen seiner Aufgabe den Fokus darauf haben, einen Akzent mehr zu setzen, als unbedingt von ihm erwartet wird. Es muss das Bewusstsein erwachen, dass in engen Spielen nicht nur die Leistungsträger liefern müssen. Das ist ein Gemeinschaftswerk.

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